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Markus Lanz im ZDF: ein Moderator, vergeblich auf der Jagd nach Ausrutschern

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Von: Peter Hoch

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Lars Klingbeil (SPD) zu Gast bei Markus Lanz (ZDF).
Lars Klingbeil (SPD) zu Gast bei Markus Lanz (ZDF). © Screenshot ZDF

Bei „Markus Lanz“ im ZDF geht es um den schon Ende Juni vollzogenen Abzug der letzten Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten aus Afghanistan.

Hamburg – Am 30. Juni sind die letzten Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten, die in Afghanistan stationiert waren, nach Deutschland zurückgekehrt. Geschlagene drei Wochen später widmet Markus Lanz diesem Thema am Donnerstagabend (22.07.21) den Löwenanteil seiner Talkshow.

Anlass ist das bereits am Mittwoch (21.07.21) im ZDF ausgestrahlte Special „auslandsjournal – die doku: Die Rückkehr der Taliban“, in dem die von Lanz’ Team eingeladene Journalistin Katrin Eigendorf den Ist-Zustand des krisengeschüttelten Landes am Hindukusch beleuchtet.

„Markus Lanz“ im ZDF: Ex-Soldatin Dunja Neukam gewährt Kriegs-Einblicke

Der recht große zeitliche Abstand ist vermutlich der Vollendung der Doku geschuldet, passt ironischerweise aber leider auch dazu, dass Eigendorf und Lanz den verstohlenen Abzug und den traurigen Understatement-Empfang der letzten Bundeswehr-Heimkehrer als exemplarisch für den fast zwanzigjährigen Einsatz bezeichnen: Wäre eine „Markus Lanz“-Sendung im ZDF hierzu nicht schon am 30. Juni angemessener gewesen?!

Aber besser spät als nie, und so geben insbesondere die Gespräche mit der Journalisten-Kollegin Eigendorf, aber auch mit der Ex-Soldatin Dunja Neukam einen guten Überblick über die Materie. Sträflich vernachlässigt wird allerdings Nadia Nashir-Karim – die Vorsitzende des Afghanischen Frauenvereins erhält viel zu selten Redegelegenheit, dabei hätte man gerne mehr von ihr darüber erfahren, wie sie die Situation in ihrer ehemaligen Heimat wahrnimmt und einschätzt.

„Markus Lanz“ im ZDF: Kein Wahlkampf mit der Flutkatastrophe – oder doch?

Dafür hätte man vermutlich jedoch das erste Sendezeit-Drittel anders verwerten müssen. Denn vor dem fernen Afghanistan kommt Markus Lanz noch einmal auf die hiesige Jahrhundertflut zurück und versucht SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dazu zu bewegen, unter anderem zuzugeben, dass seine Partei aus der Naturkatastrophe Kapital schlägt.

Was erwartet er, soll der Mann etwas sagen wie „Ja, wir haben eine Agenda: Wir schlachten die Flut aus und freuen uns darüber, dass Armin Laschet durch sein Gelächter in Erftstadt dumm dasteht“? Auf der ebenso durchsichtigen wie vergeblichen Jagd nach einer Ausrutscher-Phrase Klingbeils für die heutigen Schlagzeilen begibt Lanz sich so stattdessen selbst auf dünnes Eis. Die Antwort des SPD-Generalsekretärs fällt natürlich erwartbar souverän und verneinend aus.

Ansonsten bekleckert er sich jedoch weder beim Flut- noch später beim Afghanistan-Thema mit Ruhm und gibt weitestgehend die üblichen Talkshow-Floskeln eines Politikers zum besten – „muss geprüft werden“, „muss ernst genommen werden“, „muss auf den Tisch kommen“ und „wichtiges Signal“ stehen vermutlich in jedem Parteibuch ganz weit oben im Kapitel „Wichtige Vokabeln“. Auf Laschets „sich einbrennendes Gegackere, das die Menschen empört hat“ schießt Klingbeil sich irgendwann dann ganz von selbst noch einmal wahlweise entlarvend wahlkämpferisch oder aufrichtig betroffen ein – oder vermutlich von beidem ein bisschen.

Lars Klingbeil (SPD-Generalsekretär), Nadia Nashir-Karim (Vorsitzende Afghanischer Frauenverein e.V.), Dunja Neukam (Ex-Sanitätssoldatin)

Die Gäste bei „Markus Lanz“ im ZDF am Donnerstag, 23. Juli:

Katrin EigendorfJournalistin
Lars KlingbeilSPD-Generalsekretär
Nadia Nashir-KarimVorsitzende Afghanischer Frauenverein e.V.
Dunja NeukamEx-Sanitätssoldatin

Rückblick bei „Markus Lanz“ im ZDF: 20 Jahre Einsatz in Afghanistan - Aus Fehlern für die Zukunft lernen

Nach einem kurzen Überleitungs-Umweg über die Migrations- und Asylpolitik der SPD, Ursula von der Leyens und der EU geht es dann aber ausschließlich um Afghanistan. Gelegentlich werden zusammenfassende Einspieler gezeigt – über den Vergeltungswunsch der USA nach dem 11. September 2001, der wenig mit humanitärer Aufbauhilfe zu tun hatte, Deutschland aber überhaupt erst in den langwierigen Einsatz führte, über die Anschläge auf deutsche Soldatinnen und Soldaten mit insgesamt 35 Toten, aber auch über den fatalen Bundeswehr-Luftangriff von 2009, bei dem dutzende Zivilisten starben.

