Tatort aus Münster: „Des Teufels langer Atem“ (ARD) – Ein seltsames Paar

Boerne und Thiel begegnen sich im neuen Münster-Tatort wie immer und doch neu. Außerdem zeigt sich, dass es noch andere Menschen auf der Welt gibt.
Frankfurt – Zwanzig Jahre Kichern über Boerne und Thiel, längst wächst ein Publikum heran, das die Welt ohne die beiden Clowns aus Münster nicht mehr kennt. Friedlich werden alle gemeinsam älter, die Jüngeren, die Älteren, meckern ein bisschen herum, schalten dann eh wieder ein. „Geht’s mit ein bisschen weniger Klamauk“, sagte Thiel schon vor Jahren (2016) in der Folge „Ein Fuß kommt selten allein“, aber selbstverständlich geht das nicht.
An Thiel liegt es auch nicht, dem ernsten, spröden Fan einer südlich der Benrather Linie aus dem Blick geratenen Fußballmannschaft, wohingegen Boerne einfach nicht die Klappe halten kann. Wer nicht die Klappe halten kann, ist vermutlich der Empfindlichere, und auch Boerne plappert in seinen besten Momenten gegen den Tod an. In seinen schlechtesten Momenten ist er unerträglich.
Münster-Tatort „Des Teufels langer Atem“ (ARD): Axel Prahl und Jan Josef Liefers sind noch da
Axel Prahl und Jan Josef Liefers: In anderen Filmen und im Leben hier draußen erinnern sie ihr Publikum immer wieder einmal nachdrücklich daran, dass sie auch noch da sind. Aber auch in Walter Matthau und Jack Lemmon sahen die Menschen vor allem und am liebsten das seltsame Paar. Ja, es soll ewig so weitergehen, das ist bei solchen Verbindungen eigentlich der springende Punkt.
Dabei dräut echte Gefahr in der 40. Ausgabe des Münster-Tatorts, geschrieben vom erfahrenen Münster-Tatort-Autor Thorsten Wettcke, aus liebevoll arrangierten Perspektiven inszeniert von Francis Meletzky, die wie Wettcke schon an Folge 20 beteiligt war. Wie Boerne wissen sie beide (Thiel weiß es ohnehin), wo der Spaß aufhört, denn selbst im Münster-Tatort gibt es einen solchen Punkt. Das Flackern zwischen dem schlimmen Ereignis und dem schlappen Witz wird aber nicht immer so sinnig erfasst wie diesmal.
„Des Teufels langer Atem“ in der ARD gewinnt seinen Schwung zudem nicht so sehr aus der ausgiebigen Kriminalhandlung, sondern daraus, dass Boerne und Thiel auf vernünftige Leute treffen, Leute wie dich und mich, die sich nur wundern können.
ARD strahlt Münster-Tatort mit Sherlock-Holmes-Handlung aus
Gewissermaßen ist es eine Sherlock-Holmes-Handlung. Es kann nicht so sein, wie es eindeutig aussieht, also muss es anders sein und müssen die Beteiligten so lange denken, sich umschauen und Wissen ausgraben, bis Licht ins Dunkel fällt. Was Sherlock Holmes alleine kann, können Thiel und Boerne nur, wenn ihnen etliche andere helfen. Mit im Zentrum dieses Vater-Kind-Tatorts der alte Thiel, Claus D. Clausnitzer. Er kann auf seine besonderen Kompetenzen zurückgreifen, die übrigens bereits in „Ein Fuß kommt selten allein“ eine Rolle spielten. Frau Klemm, Mechthild Großmann, bezieht ihn im richtigen Moment ein, ihre Nüchternheit ist eine helle Freude.
Frau Haller, ChrisTine Urspruch, geht unterdessen bald eigene Wege, auf denen sie einen anderen normalen Menschen trifft, eine Rechtsmedizinerin, Judith Goldberg, mit der sie gut zusammenarbeitet. Die beiden machen ihre eigenen Witze, die zwar nicht lustiger sind als Boernes. Aber es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass Boerne genau das verdient hat: schlechte Witze auf seine Kosten.
„Des Teufels langer Atem“
Der Münster-Tatort läuft am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.
Ein weiterer Mensch aus der normalen Welt ist die Kriminalbeamtin Kröger, Banafshe Hourmazdi, als Vernunft in Person. Sie kommt mit Thiel nachher gut zurande, zwei Norddeutsche auf Annäherungskurs.
„Des Teufels langer Atem“: Kein langes Warten auf den nächsten Münster-Tatort in der ARD
„Des Teufels langer Atem“, ein Titel, der sozusagen schon alles verrät, schlägt insgesamt auf charmante Art immer nur fast den üblichen Pfad ein. Zwar spricht alles dafür, dass Thiel in einer Ausnahmesituation eine Untat begangen hat, aber keiner glaubt es. Das vermindert die Zeitvergeudung und erhöht den Ermittlungseifer auf allen Seiten. Einen Teil der Geschichte versteht man vielleicht etwas zu rasch, aber nicht das Ganze.
Dazu natürlich auch Routinespäße, ein kriminalistisch wichtiger Koalabär, ein kriminalistisch wichtiges Wildschwein. Oder Boerne und Haller bei einem gemeinsamen Einbruch, der nicht sehr interessant ist, Boerne aber Gelegenheit für einen schönen Merksatz gibt. „Wenn Sie einen Einbruch begehen, müssen Sie Ihr Handy vorher auf stumm stellen.“
Dass „Des Teufels langer Atem“ den Musikgeschmack von Boerne aufgreift, ist ein weiterer Vorteil. Und in einem Moment kollektiver Rührung verändert sich noch etwas anderes. Huch. Das Publikum muss aber nicht lange zappeln, bereits für den 6. März ist der nächste Münster-Tatort angekündigt. (Judith von Sternburg)