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Suche nach Drahtziehern hinter Putin? Fehlanzeige bei Markus Lanz

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Von: Marc Hairapetian

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TV-Talk bei Markus Lanz
Markus Lanz: Talk zur russischen Großoffensive in der Ostukraine. (Screenshot) © ZDF

Bei Markus Lanz im ZDF gibt es das Gesicht des Ukraine-Krieges zu sehen. FDP-Politikerin Strack-Zimmermann zeigt sich als taugliche Kanzlerin.

Je später der Talkshow-Abend, desto ähnlicher die Gäste. Häufig sind es sogar dieselben. Wie zum Beispiel Marie-Agnes Strack Zimmermann, die fast schon zum Stammpersonal bei Markus Lanz im ZDF gehört. Und dies nicht ohne Grund. Die 64-jährige FDP-Politikerin, die seit 2021 Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages ist, spricht oft schlagzeilenträchtig unbequeme Wahrheiten aus und wenn sie mal nicht recht hat, dann polarisiert sie zumindest.

Wie dem auch sei: Aufmerksamkeit ist ihr damit gewiss. So auch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Von Bundeskanzler und Koalitionspartner Olaf Scholz (SPD) wurde sie in einem rbb24-Inforadio-Interview nach ihrer Lwiw-Reise, die sie mit den Bundestags-Kollegen Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD) vergangene Woche machte, ziemlich arrogant abgewatscht: „Ganz klar ist, dass in so einer Situation sich immer wer zu Wort meldet und sagt: ‚Ich möchte, dass es in diese Richtung geht, und das ist Führung.‘ … Manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was ihr wollt, deshalb führe ich.“

Markus Lanz (ZDF): Strack-Zimmermann fühlt sich „mit Mädel angesprochen“

Die Bezeichnung „Mädel“ nimmt die gebürtige Düsseldorferin ihm auch im Nachhinein nicht krumm, wohl aber was dahinter stecken würde, wie sie bei Markus Lanz sagt: „Ich fühle mich mit ‚Mädel‘ angesprochen. Ich komme ja aus dem Rheinland. Bis 50 ist man Mädel, ab 50 junge Frau. Ich habe sehr viel Humor, aber hier geht es um einen Krieg.“

Zu „deutschen Werten“ wie „Freiheit und Menschenrechte“ bezüglich des Ukraine-Krieges habe sich der Kanzler nach seiner „Zeitenwende“-Rede nicht mehr eindeutig geäußert. Im Kreml interessiere es „Wladimir Putin und seine Schergen“ nicht, dass Kinder verschleppt und Frauen vergewaltigt würden.

Markus Lanz (ZDF): Strack-Zimmermann spricht über Lieferung schwerer Waffen

Sie könne verstehen, dass nicht nur junge Abgeordnete anlässlich des mittlerweile frühlingshaften Wetters müde seien, „morgens bis abends über Waffen zu reden“. Aber: „Wladimir Putin und die russische Armee sind mit hehren Worten nicht zu stoppen.“ Deshalb plädiere sie wie ihre Koalitionskollegen Anton Hofreiter und Michael Roth für Deutschlands Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine, damit deren Selbstschutz weiterhin gewährleistet sei.

Die zu vorsichtige und wenig konkrete Art und Weise von Olaf Scholz, die Dinge beim Namen zu nennen, bedauere sie: „Da sterben Tausende von Menschen!“ An seinem Auftritt sei vor allem das interessant, „was er nicht gesagt hat“. Sie verstehe nicht, „warum der Kanzler nicht das Wort ‚Panzer‘ in den Mund nimmt“. Von „schwere Waffen“ ganz zu schweigen. Allerdings deutet sie an, dass Deutschland bereits mehr Waffen an die Ukraine liefere als öffentlich bekannt sei. Details müssten aber leider streng geheim bleiben: „Sonst mache ich mich strafbar und werde - so schön es hier auch ist - in Handschellen abgeführt.“

Markus Lanz (ZDF): FDP-Politikerin attackiert Scholz

Strack Zimmermann übt am späten Dienstagabend scharfe Kritik am Regierungschef, dessen Koalition sie ja angehört. Einen „Hütchenspieler“-Vergleich habe sie allerdings nicht auf ihn bezogen, sondern bloß auf den Linken-Politiker Gregor Gysi, präzisiert sie auf Nachfrage des Moderators, der ihr viel Zeit für ihre Äußerungen gibt. Aber an sich sei es schon ein „verbales Hütchenspiel“ gewesen, was Olaf Scholz zuletzt von sich gegeben habe: „Jetzt haben wir wieder die Schlagzeile für die Damen und Herren, die uns heute zuschauen!“

Der Rezensent fühlt sich an dieser Stelle nicht angesprochen. Aus dem Kanzleramt sei übrigens die Fahrt, welche die drei Bundestagsausschuss-Vorsitzenden aus der Ampelkoalition auf ukrainische Einladung ins Kriegsgebiet unternahmen, nicht wirklich unterstützt worden. Im Gegenteil: Von einer dem Kanzler nahestehenden Person, deren Namen sie jetzt trotz Nachbohren von Markus Lanz nicht nennen wolle, sei gar der Vorwurf „Wir wollen nicht, dass Kriegstourismus stattfindet!“ gekommen. Dies habe sie schon getroffen: „Wir sind keine politischen Zombies! Es war uns schon klar, dass das kein Ausflug ist.“ Man habe sich auf die Reise gründlich vorbereitet.

