Patrick Güldenberg über seine Rolle im neuen Tatort: „Beiläufigkeit hat durchaus etwas Progressives“

Patrick Güldenberg ermittelt im Bremer „Tatort“ als Kommissar Robert Peterson. Über die Selbstverständlichkeit einer schwulen Rolle, Homophobie im Schauspiel und seinen Bezug zur deutschen Kultserie spricht er im Interview.
Herr Güldenberg, Sie geben am 2. April in der „Tatort“-Folge „Donuts“ Ihren Einstand als Kommissar. Erfüllt sich da ein lange gehegter Schauspieler-Traum?
Auf jeden Fall fand ich schon das Angebot ziemlich cool. Als die Anfrage kam, dachte ich es geht um eine Episodenrolle. Dann kam das Drehbuch – und ich war sofort begeistert. Abgesehen davon habe ich mich darauf gefreut, mit Jasna Fritzi Bauer zu arbeiten. Wir kennen uns schon seit einer Ewigkeit, waren gleichzeitig an der Volksbühne in Berlin und haben da immer wilde Partys in der Kantine gefeiert. Auf ihren Hund habe ich auch mal aufgepasst (lacht). Nur zusammen auf der Bühne gestanden oder gedreht haben wir nie. Mit Luise Wolfram vor der Kamera zu spielen, war auch eine große Freude. Ich kannte Sie auch als Zuschauer aus der Schaubühne und finde sie großartig!
Der „Tatort“ ist eine echte Institution im deutschen Fernsehen. Haben Sie einen Bezug zu der Reihe?
Ich habe schon als Kind „Tatort“ geschaut. Bei uns im Haus in Hamburg hat damals ein Schauspieler gewohnt. Der muss Ende 20 gewesen sein, war am Schauspielhaus engagiert und seine Freundin war Balletttänzerin an der Oper. Ich fand das damals wahnsinnig spannend und crazy, denn es kamen natürlich immer aufregende Leute zu uns ins Haus, und er hat mich auch mal zu einer Zadek-Probe mitgenommen, bei der lauter nackte Schaufensterpuppen auf der Bühne standen. Und als er mal im „Tatort“ den Mörder spielte, durfte ich den dann auch gucken, obwohl ich eigentlich noch zu jung dafür war.
Der von Ihnen gespielte Ermittler Robert Petersen ist schwul, was allerdings für den konkreten Fall gar keine große Rolle spielt. War das von Beginn an im Drehbuch so angelegt?
Ja. Diese Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Sexualität der Figur fand ich auf Anhieb super, das entspricht mir total. Gerade diese Beiläufigkeit hat ja durchaus etwas Progressives. Außerdem gibt es in der Geschichte auch eine Schlüsselszene, in der sein Kollege Petersen angeht und zu ihm sagt: „Du wirst nicht nicht befördert, weil du schwul bist, sondern weil du dumm bist.“ Petersen entschließt sich daraufhin seinen eigenen Weg zu gehen und den Fall auf seine individuelle Art zu lösen. Das ist ein Emanzipationsmoment, das für mich aus der Sache eine Initiationsgeschichte macht, die durchaus viel mit mir selbst zu tun hat.

In welcher Hinsicht?
Ich arbeite jetzt seit über 20 Jahren in dieser Branche, und natürlich hat sich mittlerweile total viel getan. Aber als ich damals angefangen habe, in der Filmbranche zu arbeiten, gab es schon eine recht homophobe Grundstimmung, die ich auch ein Stück weit internalisiert habe. Mir schien klar, dass für mich als Protagonist vor der Kamera kein Platz ist, deswegen habe ich mich lange Zeit vor allem dem Theater zugewandt. Petersens Reaktion nach dem Motto „dann mache ich eben mein eigenes Ding“ konnte ich deshalb nachempfinden. In der Netflix-Reihe „Pretend It’s a City“ spricht Autorin Fran Lebowitz davon, dass sie nicht damit gerechnet hätte, dass sich in ihrem Leben in Bezug auf Gay Rights fundamental etwas ändern würde. Das ging am Theater oder in der Filmbranche vielen ähnlich, sowohl in Sachen Sexismus als auch Homophobie.
Wann fingen Sie denn an, sich über die Zustände wirklich Gedanken zu machen?
