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„Safe Space für echte Kerle“: Böhmermann geht sexistische Fahrlehrer an

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Von: Max Schäfer

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Jan Böhmermann thematisiert im ZDF Magazin Royale sexuelle Belästigungen durch Fahrlehrer.
Jan Böhmermann thematisiert im ZDF Magazin Royale sexuelle Belästigungen durch Fahrlehrer. (Screenshot) © ZDF

Jan Böhmermann zeigt im ZDF Magazin einen „letzten Safe Space für echte Kerle“ auf. Offenbar wird wenig in Fahrschulen gegen sexuelle Belästigung getan. Die TV-Kritik.

Hamburg – Möchtegern-Liberale, Konservative und andere Rechte aufgepasst! Jan Böhmermann will wieder „Cancel Culture“ betreiben und eine weitere Freiheit einschränken. Das kann man zumindest so sehen, wenn man(n) sich zu den genannten Gruppen zugehörig fühlt. In der jüngsten Folge ZDF Magazin Royale richtet der Moderator seine Scheinwerfer auf Orte, die noch „einer der wenigen letzten Safe Spaces für uns echte Kerle“ sind, wie er es selbst in der Sendung ausdrückt.

„Es gibt da also einen Ort, ein letztes Biotop, an dem wir noch sein können, wie unsere Triebe und Komplexe uns geformt haben“, erklärt Jan Böhmermann in einer These. Worum geht es also? Nein, um das Treiben beim Axel-Springer-Verlag geht es ausnahmsweise mal nicht, obwohl das aktuell angebracht ist. Im ZDF Magazin Royale geht es um Fahrschulen. Konkret: Um sexuelle Belästigung durch Fahrlehrer. Gendern ist hier überflüssig.

Jan Böhmermann richtet im ZDF Magazin den Scheinwerfer auf sexuelle Belästigungen durch Fahrlehrer

Immer wieder werden junge Frauen Opfer von sexuellen Übergriffen durch ihre Fahrlehrer. Das zeigt Böhmermann durch Berichte seiner Kolleginnen und eine Anfrage beim Bundesverband Frauenberatungsstellen. Dessen Geschäftsführerin Katja Grieger ordnet die Probleme ein: „Das Thema Autofahren ist sehr von sexistischen Klischees durchsetzt, bietet einen guten Nährboden für Übergriffe, man ist zu zweit alleine im Auto, es besteht ein Abhängigkeitsverhältnis, die Betroffenen brauchen den Führerschein, das Machtverhältnis kann ausgenutzt werden.“ Böhmermann fasst es knapp zusammen: „Im Fahrschulauto ist sexuelle Belästigung besonders leicht möglich.“

Böhmermann findet damit mal wieder ein gesellschaftlich relevantes Thema, dem er Aufmerksamkeit verschafft. Er nutzt das ZDF-Fernlicht – um im Bild zu bleiben – und beleuchtet damit einen der dunklen Flecken des Patriarchats.

Selbstverständlich ist das weiterhin ein Problem, das alle Bereiche der Gesellschaft betrifft. Es gibt jedoch Bereiche, wo mehr Menschen sensibilisiert sind und geschlechterbedingte Machtgefälle stärker hinterfragt und sexistische Übergriffe besser geahndet werden. Bei einem Frauenanteil von zwölf Prozent sind Fahrschulen für diese Probleme vermutlich anfälliger. Sogar bei Springer dürfte der Frauenanteil größer sein, seit der Reichelt-Affäre vielleicht sogar der Umgang mit Sexismus besser. Träumen ist manchmal erlaubt, oder?

Böhmermann schildert primitiven, sexistischen Humor einiger Fahrlehrer

Zurück zur Sendung: In der pointierten Folge bleibt Böhmermann beim Thema, ohne es durch weitere Aspekte zu verwässern, wie etwa bei der Folge zum Umgang der Superreichen mit dem Klimawandel. Der Moderator zeigt klar, die Fälle sexueller Belästigung durch Fahrlehrer auf und ordnet ein, dass diese bedingt durch die Situation leicht vorkommen können. Aber gibt es auch ein strukturelles Problem? Wer das ZDF Magazin schaut, kommt zu dem Schluss: Ja, ist es.

