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„Markus Lanz“ im ZDF: Joachim Stamp will kein „Abschiebeminister“ sein

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Von: Teresa Schomburg

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TV-Talk mit Markus Lanz am 7. März 2023
TV-Talk mit Markus Lanz am 7. März 2023 © Screenshot ZDF

Zur Flüchtlingssituation, den migrationspolitischen Herausforderungen, die Lage im nordsyrischen Erdbebengebiet und den Einfluss demokratiefeindlicher Organisationen.

Hamburg – Er macht es gleich klar: Diese Sendung will Markus Lanz Joachim Stamp widmen, dem Politiker mit einer der wohl schwersten Aufgaben derzeit: Als Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migrationsabkommen soll er die Einwanderungspolitik in Ordnung bringen. Wie soll das funktionieren? Im Lauf der Debatte stellt sich immer wieder heraus: Lanz und die Gäste haben noch ganz andere Fragen, die Stamp weder beantworten noch lösen kann.

Markus Lanz im ZDF: Stamp als Abschiebe-Minister?

Die Idee für seinen Posten, verrät Joachim Stamp, habe er übrigens selbst gehabt, auch wenn er nicht daran gedacht hätte, ihn auch selbst zu übernehmen. „Abschiebeminister“ wird er abfällig von politisch wenig Wohlgesonnenen genannt. Das Wort gibt Anlass für die ersten Streitigkeiten unter den ZDF-Gästen. ZEIT-Redakteur Martin Machowecz wünscht sich Klarheit in der Wortwahl. In der Koalition rede niemand von „Abschiebungen“, weil das so hart klinge. Stattdessen sei von „Rückführungen“ die Rede. Der Vorgang sei aber nun einmal hart. „Den Leuten, die abgeschoben werden, sollten wir diese Ehrlichkeit zukommen lassen“, findet Mchowecz. Joachim Stamp druckst ein bisschen herum, lässt sich auf den Begriff ein, um aber schnell zu betonen: Ein „Abschiebeminister“ wolle er bestimmt nicht sein. Ihm gehe es vielmehr um legale Zuwanderungswege nach Europa. 

Nahost-Expertin und Juristin fordern Einwanderungsgesetz

Über diese zu sprechen, „nach vorne zu schauen“, wie Stamp in Markus Lanz‘ Runde betont, wäre ein schönes Ziel für die Sendung gewesen. Doch so richtig will es nicht dazu kommen, vielleicht, weil einfach eine Vision dafür fehlt. „Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz“ fordern sowohl die Nahost-Expertin Kristin Helberg als auch die Juristin Seyran Ateş, die eine liberale Moschee in Berlin gegründet hat und nicht zuletzt deswegen seit vielen Jahren unter Polizeischutz steht. Ateş und Jürgen Stamp kennen sich schon lange, haben etwa zusammen im Integrationsbeirat in Nordrhein-Westfalen gesessen, wo Stamp bis 2022 stellvertretender Ministerpräsident war. „Wir haben uns den Mund fusselig geredet“, sagt Ateş und teilt auch an ZDF-Mann Markus Lanz aus: „Auch in Ihrer Sendung saßen schon viele Leute, die kluge Dinge gesagt haben, und es hat sich nichts bewegt.“ 

Kuriose Debatten über den Islam und Koranschulen

Ohne dass man recht versteht warum, verstricken sich Ateş und Kristin Helberg in einer recht kuriosen Debatte über den Islam. Während Ateş von ihren Erlebnissen mit traditionell ausgerichteten muslimischen Männern berichtet, die ihr drohen, versucht Helberg dagegenzuhalten, man könne nicht pauschal die Religion verantwortlich machen, wenn Straftaten wie in der Neuköllner Silvesternacht passieren oder wenn Muslime Frauen misshandeln. Ateş, kann sich den Kommentar nicht verkneifen: „Wir hängen fest in dieser Debatte: Nicht-Muslime erklären mir, was meine Religion ist.“ Markus Lanz greift allerdings erst an dem Punkt ein, als zwischen Ateş und Helberg die Einigkeit wieder hergestellt ist. „Ich rede nicht gegen den Islam“, sagt Ateş, „ich kämpfe gegen das Patriarchat.“ „Ich auch“, stimmt Helberg ein. Hier könnte es spannend werden, zumal alle, die die ZDF-Sendung live sehen, gerade ihre Zeit damit verbringen, in den internationalen Frauentag hineinzugucken. Doch nun fällt Lanz wieder ein, dass er ja noch einiges von Joachim Stamp wissen wollte. 

