Otto-Brenner-Preis für Pitt von Bebenburg: NSU 2.0-Serie mit Folgen

Der renommierte Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus geht an FR-Korrespondent Pitt von Bebenburg. Nachträglich für das Vorjahr erhält die Auszeichnung Gregor Haschnik.
„Was haben Ihre Recherchen in Gang gesetzt?“ Eine kurze, sachliche Frage – die Pitt von Bebenburg bei der Verleihung des Otto-Brenner-Preises für kritischen Journalismus in Berlin nur ausführlich und emotional beantworten kann. Die „widerwärtigen Drohschreiben“ an meist prominente Frauen, unterzeichnet mit NSU 2.0, sind das bewegende Thema des Landtagskorrespondenten der Frankfurter Rundschau.
Die für die rechtsextremen, rassistischen Briefe nötigen persönlichen Daten der Empfängerinnen waren an Rechnern der Polizei abgefragt worden.
Otto-Brenner-Preis für FR-Korrespondent: Veröffentlichungen erhöhen Druck
Zunächst, sagt von Bebenburg, sei bei den Ermittlungen „so gut wie nichts“ passiert. Die Veröffentlichungen hätten den Druck erhöht und einen Sonderermittler gebracht. „Dass in diesem Jahr ein Tatverdächtiger gefasst wurde und Anklage erhoben ist, ist sicher Teil dieser verbesserten Ermittlung.“ Der Mann soll sich bei Anrufen bei der Polizei selbst als Polizist ausgegeben – und so die gewünschten Daten erhalten haben.
Täglich gebe es in Hessen bis zu 45 000 Abfragen in polizeilichen Systemen – viele könnten missbräuchlich sein, auch aus privaten Motiven. Das müsse abgestellt werden, fordert Pitt von Bebenburg. „Und auch damit beschäftigt sich die Politik erst, seit die Recherchen in Gang gekommen sind.“ Rechtsradikale, rassistische Chats, an denen Hunderte hessische Polizistinnen und Polizisten beteiligt waren, kamen ebenfalls so an die Öffentlichkeit.
Die Otto-Brenner-Stiftung zeichnete von Bebenburg für seine Artikelserie, die seit Juli 2020 in der Frankfurter Rundschau erschien, mit dem ersten Preis für kritischen Journalismus aus.
Einen großen Teil des Preisgeldes in Höhe von 10.000 Euro gibt der Gewinner weiter an Initiativen, die in Hanau, Halle und bundesweit Betroffenen von rechtsradikaler, rassistischer and antisemitischer Gewalt unterstützen.
Otto-Brenner-Preis 2020 für Gregor Haschnik

Bereits im vergangenen Jahr bekam mit Gregor Haschnik ein FR-Redakteur die renommierte Würdigung. Er hatte seit dem Jahr 2014 intensiv den Tod eines kleinen Jungen in einer sektenähnlichen Gruppierung in Hanau untersucht.
Auch aufgrund von Haschniks Engagements wurde der Fall von der Justiz neu aufgerollt. Seine Recherche fasste er in FR7 zusammen unter dem Titel „Wie starb Jan H.?“ Der Preis wurde Pandemie-bedingt erst jetzt übergeben.
Otto-Brenner-Preis: Neben Pitt von Bebenburg auch Juliane Löffler ausgezeichnet

Das gilt auch für Juliane Löffler von Ippen Investigativ. Ihre Arbeit mit Margherita Bettoni zum Thema „Sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt im Medizinbetrieb“, unterstützt mit einem Stipendium der Stiftung, ist im März in der FR erschienen. Löffler hatte zuletzt über den früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt recherchiert.
Preiswürdig befand die Jury ferner die NDR-Dokumentation „Wem gehört der Impfstoff?“, die Christian Baars, Oda Lambrecht und Simone Horst mit Lutz Ackermann für „Panorama – die Reporter“ drehten. Ausgezeichnet wurden auch die taz-Journalisten Kersten Augustin und Sebastian Erb, die zum Thema Rechtsextremisten in der Bundestagspolizei arbeiteten.
Das Redaktions-Team von „Monitor“ mit seinem Leiter Georg Restle erhielt einen Spezial-Preis „für penibelste Recherche, Unabhängigkeit, für Meinungsstärke und für Unbeugsamkeit“. Laudator Heribert Prantl ermutigte, Journalismus bedeute auch Widerstand.
Den Newcomerpreis erhält Selina Bettendorf, die im „Tagesspiegel“ sexuelle Belästigung im Alltag beleuchtet hat. Der Medienprojektpreis geht an das Redaktionsteam von „offen un‘ ehrlich“ um Kim Stoppert und Robert Hecklau, das für den Saarländischen Rundfunk und „funk“, das öffentlich-rechtliche Angebot für junge Zielgruppen, Instagram-Hypes auseinandernimmt.

Die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall fördert Wissenschaft und Forschung. Sie erinnert an den früheren Vorsitzenden der Gewerkschaft. (Michael Bayer)