Neue Regeln für die Filmförderung – Große Erwartungen

Kulturstaatsministerin Claudia Roth will bei der Berlinale ihr Konzept zur Filmförderungs-Novelle präsentieren. Überschattet wird die Debatte über das Übergehen des Berlinale-Teilnehmers Christian Petzold beim deutschen Filmpreis.
Vor einem Jahr erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth in ihrer Berlinale-Eröffnungsrede: „Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik. Deshalb brauchen wir auch eine Filmförderung, die international mithalten kann und unsere Kinokultur für die Zukunft stärkt.“ Ein Konzept zur 2023 anstehenden Novellierung der deutschen Filmförderung blieb die Grünen-Politikerin jedoch bislang schuldig. Erst im vergangenen Dezember kündigte sie in der Sendung „Kulturzeit“ ein solches bis zur kommenden Festivalausgabe an, die heute eröffnet wird. Die Branche erwartet ihre Rede mit entsprechender Spannung, denn es gibt einiges zu tun.
Weit hinter den Kleinen
Vor 56 Jahren wurde das erste Filmförderungsgesetz erlassen. Die damit gegründete Filmförderungsanstalt hatte als erste Aufgabe, „die Qualität des deutschen Films auf breiter Grundlage zu steigern“. Heute werden deutsche Filme international kaum noch wahrgenommen. In den Wettbewerben und Nebensektionen von Cannes war Deutschland 2022 nicht vertreten. Auch die Oscar-nominierte Netflix-Produktion „Im Westen nichts Neues“ kann von diesem Bedeutungsverlust nicht ablenken. Kleine Filmländer wie Dänemark oder Belgien spielen eine weit größere Rolle.
Aber auch im eigenen Land ist das deutsche Qualitätskino immer weniger sichtbar. In einer Erklärung der Vereinigung unabhängiger deutscher Filmverleiher, AG Verleih, heißt es: „Der deutsche Kinofilm ist, von wenigen Mainstreamfilmen abgesehen, schon lange kein Eckpfeiler mehr in der hiesigen Kulturlandschaft. Überregulierung, Überproduktion, komplizierte und kleinteilige Finanzierungen und oft die Orientierung am Mittelmaß bestimmen das deutsche Filmschaffen in seiner Breite. Desinteresse beim Publikum, verbunden mit viel zu geringer Herausbringungsförderung, führen den deutschen Film in die Bedeutungslosigkeit.“
Da ist die Berlinale mit fünf deutschen Wettbewerbsbeiträgen inzwischen längst ein wichtiges Glied in der Filmförderung geworden. Zu den Favoriten zählt darunter Christian Petzolds während der Pandemie gedrehter Ostsee-Landhausfilm „Roter Himmel“, ein Beziehungsdrama über Kreativität in der Krise. Kein Filmemacher seiner Generation ist international so renommiert wie der Berliner, doch ausgerechnet sein Film wurde soeben bei der Vorauswahl zum Deutschen Filmpreis übergangen.
Diese älteste Fördermaßnahme des deutschen Films ist zugleich der mit fast drei Millionen Euro Preisgeld am höchsten dotierte deutsche Kulturpreis. Die Vergabemodalitäten sind umstritten. Seit 2005 vergibt ihn nicht wie andere öffentliche Kulturpreise ein unabhängiges Gremium, sondern ein Verein von Filmschaffenden, die Deutsche Filmakademie. Petzold ist dort nicht Mitglied, was immer wieder zu Spekulationen Anlass gab, dies beeinflusse seine Chancen negativ.
Laut Statuten können bis zu 40 Prozent der angemeldeten deutschen Spielfilme für eine spätere Nominierung von einer Kommission vorgeschlagen werden – bestehend aus 16 Mitgliedern und zwei Bundestagsabgeordneten. Sollte es sein, dass ausgerechnet Petzolds Berlinale-Beitrag schlechter ist als diese oberen 40 Prozent?
In geheimer Wahl
Auf Nachfrage teilt uns eine Sprecherin der Filmakademie über das Vorschlagsverfahren mit, es erfolge in geheimer Wahl. Die Entscheidung ist also nicht, wie man es sonst aus Jurys kennt, das Ergebnis von auf Einstimmigkeit abzielenden Diskussionen. Unter den Stimmberechtigten befanden sich nur zwei Akademiemitglieder vom Fach Regie.
Intransparenz ist einer der Hauptvorwürfe gegen die deutsche Filmförderung. Nicht nur beim deutschen Filmpreis: In den Vergabekommissionen der Förderinstitutionen haben Produzierende und Fernsehredaktionen ein starkes Gewicht, unabhängige Expertinnen und Experten spielen kaum eine Rolle. Diese Praxis nützt vielen: Wenn Qualitätskriterien bei der Förderung kaum noch eine Rolle spielen, gibt es wenig Anreize für hohe Qualität. Mittelmaß lässt sich schneller und einfacher produzieren.
In aller Regel begründen deutsche Filmförderinstitutionen ihre Entscheidungen nicht. Und wo, wie beim Deutschen Filmpreis, lediglich abgestimmt wird, kann man ja auch nichts begründen. Dennoch will Claudia Roth an der umstrittenen Vergabepraxis durch die Filmakademie festhalten. Über einen Sprecher ließ sie mitteilen: „Jeder Schritt des Verfahrens ist öffentlich zugänglich dokumentiert. Das Auswahlverfahren durch die Deutsche Filmakademie hat sich bewährt.“
Seien wir gespannt, wie sie in ihrer Novelle die erste – und heute dringlichste Aufgabe der deutschen Filmförderung angehen wird: „die Qualität des deutschen Films auf breiter Grundlage zu steigern“.