Jan Böhmermann wirft Rummenigge „Rassismus“ vor

Jan Böhmermann teilt im ZDF Magazin Royale ordentlich aus: gegen die AfD, gegen den FC Bayern und vor allem gegen Karl-Heinz Rummenigge.
- Jan Böhmermann kritisiert im ZDF Magazin Royale den Profifußball.
- In seiner ZDF-Sendung nimmt er sich neben Corona vor allem Karl-Heinz Rummenigge und den FC Bayern vor.
- Die TV-Kritik zum ZDF Magazin Royale von Freitag, 05.03.2021.
Frankfurt – Jan Böhmermann ist ein bisschen so, wie man es der Popikone Madonna nachsagt: Der Satiriker, Spaßvogel und Moderator ist ein Meister darin, eine Haut nach der anderen abzustreifen und seinem Publikum einen immer wieder neuen „Böhmi“ zu präsentieren. Mit knackigen 26 Jahren lieferte er sich nach einer eher seichten Polemik über Lukas Podolski einen Rechtsstreit mit dem Fußballer und ließ sich dafür von Harald Schmidt, dem Elder Statesman des deutschen Late-Night-Humors, den Hof machen.
Jan Böhmermann veralbert Corona-Stufenplan im ZDF Magazin Royale
Später nahm er Recep Tayyip Erdoğan dermaßen unflätig aufs Horn (Ziege, Sie wissen schon), dass er es damit bis zur Staatsaffäre schaffte, mit Merkel, Erdoğan, Anwälten, Gesetzesänderungen und allem, was man halt so anzettelt als „blasser dünner Junge“. Vor nicht allzu langer Zeit fiel er in der Rolle seines Deutschrap-Alter Ego „Plo1z1stens0hn“ mit einem raffinierten Mix aus Polizei- und Rap-Persiflage auf, die selbst in Polizeirevieren und Rapper-Kreisen für gute Laune sorgte.
Sendung | ZDF Magazin Royale |
Sender | ZDF |
Moderator | Jan Böhmermann |
Sendeplatz | Freitags ab 23 Uhr |
Thema vom 5. März | Corona und Fußball |
Das wiederum hielt Jan Böhmermann nicht davon ab, kurz darauf erst den Chef der deutschen Polizeigewerkschaft mit einem Gassenhauer in Uniform („Rainer Wendt, du bist ein rechter Populist und du denkst, du wärst ein echter Polizist“) und dann die Polizei als solche im Rahmen einer harten Rassismus-Abrechnung durch den Kakao zu ziehen. In letzter Zeit gefiel sich der gebürtige Bremer, aktuell sesshaft im Hauptprogramm des ZDF, in der Rolle des Aufklärers und zerlegte fein säuberlich und vorzüglich recherchiert erst die Grenzschutz-Agentur Frontex und ihre Helfershelfer sowie halbseidene Dubai-Influencer und rief anschließend zur „Razzia“ in den deutschen Innenministerien.
Jan Böhmermann veralbert die AfD und Verfassungsschutz
Und so ist es Woche für Woche ein bisschen wie warten auf den nächsten Osterurlaub, als was oder wen sich Jan Böhmermann im ZDF zu erkennen gibt. So viel sei an dieser Stelle schon verraten: dieses Mal als Superheld. Bevor sich Böhmermann an diesem Abend allerdings häutet, gibt es die gewohnten Kalauer zum Aufwärmen. Sehenswert persifliert der Satiriker eingangs, ganz im Hauptjob, den Corona-Stufenplan der Bundesregierung. Wer nicht ganz mitkam, der hat‘s verstanden. Hier sei der letzte Satz der „Böhmi“-Interpretation der nicht komplett gar nicht verwirrenden Pandemie-Pläne als Fazit erwähnt: „Und das Tollste daran: Wenn Sie diesen Plan bei McDonalds vorzeigen, erhalten Sie einen BigMac zum Preis von zwei.“
Dann nimmt er sich im ZDF die AfD zur Brust, die ja irgendwie sowas wie ein rechtsextremer Verdachtsfall sein könnte, aber noch nicht so genannt werden darf, weil dazu erst ein Gericht Recht sprechen muss. Böhmermann ist das gewohnt Schnuppe. Es käme dem Bundesamt für Verfassungsschutz irgendwie nicht so wirklich zupass, orakelt er, wenn im Home-Office neben Gulasch auf dem Herd und der laufenden Spülmaschine auch noch die AfD beobachtet werden müsse.
Die Vermutung liegt dann doch recht nahe, dass Jan Böhmermann die Sache mit dem Gericht noch nicht mitbekommen haben könnte, als die Sendung aufgezeichnet wurde, als er sagt: „Die AfD als Ganze ist nun acht Jahre nach ihrer Gründung offiziell ein Verdachtsfall für das Bundesamt für Verfassungsschutz. Schon acht Jahre später. Weltrekord!“ Aber weil die nächste Häutung bekanntlich unmittelbar bevorsteht, macht Böhmermann heute mit der Causa AfD keinen langen Prozess und schließt den Fall mit einem gut gemeinten Rat: „Vorsicht, liebe AfD-Politiker: Es könnte eine Wanze an ihrer SS-Uniform kleben.“
ZDF Magazin Royale: Jan Böhmermann knöpft sich Karl-Heinz Rummenigge vor
Und dann, ja dann wird Jan Böhmermann, Satiriker, Staatsaffärenschaffender, Moderator, Enthüllungsjournalist und Rapper auf einmal zum Superhelden. Und zwar zu Captain Obvious, dem Helden der aufgedeckten Machenschaften, die längst hinlänglich bekannt sind. Denn Böhmermann ist einer ganz, ganz heißen Sache auf der Spur: Der Profifußball, du meine Güte, der wird während der Corona-Pandemie bevorzugt, sagt er. Potzblitz.
