„Magic Mike‘s Last Dance“: Gentrifizierte Strip-Kunst mit Channing Tatum

Steven Soderbergh hat seine Stripper-Trilogie abgeschlossen: Kritik zum Kino-Film „Magic Mike‘s Last Dance“ mit Channing Tatum und Salma Hayek.
Die erfolgreichsten Tanzfilme der 70er und 80er Jahre, „Nur Samstag Nacht“ und „Dirty Dancing“, waren billige Produktionen. Nur ihre Filmplakate versprachen glamouröse Weltfluchten, tatsächlich erzählten sie – verortet in der sozialen Realität – von tragischen Träumern. Wer sich ihren Erfolg nur mit den Hit-Soundtracks erklärte, hatte das Originellste übersehen: dass es zur Abwechslung schöne Männer waren, die sich, von der Kamera fetischisiert, zur Musik bewegten.
Steven Soderbergh wäre nicht einer der versiertesten Filmkenner unter den großen Regisseuren, wenn er mit seinem Stripper-Film „Magic Mike“ nicht daran angeknüpft hätte. Der Erfolg gab ihm recht: Der erste Film von 2012 spielte bei sieben Millionen Dollar Produktionskosten 167 Millionen ein; bei der Fortsetzung „Magic Mike XXL“ kamen immer noch 122 Millionen in die Kasse. Hauptdarsteller Channing Tatum hatte darin seine eigenen Erfahrungen als ehemaliger Stripper eingebracht. Seine Leinwandpräsenz ließ diesen kleinen Film über sich hinauswachsen.
Kino-Film-Finale: „Magic Mike‘s Last Dance“ mit Channing Tatum und Salma Hayek
Das ist auch jetzt wieder so. Wenn der 42-Jährige zum ersten Mal seinen athletischen Körper in einem verführerischen Solotanz präsentiert, hat sich die Kamera schon in ihn verliebt. Zugegeben, Rita Hayworth brauchte sich im Film-noir-Klassiker „Gilda“ nur einen Handschuh abzustreifen, um ihr Publikum erotisch gefangenzunehmen; und Rudolph Valentino reichte dafür ein Tango. Aber hier geht es natürlich um Körperlichkeit und die noch immer nicht selbstverständlich verhandelte Kultur, sie ganz ohne missbräuchliche Absichten zu Markte zu tragen.
Es beginnt wie eine „Rocky“-Fortsetzung, bei der uns der ehemalige Held vor seiner Reaktivierung in einem obskuren Job begegnet. Mike hat das Strippen aufgegeben, um sich mit einer Designmöbel-Manufaktur selbstständig zu machen. Dann kam die Corona-Pleite, und so jobbt er als Cocktail-Mixer bei einer Luxusparty. Leichthändig gelingt dem Regisseur von „Erin Brockovich“ die soziale Verortung seines Helden. Die Cinderella-Geschichte, die sich entwickelt, kann dann freilich schnell darauf verzichten.
Kino-Film-Finale: „Magic Mike‘s Last Dance“ mit Channing Tatum und Salma Hayek
Am frühen Morgen, die letzten Gäste sind gegangen, bestellt ihn die reiche Gastgeberin Maxandra Mendoza (Salma Hayek Pinault) zu sich – oder besser gesagt, sie bestellt den Gigolo, für den sie ihn hält, in ihr Wohnzimmer. Freundlich lächelnd wehrt Mike unmissverständlich ab. Da sie „Nein“ nicht als Antwort gelten lassen will, kontert er das unmoralische Angebot mit einem Preisschild von 6000 Dollar. Das Geschäft, das sich daraus ergibt, kennt man mit umgekehrten Geschlechterrollen aus Filmen wie „Pretty Woman“.
Auch hier hatte im Kapitalismus jede Dienstleistung ihren Preis. Und wie Richard Gere anerkennend sagte – „Ich mag Profis“ –, ist auch die gestresste Geschäftsfrau mit dem Handel am Ende sehr zufrieden. Tatsächlich geht dem Liebesakt ein kultureller Mehrwert voraus, den Channing Tatum großzügig mit der Kamera teilt. Dem improvisierten Tabledance, den seine Filmfigur aufführt, ist ein ewiges Nachleben als YouTube-Ausschnitt gewiss. Soderbergh und Tatum schreiben mit diesem Kabinettsstück erotische Filmgeschichte. Steigern aber können sie diesen frühen Höhepunkt in den folgenden 90 Minuten nicht.
Rolle | Darsteller:in |
---|---|
Mike Lane | Channing Tatum |
Maxandra Mendoza | Salma Hayek Pinault |
Kim | Caitlin Gerard |
Kino-Film-Finale: „Magic Mike‘s Last Dance“ mit Channing Tatum und Salma Hayek
Gern lässt der bindungslose Mann sein unverhofftes Honorar auf 60.000 Dollar aufstocken. Seiner Gönnerin ist durch Scheidung ein ehrwürdiges Musicaltheater im Londoner Westend zugefallen. Spontan engagiert sie Magic Mike, um in vier Wochen dort die perfekte Männer-Stripshow aufzuziehen. Ein konventionelles, ja geradezu sträflich unoriginelles Backstage-Musical nimmt seinen Anfang. Athletische Breakdancer werden auf Bürgersteigen gecastet – und beherrschen unverhofft auch die Anforderungen an punktgenau synchrone Choreografien in der Chorus Line.
Magic Mike’s Last Dance
USA 2023. Regie: Steven Soderbergh. 112 Min.
Ebenso erwartbar die Steine, die der missgünstige Exmann über Kontakte zur Denkmalbehörde schleudert. Eine um wenige Zentimeter erhöhte Bühne scheint inakzeptabel – aber glücklicherweise obliegt die letzte Entscheidung darüber einer Beamtin, die sich für einen gekonnten Männer-Strip empfänglich zeigt.
Kino-Film-Finale: „Magic Mike‘s Last Dance“ mit Channing Tatum und Salma Hayek
In seiner bescheidenen Perspektive auf die vermeintlichen Bedürfnisse des weiblichen Publikums verspielt der Film die Chancen unorthodoxer Geschlechterrollen. Schon im ersten Film waren Frauen nur als johlende Masse präsent, die harmlose Grenzüberschreitungen mit Extase kontern. Dabei erklärte Tatum damals: „Männer gehen in Strip-Clubs zum Schauen. Beim Männerstrippen geht es darum, Frauen auf die Bühne zu zerren, sie zu blamieren, damit sie von den anderen angefeuert werden. Frauen gehen hin, um zu sehen, wie die Gesichter ihrer Freundinnen rot werden.“
Im schicken Westendtheater ist das Publikum kaum anspruchsvoller. Anders aber als der spektakuläre Strip am Anfang ist nichts in der gefeierten Show mehr tausend Dollar wert. Ein Tanz zwischen Tatum und einer nicht weiter eingeführten Tänzerin wirkt aufgesetzt. Auf dem Weg vom Schmuddelclub zur Luxusunterhaltung ist auch Magic Mikes sinnliche Stripkunst gentrifiziert worden – nur scheint das am Ende der schalen Cinderella-Geschichte niemandem aufzufallen. (Daniel Kothenschulte)