Lanz gibt den Populisten – ZDF-Talk erinnert an Wahlprogramm der FDP

Markus Lanz spricht im ZDF-Talk mit seinen Gästen über Perspektiven und Hindernisse neuer Ideen zum Umgang mit den Klimaschutzzielen.
Hamburg - „Hoffnung“ oder „Apokalypse“, das sind die zwei Pole, zwischen denen sich das Denken des Klimaforschers Mojib Latif momentan bewege. Er ist im ZDF-Talk bei Markus Lanz zu Gast, um über Perspektiven und Hindernisse neuer Ideen zum Umgang mit den Klimaschutzzielen zu reden. Anlass sind die neuen Regelungen der Regierung, die jede Gas- und jede Ölheizung, ab dem Jahr 2024 „verbannen“, so der Moderator. Dabei müsse auch über die sozialen Auswirkungen gesprochen werden.
Doch zuerst einmal stellt Lanz seine anderen Gäste vor. Für Start-up-Gründer Philipp Schröder hat er sich besonders deftige Zitate herausgesucht, die er mit merklicher Freude vorträgt. Der Unternehmer sage, dass man jetzt den „alten, weißen Mann“ brauche, die Aktivisten der Letzten Generation lieber selbst an Lösungen arbeiten sollten und der „Turbokapitalismus“ die Antwort auf die Klimakrise sei. Erfreulicherweise hält sich Schröder dann während der Sendung weit hinter den früheren Zuspitzungen zurück, aber auch insgesamt gibt es kaum Reibungspunkte in der Runde, die durchweg ähnliche Ansichten vertritt.
Bei Markus Lanz waren am 16. März zu Gast:
Mojib Latif | Klimaforscher und Präsident des „Club of Rome“ |
Philipp Schröder | Unternehmer und CDU-Mitglied |
Julia Löhr | Journalistin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung |
Torsten Becker | Gründer eines Start-Ups für CO2 -Umwandlung |
Der Gedanke an globale Gerechtigkeit kommt im ZDF-Talk „Markus Lanz“ zu kurz
In Bezug auf die Apokalypse warnt Mojib Latif davor, dass der „Peak“ der Emissionen noch lange nicht erreicht sei. Zwar würden die westlichen Industrienationen versuchen, CO2 einzusparen, zugleich wären Nationen wie China aber nicht die bereit, ihr momentanes Wachstum den Klimazielen hintenanzustellen. Auf das Ausmaß der herrschenden Ungleichheit und der Tatsache, dass die auf Kosten des Klimas reich gewordene westliche Welt nun vom globalen Süden einen Verzicht fordert, den sie selbst lange nicht erbracht haben, wird nicht eingegangen. Dabei wäre gerade dies in Hinblick auf die im Laufe der Sendung immer wieder angemahnte soziale Verträglichkeit der Klimaschutzmaßnahmen interessant zu diskutieren gewesen. Aber bei diesem Thema scheinen Lanz und seine Gäste im ZDF-Talk stets nur den Erhalt des deutschen Lebensstandards im Blick zu haben, statt sich mit Gedanken an globale Gerechtigkeit zu befassen.
Doch auch schon das Erreichen der deutschen Klimaziele erscheint dem Moderator ambitioniert. Die FAZ-Journalistin Julia Löhr rechnet vor, wie eine Veränderung aussehen müsse: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss sich verdreifachen, die Zahl der Wärmepumpen muss sich verfünffachen, und die Zahl der Elektroautos muss sich verfünfzehnfachen.“ Daraufhin entfährt Markus Lanz ein amüsiertes „Irre!“
Löhr stellt fest, dass die deutschen Ziele im internationalen Vergleich ambitioniert und die Bürgerinnen und Bürger mit den Heizungsregelungen nun zum ersten Mal ganz unmittelbar damit konfrontiert seien. Der Moderator hinterfragt, ob ein Umbau bei dreifachen Kosten überhaupt tragbar sei, woraufhin die Journalistin korrigiert, dass sich diese Zahl nur auf die Anschaffungskosten einer Wärmepumpe beziehe. Philipp Schröder bekräftigt dies, indem er feststellt, dass man zwischen den einmaligen Anschaffungskosten und den späteren, geringeren Betriebskosten unterscheiden müsse.
Und dann gibt Markus Lanz den Populisten
Markus Lanz gibt daraufhin den Populisten, nachdem er zu Beginn der Sendung noch davon gesprochen hatte, die Probleme im Detail angehen zu wollen: „Ich weiß, aber wenn wir so diskutieren, dann wirken wir so, als wären wir auf einem anderen Planeten unterwegs. Unfassbar weit weg von den Leuten.“
Dieses simple Menschenbild zieht sich weiter durch die Sendung. Torsten Becker, der andere Unternehmer der Runde - dem wie Schröder viel Zeit eingeräumt wird, sein Start-up vorzustellen - unterstreicht es mit einer Einkaufsmetapher: Die Menschen würden nicht Bio kaufen, wenn man ihnen sage, dass das gut für die Umwelt und für die Gesundheit ihrer Kinder sei, sondern nur über ökonomische Anreize. Sobald Bio genauso günstig sei wie alles andere, werde es auch gekauft. So pflichtet Becker Lanz bei: „Wir müssen die Menschen mitnehmen – da bin ich komplett bei ihnen – über den Preis.“
Vokabular des Lanz-Talks erinnert an FDP-Wahlprogramm
Diese Einschätzungen passen zum Vokabular der Sendung, das an das Wahlprogramm der FDP erinnert und statt Verzicht lieber Schlagworte wie „Innovation“ und „Digitalisierung“ in den Mittelpunkt stellt. Lediglich zum Schluss der Sendung spricht Mojib Latif kurz die „Grenzen des Wachstums“ an – den Bericht, den der „Club of Rome“, dessen Präsident der Klimaforscher heute ist, schon 1972 vorgelegt hatte. Julia Löhr wiederum stellt fest: „In dieser Gruppe gibt es die Bereitschaft auch zu verzichten“, in der Gesellschaft sehe sie das nicht gegeben.
Die Hoffnung, von der Latif am Anfang sprach, scheint somit einzig unternehmerischen Einfällen und der passenden Technologie verpflichtet. Von dieser Markus-Lanz-Sendung bleibt damit vor allem der Eindruck, dass die Gäste und den Moderator ein zynisches Weltbild eint, das auf konservativen ökonomischen Modellen aufbaut und den Menschen in seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit verhaftet sieht. Man kann nur hoffen, dass sie unrecht haben. (Jendrik Walendy)
Markus Lanz vom 16. März 2023
Die Sendung in der ZDF-Mediathek (Video verfügbar bis 16.03.2025)