Markus Lanz (ZDF): Gregor Gysi redet sich beim Thema Impfpflicht in Fahrt

Bei Markus Lanz beklagen die Gäste schlechte Kommunikation in der Corona-Krise. Der ZDF-Talk sorgt für einige Lacher, aber auch Kopfschütteln.
Hamburg – Vielleicht steht Markus Lanz nach dem kurzen Weihnachtsurlaub noch auf der Lichterkette, oder auf dem Schlauch, scherzt er selbst, denn nur langsam bringt er am Donnerstag (06.01.2022) bei „Markus Lanz“ im ZDF die Diskussion in Fahrt. Vielleicht liegt es aber auch an dem leidigen Thema Corona: „Und täglich grüßt das Murmeltier.“
Sie reden jetzt schon im zweiten Winter über die immer gleichen Themen (nur in und mit neuen Varianten). Da bringen immerhin die Stimmungen von Gregor Gysi (Die Linke) Schwung und Lacher, aber auch Stirnrunzeln und Kopfschütteln in die Runde.
„Markus Lanz“ (ZDF): Gregor Gysi blickt bei Corona-Regeln nicht mehr durch
Werden die Beschlüsse, Schulen weiterhin geöffnet zu halten, fortgeführt? Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, erklärt bei Markus Lanz im ZDF, dass Kinder, wenn sie „enge Kontaktpersonen“ sind, sich zukünftig, wie auch Erwachsene, früher frei testen lassen sollen, damit komplette Schließungen von Bildungseinrichtungen verhindert werden.
Wie aber „enge Kontaktpersonen“ genau definiert werden, kann sie ebenso wenig sagen wie Prof. Hendrik Streeck, Virologe und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Er fände es aber auch pragmatischer, wenn man bei Omikron nicht gleich ganze Klassen in Quarantäne schicken würde. Wozu wird in den Schulen je nach Bundesland zwei bis fünf Mal in der Woche getestet? „Die Mischung macht es: Dass getestet, Masken getragen und gelüftet wird.“
Aber diese ganzen unterschiedlichen Regeln und Maßnahmen in den 16 Ländern sind furchtbar, beklagt sich Gregor Gysi. Wenn er im ARD-Teletext liest, blickt er gar nicht mehr durch. Markus Lanz versucht ihn schmunzelnd darauf hinzuweisen, dass er vielleicht lieber den vom ZDF nehmen sollte, und einige Zuschauer wundern sich bereits über den Begriff generell, noch bevor Prof. Hendrik Streeck sein geballtes Wissen mit weit anderen Fachausdrücken ausschmückt. Da müssen nicht nur Markus Lanz und Gregor Gysi immer wieder nachfragen.
Corona bei „Markus Lanz“ (ZDF): Die guten Daten kommen aus England
Wie es der Zufall will, hat die Redaktion bei Markus Lanz zu Hendrik Streecks Worten passende Statistiken aus Großbritannien vorbereitet. Die guten Daten kommen ja leider alle aus dem Ausland, beklagt sich dieser. Zumindest sieht man dort eine nicht erhöhte Hospitalisierung oder vermehrte Behandlungen auf Intensivstationen durch Omikron. Aber, gibt der Virologe gleich zu bedenken, in England sind auch mehr geboostert. Deswegen ist der Appell von ihm an alle, sich boostern zu lassen!
Gregor Gysi fragt aus dem Hintergrund, ob es eigentlich auch einen deutschen Begriff dazu gibt und findet die Ersetzung der deutschen Sprache mit diesen englischen Begriffen ganz schrecklich (nur um sich wenig später über die „Economy Class” zu beklagen.) Auffrischungsimpfung, lachen Eva Quadbeck und Prof. Hendrik Streeck gleichzeitig gelassen.
