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Der kleine Horrorladen

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Von: Harald Keller

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Christopher Lee als die "Kreatur" in Frankensteins Fluch ("The Curse of Frankenstein") aus dem Jahr 1957.
Christopher Lee als die "Kreatur" in Frankensteins Fluch ("The Curse of Frankenstein") aus dem Jahr 1957. © Hammer Films

In diesem Filmatelier konnte man sie alle finden: Dracula, Frankenstein, den Werwolf, die Mumie ? In Bray bei London schufen die Hammer Productions Klassiker des Gruselkinos. Eine Arte-Dokumentation lässt die große Zeit des kleinen Studios Revue passieren.

Der allgemeinen Auffassung nach hängt das Fernsehen am Rockzipfel des Kinos und darf sich glücklich schätzen, wenn Filmschaffende sich zu ihm herablassen. Die historischen Tatsachen sehen ein wenig anders aus. Seit je engagieren Filmproduzenten Schauspieler, die beim Fernsehen Popularität erlangt haben. Und auch auf Stoffe des Fernsehens griffen Kinomacher oft zurück.

In Großbritannien zum Beispiel. Die britischen Hammer Studios, an deren Ausstoß die französische Dokumentation „Dark Glamour“ erinnert, hatten den ersten Bankrott schon hinter sich, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg einen neuen Anlauf nahmen. Der Neubeginn gelang mit kleinen billigen Filmen vor allem des Krimigenres. Auch in den Bereich Science Fiction und Horror wagte man sich schon vor. Als clever erwies sich, die Rechte an beliebten Hörspielserien der BBC zu erwerben und beispielsweise den versatilen Geheimagenten Dick Barton, einem Vorgänger James Bonds, auf die Leinwand zu bringen. Der große Durchbruch kam mit der Adaption einer frühen, damals für die TV-Kameras größtenteils live aufgeführten sechsteiligen Fernsehserie namens „The Quatermass Experiment“. In bester Exploitation-Manier betonte der Koautor und Regisseur Val Guest die gruseligen Aspekte der Erzählung. Darin kehrt ein verschollen geglaubtes Raumschiff auf die Erde zurück. Nur einer von ursprünglich drei Astronauten ist noch an Bord. Und beginnt sich vor den Augen seiner Umwelt und des sich verstört in die Kinosessel pressenden Publikums in ein Monster zu verwandeln.

Die pfiffigen Hammer-Strategen nannten ihren Film „The Quatermass Xperiment“ und bemühten sich bewusst um eine X-Bewertung, also um ein Jugendverbot. Der Coup funktionierte. Scharen von Zuschauern ließen sich willig in Angst und Schrecken versetzen. Nicht nur in Großbritannien, auch in den USA. Der Regisseur John Carpenter, selbst ein Meister des Spannungskinos, schwärmt noch heute: „Ich liebte den Film. Bin wieder und wieder reingegangen.“

Liebevolle Machart und gute Schauspieler

Hammer, benannt nach dem Künstlernamen eines der Gründer, setzte nach und widmete sich fortan vor allem diversen Varianten des Horrors. Regisseure wie Terence Fisher lieferten heute hoch angesehene Beispiele des Genres. Es entstand der typische Hammer-Stil, freizügiger und drastischer als damals üblich, aber gekennzeichnet durch eine liebevolle Machart, durch gute Schauspieler, schwelgerische Ausstattung, sorgfältige Kameraarbeit, die eine ausgeklügelte, von der Technicolor-Technik bestimmte Farbdramaturgie einschließt. Hammer verfilmte den Kanon der romantischen Schauerliteratur – Bram Stokers „Dracula“, Mary Shelleys „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“, Gaston Leroux‘ „Das Phantom der Oper“, Arthur Conan Doyles „Der Hund von Baskerville“. Sogar den Yeti ließ man, wiederum nach Vorlage einer TV-Serie, auf die Kinobesucher los. Hammers Einfluss reicht weit, sogar bis zu den „Star Wars“-Filmen, in denen sowohl Peter Cushing als auch Christopher Lee mitwirkten. Und der Hammer-Hausgrafiker Tom Chantrell gestaltete das britische Plakat zum ersten „Star Wars“-Abenteuer. Auf dem neben den Hauptdarstellern Peter Cushing verewigt ist.

Auch der italienische Regisseur Dario Argento gehörte zu den regelmäßigen Zuschauern der Hammer-Filme. „Mir gefiel, was sie erzählten. Die Geschichten. Mir gefiel ihr Stil. Die Art, wie sie erzählten. Schnell. Fast kalligraphisch. Stark. Aggressiv.“

Peter Cushing und Christopher Lee waren Stammschauspieler des Studios und wurden zu Ikonen. Innerhalb des Unternehmens, das einige Kilometer außerhalb Londons ein ehemaliges Landhaus in ein kleines Studio verwandelt hatte, herrschte, wie in der Dokumentation berichtet wird, eine familiäre Atmosphäre. „Ich hätte gern dort gearbeitet“, sagt John Carpenter.

Der französische Filmautor Jérôme Korkikian zeichnet in seiner 55-minütigen, eher kursorisch angelegten Dokumentation den wichtigsten Teil der Hammer-Historie nach, berichtet von den Herausforderungen, die die Sechziger mit sich brachten, von Versuchen, neue Genres zu erobern, von Schock-Horror, Sex & Crime als zeittypischen Erscheinungen. Manche Details werden ausgelassen – so produzierte Hammer auch Serien fürs britische und US-amerikanische Fernsehen –, mitunter geht es sprunghaft zu, aber Korkikian führt recht gut an das Thema heran und bezieht auch Hintergründe mit ein. Damit lässt sich der Film zugleich als unterhaltsame Popkulturrevue betrachten. Zu Wort kommen unter anderem Hammer-Star Caroline Munro, die Regisseure Mick Garris und Joann Sfar und auch der deutsche Schauspieler Horst Janson, der 1974 in der kultverdächtigen, unverdient erfolglosen Hammer-Produktion „Captain Kronos – Vampirjäger“ unter der Regie von Brian Clemens („Mit Schirm, Charme und Melone“) die Hauptrolle spielte. Übrigens nicht die einzige internationale Kinoproduktion des gebürtigen Mainzers, der im Verlauf seiner Karriere neben Stars wie Tony Curtis, Peter O‘Toole, Philippe Noiret, George C. Scott vor der Kamera stand.

„Dark Glamour“ macht neugierig und befördert die Lust, sich einen der berühmten Hammer-Filme anzuschauen. Arte aber koppelt die Ausstrahlung mit Michael Powells Psychothriller „Peeping Tom“, zur Entstehungszeit skandalumwittert, heute ein respektiertes Meisterwerk. Im weitesten Sinne der Hammer-Philosophie vielleicht anverwandt, aber eben doch in einem anderen Studio und in anderen filmkünstlerischen Zusammenhängen entstanden.

„Dark Glamour“, Sonntag, 6.8., 21:55 Uhr, Arte. „Peeping Tom“, Sonntag, 6.8., 20:15 Uhr, Arte.

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