1. Startseite
  2. Kultur
  3. TV & Kino

Oliver Polak roastet auf Netflix seine Gäste: „Zelebrieren, nicht zerstören“

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Kathrin Rosendorff

Kommentare

Nach einem Tag mit intimen Gesprächen werden die Gäst:innen wie Rapperin Nura auf der Stand-up-Bühne geroastet. Foto: Netflix
Nach einem Tag mit intimen Gesprächen werden die Gäst:innen wie Rapperin Nura auf der Stand-up-Bühne geroastet. © Netflix

Am 9. November 2021 startet auf Netflix eine wilde Comedy-Show von Oliver Polak. Bei „Your Life is a Joke“ verbringt er einen Tag mit Prominenten, ehe er sie roastet.

Franklfurt - Comedian Oliver Polak sitzt im goldfarbenen Manta, er legt seinen Arm auf der Kopfstütze des Beifahrersitzes ab, so ein bisschen ist es wie in diesen romantischen Filmen beim Knistermoment kurz vor dem ersten Kuss. Auf dem Beifahrersitz wirkt Christian Ulmen fast wie ein Kind bei der Einschulung.

Der sonst so souveräne Schauspieler und Komiker („Jerks“) weiß gar nicht, ob er sich freuen darf oder fürchten muss, als Polak anfängt, den Show-Song zu schmettern: „Ich will den Tag gern mit dir sein. Nie mehr ohne dich allein. Zeig mir alles, was du magst. Oder auch, was an dir nagt … Keine Sorge, es wird schon okay. Doch vielleicht tut es auch etwas weh!“

Oliver Polak mit eigener Comedy-Sendung auf Netflix: „Your Life Is a Joke“

Der 45-jährige Entertainer, der bereits den Grimme-Preis für seine TV-Sendung „Applaus und Raus“ gewann und dessen autobiografische Bücher wie „Der jüdische Patient“ Bestseller waren, hat jetzt seine eigene Comedysendung auf Netflix, Titel: „Your Life Is a Joke“.

Über Menschen, die seine Gags zu hart finden, sagt Polak: „Kein Witz ist härter als die Realität.“ Polak verbringt in der Show einen Tag mit einem prominenten Menschen: Neben Ulmen sind das in der ersten Staffel Rapperin Nura und Jennifer Weist, die Frontsängerin der Band Jennifer Rostock.

Die Prominenten suchen sich dabei ihre Lieblingsorte aus: Mit Ulmen schnüffelt Polak an Auslagen im Baumarkt und schwimmt im Heiligensee, mit Nura geht er in die Rollerdisco und zur Wahrsagerin. Für Jennifer Weist singt Polak mit der Eiswaffel als Mikroersatz ein romantisches Lied auf offener Straße. Doch die Show hat neben all der Komik auch sehr tiefgründige Momente.

Oliver Polak: „Kein Witz ist härter als die Realität.“ Foto: Frédéric Schwilden
Oliver Polak: „Kein Witz ist härter als die Realität.“ © Frédéric Schwilden

Oliver Polak im FR-Interview über Netflix-Serie „Your Life Is a Joke“

Herr Polak, „Your Life Is a Joke“ ist keine typische Comedyshow: Es ist eine wilde Mischung aus James Cordens ,Carpool Karaoke‘, „La La Land“-Musical und Therapiestunde. Denn Sie verbringen nicht nur den Tag mit Ihren Gästen, Sie stellen ihnen auch auf sehr empathische Weise persönliche Fragen, um sie am Abend auf einer Stand-up-Bühne zu „roasten“, also mit liebevollen Gags über ihre Macken zu verspotten. Wie kam es zu diesem Konzept?

Es sind die drei Sachen, die ich am liebsten mag: Menschen kennenzulernen und mich mit ihnen zu unterhalten, singen und am Ende eben der Stand-up. Ich habe zusammen mit Erobique den Intro-Song komponiert, von der Stilistik habe ich in der Zeit viel die R’n’B & Soul-Band „Blue Magic“ gehört. Es ist dieser 70er-Phillysound, aber auch der Sound von Barry Manilow spiegelt sich in dem Stück wider. Ich fand bei allen drei Gäst:innen gut, dass sie so unvoreingenommen in die Show reingegangen sind. Der eine hat sich früher, die andere später, aber alle haben sich sehr geöffnet und waren ready. Das hat mich sehr gerührt.

Was genau hat Sie gerührt? Und wie gut kannten Sie die Gäste vorab?