Er beackert Karl-Heinz Rummenigge (Böhmermann: „Vorbestrafter Uhrensammler und im Nebenjob Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG“), weil der...
Sie wissen, was jetzt kommt. Da ist die Sache mit dem Impfen und der heroischen Vorbild-Funktion des Profifußballs, da ist die Sache mit der Nase, die Rummenigge auffällig oft oberhalb der Maske fotografieren ließ, da ist die Sache mit Katar.
Gut, zum Thema Katar landet Jan Böhmermann einen Volltreffer. Rummenigges empörend relativierende Anmerkung, wonach Menschenrechtsverletzungen im kommenden WM-Land irgendwie mit der dortigen „Kultur“ zu tun hätten, lässt ihm der weiterhin häufig brillante Satiriker nicht durchgehen. Böhmermann lässt zunächst eine Meldung von Ende Februar verlesen, wonach inzwischen 6.500 Gastarbeiter seit der WM-Vergabe nach Katar im Wüstenstaat verstorben seien.
Jan Böhmermann im ZDF über Rummenigge: „Menschenrechtsverletzungen mit Rassismus verteidigt“
Dann der Rummenigge-Einspieler: „Es ist dort eine andere Kultur. Es ist dort eine andere Religion.“ Jan Böhmermann wehrt den demagogischen Spielzug aus der Offensivabteilung des FC Bayern München mit einem beißend ironischen Konter ab: „Andere Länder, andere Sitten. So sind sie halt, die Araber.“ Und bringt den Konter gekonnt im Kasten unter: „Nicht schlecht. Menschenrechtsverletzungen mit Rassismus verteidigen.“ Und seine eigene Frage, warum Karl-Heinz Rummenigge Katar „nur hinter vorgehaltener Rolex“ kritisiere, beantwortet Satiriker in Diensten des ZDF folgerichtig mit dem Ärmelsponsor des FC Bayern: Qatar Airways.
Ansonsten spielt Jan Böhmermann auf einer Klaviatur, deren Tasten inzwischen dann doch gewisse Gebrauchsspuren aufweisen. Quervergleiche mit Wirtschaft und Kultur, Thomas-Müller-Privatjet-Corona-Bashing, die „Systemrelevanz“ des Profifußballs, Arroganz, Politik, Lobbyismus, der DFB und die Steuern - Böhmi spielt die Evergreens wie sonst nur abgehalfterte Schlagersänger im Baumarkt. Aber die treten eben (also außerhalb einer Pandemie natürlich) im Baumarkt und nicht mehr auf der großen ZDF-Bühne auf, weil die alten Gassenhauer irgendwann kaum noch jemand hören mag. Da kann es schon einmal zu einem Maischberger-Déjà vu kommen.
„ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann
ZDF, von Freitag, 5. März, ab 23.00 Uhr. Im Netz: ZDF Mediathek.
Jan Böhmermann beleuchtet in ZDF Magazin Royale Verstrickungen von Fußball, Politik und BILD
Ein wenig moderner klingt Jan Böhmermann, als er auffällig häufige Treffen von Vertretern der Bundesländer, der DFL, des FC Bayern München, der Borussia aus Dortmund und der „BILD“-„Zeitung“ unter die Lupe nimmt. So hatten beispielsweise am 20. April 2020 die „Ministerpräsidenten von Bayern München und Borussia Dortmund“ (Böhmermann), Markus Söder und Armin Laschet, auf „BILD live“ den Bundesliga-Neustart nach der Corona-Pause verkündet. Böhmermann zitiert Statements aus beiden Staatskanzleien, wonach es zuvor „redaktionelle Vorgespräche“ gegeben habe. Sarkastisch fragt der Satiriker: „Ja, was ist redaktionelles Vorgespräch, was ist politische Verhandlung?“
Doch dann huscht Jan Böhmermann schon wieder ins Cape des Captain Obvious und erklärt zu aller Überraschung, dass die „Sport-Bild“ ohne Bundesliga ein Problem mit ihrer Auflage hat, dass es im wirtschaftlichen Interesse der „BILD“ liege, dass Profis kicken und dass sich Politiker und Funktionäre gerne auf die Bühnen des Boulevardblattes stellen: „Was ist Journalismus, was ist Business? Ich meine, dürfen Journalisten, wenn die Bundesliga wegen der Pandemie Pause macht, mit Wirtschaft und Politik dafür sorgen, dass sie doch weiter geht?“ Die vierte Wand durchbrechend fragt er sein Publikum: „Meine Damen und Herren, entscheiden Sie! Darf ein Polizeireporter einen Mord begehen, damit er eine tolle Story schreiben kann?“
Jan Böhmermann macht im ZDF Magazin Royale Werbung für Fußball-Buch von Arnd Zeigler
Aufregender wird es im ZDF nicht mehr und auch der bemühte Cameo-Auftritt des Fußballromantikers, WDR-Talkers und - natürlich - Bremers Arnd Zeigler verpufft irgendwo zwischen „ganz nett“ und „mit Kloppo war er aber lustiger“. Wirklich witzig ist, dass Jan Böhmermann, der zuvor heldenhaft als Pionier der Kritik am Geldverdienen mit dem Fußball in die Schlacht zog, am Ende seiner Sendung Zeiglers neues Buch in die Kamera hält. Ein Buch über irgendwas mit Fußball. Von einem Mann, der sein Geld mit einer Sendung über Fußball verdient. (Mirko Schmid)