SendungZDF Magazin Royale
ModeratorJan Böhmermann
TitelAngstraum auf vier Rädern
Hashtag der Woche#Lappen
Termin21. April 2023
Online verfügbar bis20. April 2024

Der Eindruck entsteht schon allein dadurch, dass Böhmermann angeblich lustige Bilder zeigt, die (Ex-) Funktionäre verschiedener Fahrschulverbände geteilt haben. Der bewegt sich dann auf der Ebene von „haha, Frauen können nicht einparken“. Diesen Witz bringt Böhmermann selbst – und schneidet das johlende Publikum von „Nuhr im Zweiten“ rein.

Großbritannien geht Sexismus in Fahrschulen an

Fahrschulgemeinschaften schlagen Frauen lieber vor, Selbstverteidigungskurse zu machen, als ihre Fahrlehrer zu schulen. Das ist das Ergebnis einer Frage, die Böhmermann im Stil eines Fragebogens einer theoretischen Führerscheinprüfung beantwortet – und laut ZDF Magazin 2018 in Braunschweig so passiert. Böhmermann zeigt anschließend die Memes der Fahrlehrer, die vor Sexismus und Rückwärtsgewandtheit nur strotzen. Es sind eben unkreative alte, weiße Männer, die diskriminierende Sprüche mit Humor verwechseln.

Dass es anders geht, zeigt Böhmermann anhand des Beispiels aus Großbritannien, wo es laut eines von ihm zitierten Bericht des Guardians eine Meldestelle für übergriffiges Verhalten durch Fahrlehrer gibt. Auch der Einsatz von Kameras ist dort Thema. Was macht Deutschland dagegen? Kleiner Tipp, falls Sie mal den ZDF Magazin-Führerscheinprüfungsbogen ausfüllen müssen: Es als Einzelfall abtun ist richtig.

Böhmermann und ZDF Magazin Royale verlieren sich im Behörden-Mief

Typisch deutsch eben. Genau wie die Erkenntnis, die Böhmermann nach einer Anfrage gewinnt, die das Team des ZDF Magazin an alle Behörden gestellt hat, die Fahrschulen kontrollieren. Die Zuständigkeiten seien unübersichtlich, berichtet der Grimme Preis-Gewinner und lässt sich einen Seitenhieb auf Axel Springer-Chef Mathias Döpfner nicht verkneifen: „Wenn es für uns schon so kompliziert war, diejenigen zu erreichen, die bei sexuellen Belästigungen durch Fahrlehrer zuständig sind, wie geht es dann erst Betroffenen? Ich meine 500 Mails, dafür bräuchte sogar [...] Mathias Döpfner drei Minuten und zwei Nasen Methedron.“

ZDF Magazin Royale in der Mediathek

Das ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann vom Freitag, 21. April 2023, ist in der ZDF-Mediathek abrufbar.

Letztendlich kann man Böhmermanns Fazit so unterschreiben: „Wenn sie ein richtiger Mann sind, und mündig und klare kernige Machtstrukturen lieben, wenn sie auf der Suche nach einer Freiheit sind, aber ihnen ein Job bei einem international ambitionierten deutschen Medienkonzern aktuell zu peinlich wäre, werden sie Fahrlehrer.“

Den Scheinwerfer hat Böhmermann auf „diesen einen Ort, an dem Cancel Culture und Woke Bubble keine Chance haben“ gerichtet. Jetzt liegt es an Fahrlehrer:innen und Behörden, sich selbst zu schulen und das Steuer im Kampf gegen Sexismus zu übernehmen. Auch, wenn dann manche Konservative unter liberalem Gewand in ihrem Möchtegern-Freiheitskampf wieder wegen „Cancel Culture“ aufschreien. (Max Schäfer)

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