„Markus Lanz“ vom 7. MärzDie Gäste der Sendung im ZDF
Joachim StampMigrationsbeauftragter der Bundesregierung (FDP)
Martin MachoweczJournalist
Kristin HelbergNahost-Expertin
Seyran AtesJuristin

Die Übergangsfrage, die Markus Lanz stellt, führt aber nicht weit. Denn er will von Joachim Stamp wissen, wie viele Koranschulen es in Deutschland gäbe. Der kann keine Zahlen nennen, was auch nicht wundert, denn nun pfeifen gleich alle Gäste in der ZDF-Runde ihren Gastgeber Markus Lanz zurück: Er müsse erst einmal klarstellen, was er genau mit Koranschulen meine. Die könnten nämlich sowohl von einer Moschee aus als auch ganz inoffiziell privat organisiert sein. Und da es in Deutschland eine allgemeine Schulpflicht gibt, werden die Kinder in der Regel nicht ausschließlich eine Koranschule besuchen. Die dortigen Kurse sieht Seyram Ateş aber durchaus als ein Problem: „Kinder werden dahin unterrichtet, dass sie Demokratie ablehnen. Aber wenn wir darüber reden, heißt es: Wir bedienen die Rechten und die AfD, und dann hört die Diskussion ganz schnell auf.“

Zur Sendung

„Markus Lanz“ vom 7. März 2023. Die gesamte Sendung in der ZDF-Mediathek.

Markus Lanz will offenbar demonstrieren, dass sie recht hat, denn tatsächlich beendet er diesen Teil der Diskussion im ZDF und schlägt einen Bogen zurück zum Ausgangspunkt. Er will nun mit Joachim Stamp aufdröseln, wie viele Leute nun eigentlich abgeschoben oder auch rückgeführt werden sollen. Und in welchen Ländern das überhaupt geht. Denn viele wollen vor allem potenzielle Gefährder oder Straffällige nicht so einfach zurücknehmen. Gemeinsam mit Joachim Stamp geht Lanz mehrere Länder durch, von Syrien bis Gambia, um zu klären, wie dort die Lage ist und die Chancen, Menschen dorthin abzuschieben. Und wie umgekehrt ausgehandelt werden kann, wie Menschen von dort auf legalem Weg nach Europa kommen können. Das mutet in all seiner Nüchternheit mitunter zynisch an: Wir wollen Problemfälle loswerden, gleichzeitig aber Integrationswillige einladen? Martin Machowecz immerhin weißt mehrfach auf eine große Gefahr dieser Debatte hin: „Wir müssen auseinanderhalten: Was ist Arbeitsmigration, was ist Flucht?“ 

Debatte um Flucht und Arbeitsmigration

Markus Lanz lässt sich wenig beirren: „Aber wir brauchen Arbeitsmigration, und von 800.000 Syrern und Afghanen ist nur ein Drittel im Arbeitsmarkt. Warum läuft das so schlecht?“ Kristin Helberg betont, dass etwa die Syrer 2015 eben nicht nach Deutschland gekommen seien, weil sie hier arbeiten wollten, sondern weil sie fliehen mussten. Diese Geflüchteten hätten man über ein humanitäres Kontingent ins Land holen können, „sie hätten keine Asylanträge stellen müssen“, sagt Kristin Helberg und berichtet von weiteren Absurditäten im „dokumentenfixierten“ Deutschland. Denn wer sein Abschlusszeugnis auf der Flucht nicht mitgenommen hat, hat nun mal schlechte Chancen hier Arbeit zu finden.

Zum Abschluss möchte Markus Lanz von Joachim Stamp noch etwas Zuversichtliches hören, ob er nicht „einen großen Wurf“ in petto habe, beispielsweise die Kita verpflichtend machen. Das scheint zwar nicht wirklich in Stamps Zuständigkeitsbereich zu fallen, aber Seyran Ateş hat gleich die Überleitung für eine kommende Sendung parat: „Zu viele kommen in die Schule mit sehr schlechten Deutschkenntnissen. Wir brauchen eine Bildungsreform“. (Teresa Schomburg)

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