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Inhaftierter iranischer Regisseur Jafar Panahi - Letztes Mittel Hungerstreik

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Von: Daniel Kothenschulte

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Der iranische Regisseur Jafar Panahi im Jahr 2010.
Der iranische Regisseur Jafar Panahi im Jahr 2010. © dpa

Der iranische Filmemacher Jafar Panahi kämpft für seine Freilassung

Noch in der vergangenen Woche hatte es so ausgesehen, als könne Jafar Panahi das berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis wieder verlassen. Das Urteil gegen den weltberühmten Regisseur war bereits im 15. Oktober aufgehoben worden, wie sein Anwalt Salehi Nikbacht in einer Presseerklärung verlauten ließ. Tatsächlich habe das Oberste Gericht des Landes bestätigt, dass die Verhaftung seines Mandanten im vergangenen Juli unrechtmäßig gewesen sei. Bereits 2010 war der spätere Berlinale-Gewinner wegen „Propaganda gegen das Regime“ zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden, doch nach zehn Jahren verjähren solche Urteile. Eine Entscheidung, Panahi gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen, war von den Justizbehörden für vergangenen Freitag erwartet worden. Als das nicht geschah, hatte seine Frau Tahereh Saeidi am 26. Januar anlässlich des 200. Tags seiner Haft ein wenig hoffnungsvoll klingendes Statement veröffentlicht, am Mittwoch postete sie auf Instagram einen Brief ihres Mannes.

„Keine andere Wahl“

„Obwohl ich wusste, dass das Rechtssystem und die Sicherheitsbehörden keine Absicht haben, das Gesetz anzuwenden (auf dem sie bestehen), bin ich – aus Respekt vor meinen Anwälten und Freunden – den ganzen Weg gegangen, um mein Recht zu bekommen“, schreibt Panahi. „Heute habe ich, wie so viele Menschen, die im Iran gefangen sind, keine andere Wahl als gegen diese inhumane Behandlung mit dem Teuersten zu protestieren, was ich besitze, meinem Leben. Deshalb erkläre ich aus Protest gegen das unrechtmäßige und inhumane Verhalten des Sicherheitsapparats und dieser speziellen Geiselnahme, dass ich mit dem Morgen des 12. Bahman (1. Februar nach westlichem Kalender) weder trinken noch essen werde und keine Medizin mehr einnehmen, bis ich freigelassen werde. Ich werde in diesem Zustand bleiben, bis vielleicht mein lebloser Körper aus dem Gefängnis befreit werden wird.“

Panahis Verhaftung fiel mit der Protestwelle zusammen, die der aktuellen Massenbewegung gegen die Unterdrückung der Frauen vorausgegangen war. Hintergrund war der Einsturz einer Einkaufspassage in der südwestiranischen Stadt Abadan mit mehr als vierzig Todesopfern. Mehr als 70 Filmschaffende hatten daraufhin an die Behörden appelliert, die Proteste nicht mit Gewalt zu beantworten. Verhaftet wurden als vermeintliche Anführer Mohammad Rasulof (der, wie iranische Zeitungen meldeten, derzeit wegen einer ärztlichen Behandlung für 14 Tage Hafturlaub hat) und Mostafa al-Ahmad. Panahi war zum Gefängnis gegangen, um sich nach ihrem Schicksal zu erkundigen. Zuletzt hatte es geheißen, er müsse wegen einer Hautkrankheit, die er sich in der Haft zugezogen habe, selbst dringend außerhalb des Gefängnisses behandelt werden.

Die Mitteilung über Panahis Hungerstreik wirkt umso alarmierender , als es gerade diesem Filmemacher immer wieder gelungen ist, unter denkbar widrigen Umständen weiterzuarbeiten. Nicht nur ignorierte er mehrfach sein Arbeitsverbot, aus den formalen Beschränkungen erwuchsen auch verfeinerte künstlerische Ausdrucksformen. Und nicht nur das: Nie überwog in seinen letzten Filmen die Bitterkeit, stets gab es etwas Menschlich-Aufbauendes darin, von dem man sich fragen konnte, woraus er es schöpfte. Das gilt auch für seinen jüngsten Film, den er noch während seiner Haft mit Hilfe von Freunden vollenden und zum Filmfestival Venedig entsenden konnte.

In der komplexen, aber leichthändig arrangierten Filmerzählung übernimmt er selbst die Rolle des Regisseurs Jafar Panahi, der sich in einem Dorf an der Grenze zur Türkei eingemietet hat. Über eine wacklige Internetverbindung leitet er eine Filmcrew, die auf der anderen Seite ein Flüchtlingsdrama dreht.

Doch die Wirklichkeit will sich aus dem Film nicht aussperren lassen: Die Hauptdarstellerin, ein Folteropfer, rechnet fest damit, wie im Film dargestellt tatsächlich mit ihrem Lebenspartner nach Paris zu fliehen. Im Dorf macht ihm derweil eine verschworene Gemeinschaft das Leben schwer. Man verdächtigt ihn, beim Fotografieren im Ort auch ein heimliches Liebespaar abgelichtet zu haben. Als er das gewünschte Beweismaterial schuldig bleibt, erweisen sich die urigen Dörfler und ihre angeblichen Traditionen als nicht weniger bedrohlich als die Diktatur, die sie umgibt.

„No Bears“ heißt dieser erste große Spielfilm Panahis seit fünf Jahren, der Titel verweist auf eine Beschwichtigungsfloskel gegenüber unsichtbaren Gefahren. Welche Angst muss die iranische Regierung vor seinem freien Geist haben. Venedig verlieh ihm in Abwesenheit den Spezialpreis der Jury.

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