Alle drei kannte ich vorher nur flüchtig, aber fand sie interessant und wollte mal tiefer schauen. Es gab kein Skript, sondern ich habe eben zugehört, im Moment nochmal genauer nachgefragt. Ich hatte vorher nicht geplant, mit Jennifer Weist über ihre Eltern zu sprechen. Es hat mich sehr berührt, als sie erzählte, dass sie ihren Vater kaum kennt, weil er die Familie früh verlassen hat. Auch Nuras Lebensgeschichte hat mich bewegt. Ihre Mutter wurde an ihren Vater in Saudi-Arabien verheiratet, damit sie in Eritrea keine Kindersoldatin wird. Als Dreijährige floh Nura mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern von Saudi-Arabien nach Deutschland. Es hat mich sehr nachdenklich gemacht, als sie erzählte, dass sie, obwohl sie hier schon fast ihr ganzes Leben lang lebt und mehr Steuern zahlt als viele andere, keinen deutschen Pass bekommt. Das kann doch nicht sein.

Und was war der emotionalste Moment mit Ulmen?

Als wir uns wie die Äffchen im kalten Wasser des Heiligensees aneinanderklammerten, war das schon intim. Wir sprachen dabei über Freundschaft, Einsamkeit, Alleinsein, das hat mich berührt. Aber auch so berührt mich Ulmen. Ich komme mit solchen Männern besser klar als mit so Mann-Männern.

Oliver Polak kuschelt mit Christian Ulmen im Heiligensee und spricht mit ihm über Freundschaft, Einsamkeit und Alleinsein. Foto: Netflix
Oliver Polak kuschelt mit Christian Ulmen im Heiligensee und spricht mit ihm über Freundschaft, Einsamkeit und Alleinsein. © Netflix

Netflix-Serie „Your Life is a Joke“: Oliver Polak roastet Christian Ulmen

Nach all diesen intimen Momenten roasten Sie Ulmen mit harten Sätzen wie: „Du siehst aus, wie ich mich oft fühle: Wie ein trauriger, lediger Sexmessebesucher.“ Ist es leichter oder schwerer, Leute zu roasten, die Sie sympathisch finden?

Ich finde die Basis, dass man jemanden roastet, ist, dass man jemanden liebt. Das kommt aus der Tradition aus Amerika, dass man einen Toast auf jemanden hält, der Geburtstag hat. Auch da ist es lustiger, wenn man über die kleinen Ticks und Schwächen auf eine lustige Art und Weise erzählt. Deswegen würde ich niemanden roasten, den ich hasse, weil: Darum geht es nicht. Es ist nicht dieses deutsche Schadenfreude-Ding. Es geht um Harmonie. Wenn jemand gestorben ist, ist es doch auch schöner, wenn man nicht nur darüber redet, wie traurig es jetzt ist, dass die Oma nicht mehr da ist. Sondern eben auch über lustige Momente spricht: „Weißt du noch, als die Oma im Bademantel so wütend in den Supermarkt gegangen ist?“ Dann lachen alle zusammen. Beim Roast geht es eben darum, die Einzigartigkeit dieser Person rauszuarbeiten. Für mich ist Nura wie der beste Freund in Comicverfilmungen. Wie Sid von „Ice Age“ oder der Esel von „Shrek“, eben dieser liebenswerte, treue Freund, der einen immer so mitreißt. Das mag ich an ihr sehr. Es geht nicht darum, jemanden zu zerstören, sondern ihn zu zelebrieren. Dies fiel mir leicht mit diesen drei Menschen, weil jeder auf seine Art sehr besonders ist.

Es ist nicht dieses deutsche Schadenfreude-Ding. Es geht um Harmonie.

Oliver Polak

Sehr besonders ist in Ihrem Leben auch Ihre Tante Ilse Polak, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Shoah-Überlebende nach New York emigriert ist. Sie hatten auf Ihrem Handy eine Dokumentation über sie gefilmt, aber das Material ist verloren gegangen, weil Ihr Handy abgestürzt ist. Werden Sie das nun wiederholen, jetzt, wo man wieder in die USA fliegen kann? Und wie alt ist Ihre Tante mittlerweile?