Markus Lanz im ZDF - Sendung vom 06.01.2022 | Die Gäste |
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Gregor Gysi | Politiker (Die Linke) |
Eva Quadbeck | Journalistin |
Prof. Hendrik Streeck, Virologe | Virologe |
Karin Prien | Politikerin (CDU) |
Es wäre alles leichter, wenn das System übersichtlicher wäre, erklärt der deutlich Älteste in der Runde. Wofür hat Deutschland überhaupt 200 Krankenkassen? Eva Quadbeck, Journalistin und Leiterin der Hauptstadtredaktion des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) weist darauf hin, dass die Krankenkassen beim Impfen ja noch nicht einmal mit einbezogen worden seien. Wenn die Karten benutzt worden wären, hätte man jetzt Daten für eine eigene Statistik. Und der Datenschutz, runzeln sowohl Markus Lanz als auch Karin Prien die Stirn.
Corona bei „Markus Lanz“ (ZDF): Zu viel Bürokratie in Deutschland?
Zu viel Bürokratie, zu viele Bedenken, während andere einfach handeln? Die Wissenschaftskommunikation in Deutschland an die Bevölkerung muss unbedingt verbessert werden, erklärt Karin Prien im ZDF, während sich Markus Lanz fast schon dezent im aufkommenden Dialog zurückhält. Einen weiteren Unterschied zu England sieht die CDU-Politikerin im politischen System: Wenn da die Konservativen an der Macht sind, dann können sie frei regieren.
In Deutschland gibt es mehrere Parteien in der Koalition und in der Opposition. Geschlossene Entscheidungen sind so nicht möglich. „Im Föderalismus ist man auch oft nicht ehrgeizig genug, um sich konkrete Ziele zu setzen und diese auch umzusetzen“, merkt Eva Quadbeck an. Und auch Hendrik Streeck stimmt in den Kanon ein: Das Problem ist, dass es in Deutschland kein eindeutiges Ziel gibt, wie sie aus der Pandemie in die Endemie hinein kommen können. Einer potenziellen Corona-Impfpflicht steht er kritisch gegenüber, auch wenn er per se für das Impfen ist.
Sie können ja auch keine Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung alle drei Monate handhaben, redet sich Gregor Gysi bei Markus Lanz in Fahrt. Wie viele Ordnungsämter will man denn einrichten, um das zu kontrollieren? Da muss ihnen doch mehr einfallen als Drohgebärden: mit einer verständlichen Sprache und nachvollziehbaren Beweggründen. Und möglicherweise erkennt die Bevölkerung nun, dass es vielleicht doch falsch war, so viele Krankenhäuser zu privatisieren. Outsourcing, wieder so ein englisches Wort. Früher war ein Chef mal zuständig für seine Arbeitskräfte. Heute wird die Verantwortung weit von sich geschoben, das geht Gregor Gysi gehörig auf die Nerven.
Zur Sendung
TV-Talk „Markus Lanz“ im ZDF vom 06. Januar 2022. Die Sendung in der ZDF-Mediathek.
„Markus Lanz“ (ZDF): Kaum bedachte Formulierungen in der Pandemie
Hendrik Streeck glättet dessen aufgebrachten Worte etwas: Warum muss generell bei so einem essenziellen Gut eine Marktorientierung betrieben werden? „Wir merken doch, wie das Pflegepersonal sich abrackert.“ Warum also nichts ändern? „Frauenberufe sind schlecht bezahlt, deshalb sind es Frauenberufe. Wir Kerle gehen erst hin, wenn es besser bezahlt ist. So einfach ist es“, haut Gregor Gysi raus und das kurze, etwas peinlich berührte Schweigen in der Runde versucht Markus Lanz schnell wieder auf Sprache und die Kommunikation umzulenken.
Doch auch hier bemerkt man, wie wichtig bedachte Formulierungen wären und wie wenig sie letztendlich umgesetzt werden. Auch in den sozialen Medien, wo sich alle Arten von Verschwörungstheorien leichtfertig verbreiten und (noch) CDU-Mitglieder wie Hans-Georg Maaßen einschlägige Richtungen befeuern können. Doch wie kann man dagegen wirken und das verlorene Vertrauen in Menschen, Politik und Wissenschaft in Deutschland wieder aufbauen? Karin Prien gibt fast beiläufig einen guten Hinweis: Auf die Bevölkerung, ihre Sorgen und Probleme zugehen, und zwar in einer vernünftigen, emotionalen und menschlichen Art und Weise. (Tina Waldeck)