„Mario Barth deckt auf!“ (RTL): Populismus im Comedy-Format

Stand-Up-Comedian Mario Barth präsentiert in der RTL-Show „Mario Barth deckt auf!“ Fälle von vermeintlicher Steuerverschwendung.
Frankfurt - Das Setting mutet wie die RTL-Show „Sieben Tage, sieben Köpfe“ an. Mit dem feinen Unterschied, dass der Stand-Up-Comedian Mario Barth – bekannt durch misogyne Witze und seine nervtötende Catch-Phrase „Kennste? Kennste?“ – die Rolle des Gastgebers übernimmt. Als Gäste geladen hat er den schwäbischen Comedian Özcan Coşar, Nicole Jäger und Detlef Steves sowie den Börsenexperten und „Let’s Dance“-Juror Joachim Llambi. Die interessanteste und auf dem Papier zunächst unauffälligste Personalie am Show-Tisch ist Reiner Holznagel vom „Bund der Steuerzahler“, der in der Runde als Anwalt der Steuerzahler:innen gegen die Steuerverschwendung durch den Staat auftritt. Zu ihm jedoch später.
Mario Barth deckt auf (RTL): Kein neues Konzept
Für alle, die die Barth-Show in der Mittwochs-Primetime von RTL nicht kennen, sei das Konzept kurz zusammengefasst: Barth und seine Mitstreiter:innen präsentieren in der Show Fälle von fragwürdigen Unternehmungen, in denen der Staat, die Länder oder die Kommunen Steuergelder alles andere als effizient ausgeben. Das Konzept ist – wie Barths Show auch – nicht neu und wird beispielsweise vom Satire-Format „extra 3“ in der Rubrik „Der reale Irrsinn“ betrieben.
Doch das hält Mario Barth nicht ab, seit Jahren seine eigene Show zu produzieren, in der er sich über das Missmanagement und die Paragraphenversessenheit der deutschen Verwaltungskultur echauffiert. Übrigens genau der Barth, der den Mittwochabend in RTL mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Nicht quatschen, MACHEN!“ moderiert. Klingt erstmal tatkräftig. Der Slogan hat letztlich aber nur Mario Barths Anwälten Gelegenheit zum „Machen“ verschafft, als dieser versuchte, den Spruch für seine eigene T-Shirt-Kollektion zu sichern. Damit ist er jedoch über mehrere Instanzen gescheitert.
Doch das hält den Berliner Barth nicht davon ab, sich nicht zum Anwalt all jener aufzuschwingen, die sich keine Anwält:innen für einen kostspieligen Markenprozess leisten können. Zum Vertreter all jener, die sich durch die Projekte der öffentlichen Hand um ihr Geld betrogen fühlen. Zumindest, wenn es nach dem Narrativ des „Bund der Steuerzahler“ geht. Der nämlich hat seinen Präsidenten Rainer Holznagel in die RTL-Primetime-Show geschickt. Und der wiederum hat einige diskutable Fälle im Gepäck, über deren Sinnhaftigkeit und zielorientierte Umsetzung zu diskutieren durchaus angebracht ist.
Mario Barth deckt auf (RTL): Die Sendung vom 20. April 2022
Mario Barth | Moderation |
---|---|
Ben Schmied | Autor |
Thilo Benn | Autor |
Özcan Coşar | Gast |
Nicole Jäger | Gast |
Detlef Steves | Gast |
Joachim Llambi | Gast |
Mario Barth deckt auf (RTL): Was nicht einordnend zu Wort kommt
Was bei „Mario Barth deckt auf!“ jedoch nicht einordnend zu Wort kommt, ist, dass der „Bund der Steuerzahler“, wie beispielsweise die Hans-Böckler-Stiftung, die Tageszeitung taz oder die Gewerkschaft IG Metall festgestellt haben, in der Kritik steht, gar nicht die Mehrheit der Steuerzahlenden zu vertreten. Vielmehr muss sich der Verband des Vorwurfs erwehren, vor allem liberale Interessenspolitik für Einkommensreiche und Vermögende zu betreiben. Und das zu Recht.
Doch das scheint Mario Barth, der beispielsweise seinem Talk-Gast Özcan Coşar attestiert, „die Meinung des Volkes“ zu vertreten, herzlich egal zu sein. Viel einfacher ist es für den Comedian, in den Kanon des liberalen Lobbyismus einzustimmen und populistische Thesen rauszuhauen: „Jetzt verstehe ich das, warum wir keine Kohle für Luftreinigungsgeräte haben in den Schulen.“
Barth versucht nicht nur inhaltlich, sondern auch syntaktisch den Ton der vermeintlichen Mehrheit des – wie er es nennt – Volkes zu treffen. Und sicherlich gibt es in Deutschland viele Menschen, die sich aus gutem Grund über die Ineffizienz von Verwaltungsstrukturen aufregen. BdSt-Präsident Holznagel und Gastgeber Barth machen in ihrer Kritik aber auch keinen Halt vor sinnvollen Infrastrukturprojekten und kulturell begründeten Maßnahmen wie im beispielsweise im Denkmalschutz.
Mario Barth deckt auf (RTL): Comedians fordern den schmalen Staat
Darüber hinaus werden in der Show vermeintliche Investigativreporte derart unseriös gefilmt und geschnitten, einzig um politische Entscheidungsträger:innen und Akteur:innen der Verwaltung zu diskreditieren. Ein Beispiel: Im Zusammenhang der in Teilen wirklich absurd und hinterfragenswürdigen Planung des Ausbaus eines Glasfasernetzes in der Region Bautzen, besucht Talk-Gast und „Investigativ-Comedian“ Detlef Steves das zuständige Landratsamt. Steves und sein Kamerateam, hatten offensichtlich aber gar keinen Termin bei der zuständigen Landrätin Birgit Weber. Deshalb werden der „Reporter“ und sein Team an der Tür auch abgewiesen. Jede:r seriöse:r Journalist:in hätte diesen Termin im Voraus ausgemacht und Einlass erhalten.
Im RTL-Format wird diese harmlose Situation jedoch derart aufgebauscht, dass die Landrätin „nicht im Haus“ sei. Und für Steves steht plötzlich fest: „Das wäre mir jetzt auch lieber!“ Der Comedian verliest im Anschluss und ohne Schnitt im Video jedoch eine schriftliche Stellungnahme der Landrätin, die das Team schon im Vorfeld eingeholt haben muss. Unseriöser kann man eine journalistische Recherche nicht ins Bild setzen.
Der Tenor von Mario Barth und seinen „investigativen“ Comedians ist eindeutig: Man agitiert in der Sendung gegen die Strukturen der demokratisch legitimierten Verwaltung der öffentlichen Hand und fordert nichts anderes, als den kapitalistisch-marktorientierten schmalen Staat. Das ist einfach. Das ist billig. Und damit macht man sich zum Handlanger des liberal-populistischen Lobbyismus des „Bund der Steuerzahler“ und seinem Präsidenten Reiner Holznagel. (Moritz Post)