Gewalt an Schulen: Smartphone ist „Wurf ins Haifischbecken“ – Verlieren wir unsere Kinder?

TV-Talk zum Zustand des Bildungssystems, der Medienbildung an Schulen und die Folgen einer unkontrollierten Handynutzung von Kindern und Jugendlichen.
Hamburg – Ein großes Thema während der Corona-Pandemie waren die Folgen, die die Maßnahmen für die Kinder hatten. Doch schon vorher hatte sich an den deutschen Schulen und Kinderzimmern viel zum Unguten verändert, wie Markus Lanz und seine Gäste diskutierten.
„Wir verlieren unsere Kinder“ lautet der Titel des Sachbuches, mit dem die Schulleiterin Silke Müller schon vor der Veröffentlichung Anfang dieser Woche bundesweite Bekanntheit erlangt hatte. Bei Markus Lanz im ZDF beschrieb sie die eskalierende Situation auf den Schulhöfen, die sie wohlgemerkt schon in den Zeiten vor Corona beobachtet hat. Via Smartphone werden Jugendliche und sogar Kinder mit einem zunehmenden Ausmaß an Gewaltvideos konfrontiert, via Plattformen wie WhatsApp, Twitch und vor allem TikTok.
Ein Smartphone für ein Kind ist wie ein Wurf ins Haifischbecken
„Wenn man einem Kind ein Smartphone in die Hand drückt, ist das der Wurf in ein unkontrolliertes Haifischbecken“, sagte Müller, die Kontrolle dessen, was Kinder sich in den Weiten des Internets anschauen, sei kaum möglich. Die Schule allein kann die zunehmende Handy-Nutzung nicht kontrollieren, die Verantwortung liegt bei allen Beteiligten, der Schule, den Medien und natürlich zuerst bei den Eltern.

Was Müller besonders besorgt ist eine zunehmende Verrohung, ein Aufstacheln und die Suche nach immer neuen Kicks. Auf den Schulhöfen werden fast alle Interaktionen gefilmt, Streitereien, Rangeleien, Schlägereien. Je „besser“, je dramatischer diese ablaufen, desto mehr Klicks und Likes gibt es für die Clips in den sozialen Medien, das Muster ist bekannt. Nur: Was kann man da tun? Smartphones verbieten kann keine Lösung sein, gesunde Medienbenutzung unterrichten schon eher. Aber was soll man gegen Teck-Teck-Challenges machen, die „Für was würde ich blowen?“ machen, die Silke Müller erwähnte?
Markus Lanz im ZDF | Die Gäste der Sendung vom 4. Mai 2023 |
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Karin Prien | Schleswig-holsteinische Kultusministerin (CDU) |
Eva Quadbeck | Journalistin |
Silke Müller | Pädagogin |
Frederik Obermaier | Autor |
Eva Quadbeck, Chefredakteurin vom RND, wies bei Markus Lanz im ZDF darauf hin, dass es schwierig ist, gegen die Auswüchse der sozialen Netzwerke vorzugehen. Schnell steht man dabei im Verdacht, Zensur auszuüben, zumal es hier um globale Netzwerke wie Twitter oder Meta geht. Doch diese Angst verhindert eine dringend notwendige Diskussion, wie die schleswig-holsteinische Kultusministerin Karin Prien von der CDU, betonte. Eine gesunde Mischung aus dringend notwendiger Digitalisierung, Medienkompetenz und einer ausgedehnten Kontrolle des Internets wäre notwendig. Doch ist es dafür nicht fast schon zu spät? Der Wunsch, das Internet unter Kontrolle zu bringen wird regelmäßig laut, mal heißt der Grund Cambridge Analytica, mal Gewaltvideos, mal Online-Mobbing, aber gibt es wirklich einen Deckel für diese moderne Büchse der Pandora?
Ein besonders verstörender Aspekt ist die Tatsache, dass zunehmend junge Kinder an bislang kaum vorstellbaren Gewalttaten beteiligt sind. Karin Prien sprach bei Markus Lanz den Fall der beiden 12. bzw. 13 Jahre jungen Mädchen an, die in Freudenberg eine Gleichaltrige getötet hatten und vor der Tat ganz bewusst nach dem Alter gegoogelt hatten, ab dem man als strafmündig gilt. Ob es jedoch sinnvoll ist, dieses Alter weiter abzusenken, da war sich auch die Juristin Karin Prien nicht sicher. Doch man müsste gerade bei 12- bis 14-Jährigen genauer hinsehen und vielleicht sogar Gefängnisstrafen in Betracht ziehen.
Am Ende geht es bei Markus Lanz um den Waffenhandel
Von dieser nationalen Krise, die fast jeden Bürger betrifft, sprang Markus Lanz zum Schluss seiner ZDF-Sendung zu einem internationalen Problem, dem Waffenhandel, der kaum einem Menschen im Detail bekannt ist.
Zur Sendung
Markus Lanz im ZDF. Die Sendung vom 4. Mai, 23.15 Uhr, in der Mediathek.
Der Chinese Li Fangwei gilt als gefährlichster Waffenhändler der Welt. Wobei es eigentlich gefährlichster privater Waffenhändler der Welt heißen müsste. An die Waffenverkäufe von Staaten wie den USA, Russland, Großbritannien oder auch Deutschland dürfet auch der fleißigste Privatmann kaum herankommen. Über Li jedenfalls hat der Spiegel-Journalist Frederik Obermaier zusammen mit drei Kollegen das Buch „Die Jagd auf das chinesische Phantom: Der gefährlichste Waffenhändler der Welt oder: Die Ohnmacht des Westens“ geschrieben.
Eine spektakuläre Geschichte: Seit der Regierungszeit von George W. Bush wird Li per Steckbrief gesucht, doch eine Spur gibt es nicht. Zudem nur ein einziges, vermutlich längst veraltetes Foto. Was macht Li nun so gefährlich? Er beliefert mit seinen hochmodernen Waffen nicht nur den Iran, der immer wieder mit einem möglichen Angriff auf Israel kokettiert, sondern auch Russland. Ob Li allerdings unabhängig von der chinesischen Regierung agiert, scheint fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass Li das macht, was offiziell nicht passieren darf. Nämlich Waffen an Länder liefert, den das chinesische Regime nicht direkt mit Waffen beliefern will.
Gewalt an deutschen Schulen und globaler Waffenhandel, zwei drängende Probleme, bei denen nicht einfach zu sagen ist, welches leichter zu lösen ist. (Michael Meyns)