Söder bei Lanz empört: „Er will Drogen einführen!“

Markus Söder lässt bei Markus Lanz im ZDF Friedrich Merz generös den Vortritt und sieht überall Gefahren für die Freheit.
Hamburg – Ein seltener Gast beehrte Markus Lanz am späten Dienstagabend: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der sich längst im Landtagswahlkampfmodus eingeschaltet hat und sich dementsprechend rustikal gegen Lanz und die beiden anderen Gäste wehrte, vor allem bei der Frage: Atomkraft – vielleicht lieber doch?
Anfang Oktober wird in Bayern gewählt, der Landtag. Eigentlich nur von lokalem Interesse, doch angesichts der Wirtschaftsmacht Bayerns, die größer ist als die von Griechenland, Portugal, Tschechien zusammen, und natürlich dem quasi gottgegebenen Selbstvertrauen des Freistaats, ist das ein Ereignis von nationaler Bedeutung. Auch wenn der aktuelle und vermutlich auch zukünftige Ministerpräsident Markus Söder einen erneuten Versuch, als Kanzlerkandidat der Union zu werden, tatsächlich vehement verneinte, die Zusammenarbeit mit CDU-Chef Merz sei super und dieser der logische Kandidat.
Söder bei Lanz im ZDF im knallharten Wahlkampfmodus
Bei Markus Lanz im ZDF agierte Söder dennoch in knallhartem, populistischen Wahlkampfmodus. „Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft“ betonte Söder, daher seien all die Verbote, die vor allem der alte und neue Lieblingsfeind, Die Grünen, planen, ein Angriff auf die Freiheit. Dass Cem Özdemir Regeln für Fleischproduktion und Zucker in Lebensmitteln einführen will, geht Söder schon zu weit, aber das ist ja noch nicht die Höhe: „Er will Drogen einführen!“, skandierte er bei Markus Lanz voller Empörung, woraufhin die Journalistin Kristina Dunz trocken konterte: „Aber Alkohol ist Okay?“ In Maßen schon heißt es da in Bayern gerne, aber zu diesem Flachwitz ließ sich Söder dann doch nicht herab.
Markus Lanz im ZDF | Die Gäste der Sendung vom 2. Mai 2023 |
---|---|
Markus Söder | Bayerischer Ministerpräsident (CSU) |
Kristina Dunz | Journalistin |
Marcel Fratzscher | Ökonom |
Dabei ist Schlagfertigkeit durchaus etwas, dass bayerische Ministerpräsidenten mehr beherrschen als die meisten anderen Politiker des Landes, wie Söder auch bei Markus Lanz im ZDF bewies: Auf die Frage: „Wer ist ihr größeres Vorbild? Strauss oder Adenauer?“ fragte Söder zunächst etwas irritiert: „Wieso Adenauer“ Lanz: „Wegen dessen Satz: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?“ worauf Söder süffisant meinte: „Das ist ja so ein Satz, den auch Moderatoren gerne für sich verwenden!“ Touché!
Söder versucht sich in Ausreden
Dass der Vorwurf der Wankelmütigkeit bei Markus Söder nicht ganz von der Hand zu weisen ist, zeigte sich nicht nur beim Thema Atomkraft. Aus der ist Deutschland vor einigen Wochen ausgestiegen ist, ursprünglich mit breiter Unterstützung der Bevölkerung, doch angesichts immer noch hoher Inflation und hohen Strompreisen bröckelt die Mehrheit. Markus Lanz spielte einen Ausschnitt von 2021 vor, in dem Söder noch sagte: „Fukushima änderte alles. Auch wenn alles sicher scheint, gibt es die Möglichkeit, dass etwas passiert.“
Zur Sendung
TV-Talk vom 2. Mai zur endgültigen AKW-Abschaltung, zur Debatte um die Erbschaftssteuer sowie zur Energiepreisentwicklung als Folge des Atomausstiegs. Die Sendung in der ZDF-Mediathek.
Diesen April hieß es dann „Es ist ein schwerer Fehler aus der Kernenergie auszusteigen.“ Ist dieser Meinungsumschwung allein durch die veränderte Weltlage, vor allem den Krieg in der Ukraine zu erklären? Durchaus geschickt versuchte sich Söder herauszureden, betonte, dass weltweit die Kernkraft einen Aufschwung erlebt, neue Reaktoren entwickelt werden, die möglicherweise keinen oder kaum noch Atommüll produzieren. Auf dieses Argument hatte Lanz Redaktion den Moderator offenbar gut vorbereitet, denn wenn es um die Lagerung der radioaktiven Abfälle angeht, sträubt sich Bayern traditionell sehr.
Ökonom Fratzscher: Kosten für Atomenergie sind zu hoch
Egal ob mit oder ohne Atomstrom: Deutschland hat ein Stromproblem, die hohen Energiekosten entwickeln sich zunehmend zu einem Wettbewerbsnachteil für die deutsche Wirtschaft. Der Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte bei Markus Lanz im ZDF klipp und klar: „Der einzige Weg, wie wir dauerhaft günstige Energie zu bekommen, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Die Kosten für Atomkraft seien viel zu hoch, als dass diese Technologie eine Zukunft hätte.
Gerade in Bayern arbeitet die Bürokratie jedoch extrem langsam: Zehn Jahre etwa für Genehmigungen von Windrädern, ein Punkt, bei dem Söder Lanz ausnahmsweise zustimmte. Verfahren müssen beschleunigt, die Möglichkeit für Bürgerproteste allerdings nicht beschnitten werden, meinte Söder dazu und zeigte sich sogar hoffnungsvoll ob des von Scholz’ Regierung angekündigtem „Deutschlandtempo.“ Und an Tempo zuzulegen wäre dringend nötig, wie Marcel Fratzscher betonte: „Die Zukunft Deutschlands als Industriestandort entscheidet sich nicht an den Energiekosten, sondern an der Frage, ob die Unternehmen die digitale Transformation hinbekommen.“
Subventionierte Energie wird nicht reichen, um international mitzuhalten, zumal die Staatsverschuldung durch die Häufung von Problemen langsam aber sicher auf bedenkliche Höhen steigt. Hinzu kommt das Problem China, wobei „nicht die Abhängigkeit von China das Problem ist, sondern die Asymmetrie.“ China kann jederzeit Druck auf Deutschland ausüben, umgekehrt gilt das nicht. Gerade deswegen wäre es wichtig, dass es in Europa weniger nationale Alleingänge gibt, sondern man gemeinsam agiert, um der zunehmenden Macht Chinas etwas entgegenstellt.
Doch wie soll das funktionieren, wenn man selbst innerhalb Deutschlands oder der Bundesregierung in entscheidenden Fragen nicht zu einer sinnvollen, gemeinsamen Meinung findet, die nicht von Kompromissen verwässert, sondern im besten Fall ambitioniert und zukunftsorientiert ist? Und das ist dann eine Frage, bei der der Populismus eines Markus Söders an sein Ende kommt. (Michael Meyns)