Markus Lanz: Unpünktliche Züge, Strecken gesperrt – Was bei der Bahn alles schiefläuft

Markus Lanz spricht mit seinen Gästen im ZDF-Talk über Probleme bei Bahn und Schiene, die AKW-Abschaltung sowie den Zustand der Ampel-Koalition.
Hamburg - In der schnelllebigen Gegenwart fällt es der Politik besonders schwer, Weichen für die Zukunft zu stellen, deren Wirkung sich erst in Jahren oder Jahrzehnten zeigt. Umstellung der Energieversorgung und Ausbau des Schienennetzes sind zwei dieser Bereiche, über die am Donnerstagabend im ZDF-Talk bei Markus Lanz diskutiert wurde.
Am Samstag (15. April) wurden die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet, die Stromnetze sind dennoch noch nicht zusammengebrochen. Denn: Direkt hinter dem Lingener AKW liegen Windräder, berichtete Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsens, bei Markus Lanz im ZDF und griff den Kollegen Markus Söder frontal an: „Das Thema Atomkraft muss jetzt endlich einmal beendet sein!“
Weil sagte aber auch: „Die hohen Energiekosten machen mir wirklich Sorgen!“ Wie passt das zusammen? „Eine schleichende Deindustrialisierung droht“, wenn es in Deutschland keine wettbewerbstauglichen Strompreise gebe. Die Frage ist, ob die Pläne der Ampel-Regierung ausreichen, um auch ohne Atomkraft und Kohle, die Strompreise zu senken.
Die Gäste im ZDF-Talk „Markus Lanz“ am 20. April
Stephan Weil | Ministerpräsident Niedersachsens (SPD) |
Helene Bubrowski | FAZ-Redakteurin |
Christian Böttger | Professor für Wirtschaftsingenieurwesen |
Michael Theurer | Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium (FDP) |
Diskussion über Atomkraft köchelt auch bei Markus Lanz im ZDF noch
Dass die Diskussion über Atomkraft trotz allem noch köchelt, bewies Michael Theurer von der FDP. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Schienenbeauftragte des Bundes wollte nicht ausschließen, dass die FDP als Teil einer hypothetischen Bundesregierung mit der Union einer Neuauflage der Atomkraft zustimmen würde.
So polemisch Markus Söder gerne argumentiert, so differenziert sprach die FAZ-Redakteurin und Buchautorin Helene Bubrowski bei Markus Lanz im ZDF über die Situation. Sie kritisierte vor allem das Problem der energiepolitischen Ad-Hoc-Entscheidungen, die nach der Katastrophe von Fukushima zum überstürzten Ausstieg aus der Atomenergie geführt hat und 2022 durch den Ukraine-Krieg zum Wunsch, am besten sofort kein Gas mehr zu verwenden. Dass Deutschland mit seiner Politik damit einen europäischen Sonderweg gehe, sollte den Regierungsparteien und gerade den Grünen zu denken geben, meinte Bubrowski. Ein wenig Demut sei hier angebracht, denn ob die heute gefällten Entscheidung sich in 20 Jahren als richtig erweisen würden, sei völlig offen.
Über den Umweg China ging es bei Markus Lanz im ZDF zum Thema Schiene. Dies aber nicht ohne, dass der Moderator wieder einmal sein Entsetzen über die intensive Verflechtung mit der Volksrepublik betonte. Die Floskel „Wandel durch Handel“ habe sich längst als Illusion erwiesen, gerade im Bereich der Sicherheitspolitik sei es notwendig, so Helene Bubrowski, eine gewisse Distanz zu China zu etablieren. Vor allem den Fehler, sich in bestimmten Bereichen zu sehr mit einem Land zu verflechten, dürfe nicht wiederholt werden. Auch dies ein Thema, das nicht schnell zu lösen ist. Da passt das Schlagwort „Deutschlandtempo“, mit dem die Notwendigkeit gemeint ist, Reformen deutlich schneller umzusetzen, als es in der zunehmend trägen deutschen Bürokratie möglich scheint.
Die Reform der Bahn wird im ZDF-Talk von Markus Lanz zum Thema
Besonders zäh mutet die Reform der Bahn an, über unpünktliche Züge, Ausfälle und andere Katastrophen kann wohl jeder nicht nur eine Geschichte erzählen. Doch was sei eigentlich in den letzten Jahrzehnten schiefgegangen, wollte Markus Lanz im ZDF von Christian Böttger wissen. Die Politik habe sich zu wenig um die Bahn gekümmert, sagte der Professor für Wirtschaftsingenieurwesen, keine Vorgaben gemacht, nur zugesehen, wie die Bahn in immer neue Bereiche investiert habe.
„Die Hälfte ihres Geschäfts macht die Bahn nicht mehr mit der Schiene“, berichtete Böttger und sprach von über 700 einzelnen Unternehmen, die inzwischen unter dem Hut DB betrieben würden. Dass man sich da nicht mehr auf das Kerngeschäft konzentrieren könne, liege auf der Hand. Brücken, Bahnhöfe, Schienen müssten erneuert werden, und dann gebe es ja noch den revolutionären Plan eines Deutschlandtaktes, der ambitionierte Versuch, die Fahrpläne zu vereinfachen.
Bis 2030 wolle die Bahn 45 Streckenabschnitte sanieren, berichtete Michael Theurer, dafür würden allerdings jeweils gut ein halbes Jahr ganze Strecken gesperrt. Den Anfang solle in der zweiten Jahreshälfte 2024 die Strecke Frankfurt-Mannheim machen. „Ärger ist vorprogrammiert“ war sich Theurer sicher, betonte aber auch: „Wir müssen für einen guten Schienenersatzverkehr sorgen, damit wir die Kunden nicht vergraulen.“
Das wäre erfreulich, aber ob dieser ebenso ambitionierte, wie langfristige Plan angesichts der allzu oft frappierenden Trägheit der deutschen Strukturen gelingt, muss sich erst zeigen. (Michael Meyns)