Während sie danach nach Hause gefahren sei und in ihrem geschützten Umfeld habe leben können, gehe der Krieg für die Menschen in der Ukraine weiter. Man habe in Lwiw ein ziviles Hospital besucht, wo auch schwerverletzte ukrainische Soldaten untergebracht worden seien. Da würden 18, 19-jährige Männer liegen, die ihre Gliedmaßen verloren hätten, während ihre Mütter am Bett sitzen und weinen würden: „Das sind noch Kinder! Das ist das Gesicht des Krieges!“

Olaf Scholz zusammen mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Marie-Agnes Strack-Zimmermann zusammen mit Olaf Scholz (Archivbild) © Sven Simon/Imago Images

Markus Lanz (ZDF): Sie wünscht man sich als Kanzlerin

Der Besuch mit ihren Koalitionskollegen sei die „Bestätigung“ dessen gewesen, „was wir live und in Farbe im Fernsehen sehen“. Dabei stellt sie nochmals klar: „Kein deutscher Soldat wird in der Ukraine kämpfen. Wir sind keine Kriegspartei, aber wir sind parteiisch.“ In solchen Momenten wünscht man sich Marie-Agnes Strack-Zimmermann als Kanzlerin!

Über Olaf Scholz’ lahme Presskonferenz vom Dienstagabend sind sich alle Gesprächspartner bei Markus Lanz einig, dass das viel zu wenig gewesen sei. Im Gegensatz zur „Jungs und Mädels“-Lwiw-Reise von Strack-Zimmermann und Co., die laut Journalistin Kerstin Münstermann „unter dem Strich“ eine Unterstützung von einer weiteren Milliarde Euro für die Ukraine gebracht habe. Des Kanzlers „Rumschwurbeln war der Versuch eines rhetorischen Befreiungsschlags“, der jedoch nicht gelungen sei, schlägt sie in dieselbe Kerbe wie zuvor Strack Zimmermann.

Markus Lanz (ZDF): Die Gäste der Sendung vom 19.04.2022

Die Hauptstadt-Journalistin der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ kritisiert Scholz’ „unsichere Kommunikation“, auch wenn sie ihm bescheinigt, von seinem Amtseid geleitet zu sein und er Deutschland auf keinen Fall zur Kriegspartei machen wolle. Der Regierungschef müsse aber klarer erläutern, „was in ihm vorgeht“, ähnlich wie es bisher Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Grüne) mache.

Scholz sorge sich, dass „seine eigene Partei ihm nicht die Gefolgschaft versagt“, ergänzt Verteidigungsexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), die - das wollen wir an dieser Stelle nicht unterschlagen - zu einem Viertel vom Bund finanziert wird.

Markus Lanz (ZDF): Debatte über deutsche Russland-Politik

Selten ist sich eine Gesprächsrunde so einig. Denn auch der eloquente und ganz und gar nicht diplomatische Moskauer Ex-Botschafter Rüdiger von Fritsch (geboren als Rüdiger Werner Hans-Erdmann Freiherr von Fritsch-Seerhausen) bedauert, „dass wir einmal mehr uns in ein so schlechtes Licht stellen“. Und dies, obwohl Deutschland viel für die Ukraine leiste und das auch schon früher getan habe.

In seiner Amtszeit - von 2014 bis zum Ruhestand 2019 - hätten zwar aus jeder Partei außer von den Grünen Besucher versucht, die Russlandpolitik „weichzuspülen“. Doch die deutsche Politik sei nicht so fehlerhaft gewesen, wie sie anno 2022 oft dargestellt werde: „Putin hat das Schachbrett umgeworfen, aber damit sind weder unsere vergangenen Züge, noch die Spielregeln falsch geworden“.

Hierzu muss allerdings Mölling doch den Kopf schütteln, denn „deutsche Politiker könnten sich nicht hinter Brüssel verstecken“. Unbeirrt fährt Rüdiger von Fritsch fort: Energiepolitisch habe sich Deutschland „nicht von Russland abhängig gemacht, sondern vom Gas.“ Nach dem beschlossenen Aus für Atomkraft und Kohle-Energie habe es nur noch die Alternative gegeben, Gas von autokratisch bis diktatorisch regierten Staaten wie Russland, Katar oder Iran zu kaufen, oder aber klimaschädlich erzeugtes Fracking-Gas.

Markus Lanz (ZDF): Russland und die Deestabilisierung des Westens

Seit der Krim-Annexion 2014 sei ihm klar gewesen, dass Russland nicht aufhören würde, den Westen mit allen Mitteln zu destabilisieren, wirft Mölling ein. Die moderne Kriegsführung beschränke sich nicht mehr allein auf militärische Operationen, sondern auch auf Terroranschläge, Cyberattacken oder den Berliner „Tiergartenmord“, bei dem am 23. August 2019 der zu dieser Zeit in Deutschland asylsuchende Seilmchan Changoschwili mutmaßlich im Auftrag des russischen Geheimdienstes FSB erschossen wurde.

Rüdiger von Fritsch, der in vielen Gesprächsrunden mit Wladimir Putin dabei gewesen ist, porträtiert dann den russischen Machthaber facettenreich: „Er ist ein ausgebildeter KGB-Offizier.“ Putin versuche immer, die Menschen zu gewinnen. Gelinge ihm dies nicht, führe er sie vor. Bezüglich der Eroberung des Donbas, der „Entnazifizierung“ und „Entmilitarisierung“ der Ukraine bestimme er allerdings nicht, was Sieg oder Niederlage sei: „Er wird auch an der Macht gehalten und diesen Menschen ist er rechenschaftspflichtig.“ Wer die Drahtzieher hinter Putin sein könnten, hinterfragt Lanz allerdings nicht. Das wäre aber ein spannendes Thema - für eine weitere Talkshow. (Marc Hairapetian)

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