Später folgen Szenen aus Eigendorfs Film, in denen Afghanen – es sind ausschließlich Männer – zu Wort kommen und ihre oft völlig gegensätzlichen Wünsche für den weiteren Werdegang ihres Landes kundtun: Die einen erhoffen sich von den radikalislamischen Taliban, die nach dem Abzug der NATO-Truppen in Windeseile die Kontrolle über die Hälfte des Landes wiedererlangt haben, mehr Recht und Ordnung, während die anderen das Schlimmste befürchten.

Hier hakt dann auch die Frauenvereins-Vorsitzende Nadia Nashir-Karim ein. Sie sieht zwar eine gewisse Veränderung – Bildung etwa, selbst für Mädchen, werde inzwischen nicht mehr per se von den Taliban abgelehnt. Allerdings würden diese das zuletzt modernisierte Schulsystem wohl nun gemäß ihres Weltbilds umbauen. Etwas Hoffnung habe sie, weil die jüngere Generation doch schon etwas anders ticken würde als noch ihre Vorgänger vor zwanzig Jahren. Außerdem berichtet sie von einem Vakuum, das durch den schnellen Truppenabzug entstanden sei und verschiedene Staaten, allen voran Pakistan, Russland, Iran und China, nun füllen und für ihre eigenen Zwecke nutzen würden.

„Markus Lanz“ (ZDF): Ist es der richtige Ansatz, von außen ein anderes Land militärisch zu demokratisieren?

Die Journalistin Eigendorf unterstreicht dies bei „Markus Lanz“ im ZDF: Insbesondere Pakistan habe fortwährend eine Doppelstrategie angewandt. Vordergründig sei das Land als internationaler Partner im Kampf gegen den Terror aufgetreten, im Hintergrund habe man aber Waffen an die Taliban verteilt. Deren Macht wiederum hätten die USA massiv unterschätzt und als die Anschläge auf Soldaten sich häuften, habe man aus Angst vor Attentätern einen Krieg gegen die afghanische Bevölkerung geführt und so deren Akzeptanz verloren.

Deshalb müsse man sich schon jetzt die Frage für die Zukunft stellen und die politische Debatte darüber führen: Ist es überhaupt der richtige Ansatz, von außen ein anderes Land militärisch zu demokratisieren? Wichtig sei aber auch, Lehren aus gemachten Fehlern zu ziehen, zu analysieren, was die Bundeswehr tatsächlich geleistet habe und ob Ansätze vorhanden seien, mit denen man bei kommenden Einsätzen erfolgreicher sein könne.

Zur Zukunft Afghanistans dürfe man sich aber, Verhandlungen hin oder her, keinen Illusionen hingeben. Die Taliban würden einen Scharia-Staat, keinen Rechtsstaat und keine Demokratie errichten, ohne Wahlen und mit vielen Einschränkungen und Menschenrechtsverletzungen, insbesondere für Frauen und Andersdenkende.

„Markus Lanz“ im ZDF: Es ist auch Gutes in Afghanistan passiert

Die Ex-Sanitätssoldatin Dunja Neukam verleiht den rund 150.000 deutschen Soldatinnen und Soldaten, die während des Einsatzes in Afghanistan stationiert waren, im Verlauf der Sendung ein Gesicht. Sie sagt, dass man zu Beginn sehr positiv gestimmt gewesen sei und zunächst auch tatsächlich viel Gutes für die Zivilbevölkerung bewirkt habe, insbesondere im Gesundheitswesen. Mit den Taliban-Anschlägen habe sich dies jedoch geändert.

Man habe schwer verletzte Kameradinnen und Kameraden erleben und behandeln müssen und teilweise auch verloren, dadurch sei man ängstlich und argwöhnisch geworden und habe schließlich kaum noch Zivilisten in die Lager gelassen. Zur Sprache kommt dabei auch das Thema der posttraumatischen Belastungsstörung. Hier schalten sich Klingbeil und Eigendorf ein – im Gegensatz zum SPD-Mann ist die Journalistin allerdings nicht der Ansicht, dass die Bundesregierung genug für an PTBS leidende Soldatinnen und Soldaten tun würde, zumal die psychische Erkrankung manchmal erst nach vielen Jahren auftauche und die Betroffenen dann oft ohne Unterstützung daständen.

Das müsse sich ändern – was Klingbeil mit einem zustimmenden Nicken quittiert. Am Ende der Sendung findet er ein schönes Schlusswort, dem alle zustimmen können: „Es ist auch Gutes in Afghanistan passiert, das dürfen wir nicht vergessen – und es würde vielen Soldatinnen und Soldaten, die dort Positives erlebt haben, ihre eigene Geschichte kaputt machen, wenn wir den ganzen Einsatz jetzt schlechtreden.“ (Peter Hoch)

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