Vor ein paar Jahren, noch vor ActOut, gab es von der Queer Media Society einen Fragebogen, den man online anonym beantworten konnte. Da wurde nach negativen Erfahrungen gefragt, die man am Set mit Homophobie und Queerfeindlichkeit gemacht hat. Das hat mich zum Nachdenken gebracht, wie viel da tatsächlich im Argen liegt. Angefangen mit dem Humor: wenn am Set die Maske gebraucht wurde, rief man nach „Zupf und Tupf“ – und wer etwas dagegen gesagt hat, galt als verkrampft und spießig. Ein Dreivierteljahr später kam dann die Anfrage, ob ich bei ActOut mitmache. Und seither ist so viel passiert, dass es kaum vorstellbar ist, dass wir damit erst vor zwei Jahren an die Öffentlichkeit gegangen sind.
Zur Person
Patrick Güldenberg (44) stand schon als Kind vor der Kamera und studierte später Schauspiel in Hannover. Lange Jahre widmete sich der Hamburger vor allem dem Theater, stand in seiner Heimatstadt genauso auf der Bühne wie bei den Salzburger Festspielen und war Teil des Ensembles am Schauspielhaus Zürich, an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und dem Berliner Ensemble. Doch immer wieder stand er auch vor der Kamera, für Fernsehkrimis oder Filme wie „Sonnenallee“, „Wir sind die Neuen“ oder den in Sundance gefeierten „Morris aus Amerika“.
Bei der Aktion #ActOut outete sich Güldenberg 2021 öffentlich als schwul und bekommt seither jede Menge queere Rollen angeboten (etwa in der Serie „How to Dad“), doch festlegen lässt sich der Wahl-Berliner darauf nicht, wie jüngst „Die Ibiza-Affäre“ oder „Nazijäger – Reise in die Finsternis“ bewiesen.
#ActOu t ist eine gemeinsame Kampagne queerer Schauspieler:innen, die mit ihrem Bekenntnis mehr Sichtbarkeit in der deutschen Film- und Fernsehbranche schaffen wollen.
Der Tatort-Film „Donuts“ führt das Bremer Ermittlungsteam nach Bremerhaven und holt dort Robert Petersen mit ins Boot. Zu sehen am Sonntag, 2. April, 20.15 Uhr im Ersten.
Sie haben privat auch vorher schon ganz selbstverständlich schwul gelebt. Wie war es, das dann auch öffentlich zu thematisieren?
Ich empfand das als sehr befreiend.
Und insgesamt? Verändert sich die Branche gerade nachhaltig oder erleben wir aktuell vor allem Lippenbekenntnisse und Fassadenklitterung?
Das kann man so pauschal sicherlich nicht beantworten. Aber ich glaube schon, dass eine echte Veränderung im Gange ist, denn Repräsentation ist wichtig und nicht zu unterschätzen. Beim Instagram-Kanal von ActOut schrieb neulich ein junger Schauspielschüler, wie krass wichtig die Aktion für ihn war. Jemand wie er wird sich heute die gleichen Fragen stellen wie ich damals: Kann ich als queerer Mensch Protagonist beim Film werden? Doch anders als ich damals wird er sie nun mit „ja“ beantworten können. Das ist schon toll.
Um nun noch einmal auf Robert Petersen und den „Tatort“ zurückzukommen: was macht diese Figur denn jenseits ihrer Queerness für Sie aus?
Mich hat sehr gereizt, dass sein Weg eine Heldenreise ist, ein Schritt in die Selbstbestimmung. Außerdem fand ich die Darstellung der Männlichkeit hochinteressant. Petersen ist sich seiner Durchsetzungskraft und Autorität, aber seiner großen Empathie, Verletzlichkeit und Weichheit bewusst. Er hat ein sehr großes Gerechtigkeitsempfinden und appelliert an die Verantwortung aller, wenn es darum geht, wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen. Dass nicht alle nach den gleichen Regeln spielen, sorgt aber natürlich auch für eine gewisse Wut und Enttäuschung bei ihm. Sollten wir noch weitere Fälle mit ihm sehen, wird das sicher noch mehr Thema werden.
Sie könnten sich also vorstellen, häufiger in diese Rolle zu schlüpfen?
Die Entscheidung, ob es ein Wiedersehen mit Petersen gibt, steht noch aus. Aber ich hätte Lust darauf.
Interview von Patrick Heidmann