93 oder 94? Ich sage lieber 93, weil sie mag es nicht, wenn man sie älter macht. Ob ich die Dokumentation über sie mache, wenn ich jetzt im November hinfliege, muss ich schauen. Je nachdem wie es ihr geht, wenn ich da bin. Aber es ist immer noch in meinem Kopf. Ich würde gerne mit ihr nochmal zu der Anlegestelle fahren, dort, wo sie mit dem Schiff nach dem Krieg zum ersten Mal in den USA ankam. Ich will aber vor allem viel Zeit mit ihr verbringen. Wir werden zu Katz’s Delicatessen fahren und gemeinsam dort Sandwiches essen gehen. Das ist unser Ritual. Und ich will mit ihr in den Central Park, mich auf eine Bank mit ihr setzen und zusammen Tauben füttern.

Zur Person

Oliver Polak, geboren 1976 in Papenburg, ist Stand-up-Comedian, Autor und Podcaster. Seine Fernsehlaufbahn startet mit einem Praktikum bei Stefan Raab. Dann moderiert er beim Musiksender „Viva“. Mit Liveshows wie ,,Der Endgegner“, ,,Krankes Schwein“ oder ,,Jud Süss Sauer“ geht er auf Tour. Seine drei Bücher „Ich darf, ich bin Jude“, „Der jüdische Patient“ und „Gegen Judenhass“ waren Bestseller. 2017 erhält er den Deutschen Fernsehpreis für die ARD-Reihe „Das Lachen der Anderen“ und den Grimme-Preis für seine ProSieben-Show „Applaus und raus“. Mit seinem neuen Programm „Sorry, für gar nichts“ geht er 2022 auf Tour. Er lebt in Berlin und Paris mit seinem Terrier-Mischling Arthur. Ab 9. November ist Polaks erste Netflix-Comedyserie weltweit zu sehen. Zudem schreibt er gerade an einem neuen Buch, das bei Suhrkamp erscheinen wird. rose

Netflix-Serie „Your Life is a Joke“: Wen Oliver Polak sonst gerne roasten würde

Kurz nach Heiligabend sind Sie im ARD-Mehrteiler „Eldorado KaDeWe“ in der Rolle des jüdischen Kaufhausbesitzers am Vorabend der Machtergreifung der Nazis zu sehen. Eine Zeit lang litten Sie sehr darunter, auf Ihr „Jüdischsein“ reduziert zu werden. Wieso haben Sie die Rolle trotzdem angenommen?

Als ich die Nachricht von der Regisseurin Julia von Heinz bekam, dass sie mich gerne für die Rolle besetzten wollte, war ich erst zögerlich, bis ich sie persönlich traf. Mein Jüdischsein war lange ein großes Thema für mich. Im Hier und Jetzt spielt es aber keine Rolle mehr. Auf der Stand-up-Bühne ist das was anderes, das ist eine Show. Und das ist nun Schauspielerei, eine Rolle, die ich interessant fand. Ich habe auch lange nicht mehr gespielt. Zudem mag ich sehr gerne solche Kaufhäuser wie das KaDeWe, vielleicht auch, weil es da eine Verbindung gibt. Meinem Vater gehörte 45 Jahre „Das Haus der kleinen Preise – Wilhelm Polak“ in Papenburg. Wir führten Damen-, Herren, Kinder- und Umstandsmode. Mein Vater war der erste, der im Emsland ein Kinderkarussell hatte. Als Kind habe ich mich mit meinen Freunden auch gerne als lebendige Schaufensterpuppen ins Fenster gestellt.

Auch Jennifer Weist, die Frontsängerin der Band Jennifer Rostock, stellt sich Oliver Polaks Roast. Foto: Netflix
Auch Jennifer Weist, die Frontsängerin der Band Jennifer Rostock, stellt sich Oliver Polaks Roast. © Netflix

Wenn es eine zweite Staffel Ihrer Netflix-Serie geben sollte, wen würden Sie gerne roasten?

Wen ich sehr gerne kennenlernen würde, weil ich ihn für einen wahnsinnig interessanten Typen halte, den ich aber noch nie getroffen habe, ist Otto Waalkes. Denn er ist einer der wenigen Menschen, die ich verehre. Er hat den Grundstein für mich und viele andere Menschen in einem ernsten Land wie Deutschland gelegt, wo Quatsch machen immer eher verboten war. Schon in der Schule konnte ich mich immer auf ihn berufen: „Der macht das doch auch.“ Toll wäre, wenn wir die Folge in Emden drehen würden, dort, wo er herkommt, dann könnten wir auch gleich rüber nach Papenburg. (Interview: Kathrin Rosendorff)

Auch interessant

Kommentare