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Dortmund-Tatort: „Masken“ bedient Vorurteile und Klischees

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Von: Judith von Sternburg

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Faber und Bönisch, Jörg Hartmann und Anna Schudt, beim Löwen-Kurs.
Faber und Bönisch, Jörg Hartmann und Anna Schudt, beim Löwen-Kurs. © WDR/Zeitsprung pictures/Thomas K

Der Dortmund-Tatort „Masken“ in der ARD stapelt Klischees, bedient unsere liebsten Vorurteile und ist doch auch eigen und ansehnlich. Die TV-Kritik.

Ein wilder Ritt durch diverse Gefühlsuniversen ist der Tatort „Masken“, nach Dortmunder Art herb serviert und gelegentlich zu Scherzen aufgelegt. Ungerührt fallen sie dicht an einem Abgrund der Traurigkeit. Es scheint ferner ein Vorteil zu sein, dass Krimierfahrene zwar mit 85-prozentiger Trefferquote sofort richtig raten werden, aber noch lange auf die wesentlichen Informationen warten müssen, warum es so kam. Es ist dann aber doch ein Nachteil, denn hier führt es zu einer Klärung der Sorte: Echt jetzt?

Unbedingt ist es ein Vorteil, sich für die garstige Szene der „Pick-Up Artists“ zu interessieren, Männer, die untereinander damit angeben, mit möglichst vielen Frauen lieblos geschlafen zu haben, und natürlich interessiert man sich brennend dafür. Augenrollend, angeekelt, klar, aber auch mit dem Vergnügen, das es immer bereitet, wenn Vorurteile, für die man sich zu Recht schämt – hier: das im normalen Leben leicht zu widerlegende Vorurteil, dass etliche Männer nicht die hellsten sind –, einfach mal komplett bestätigt werden.

Dortmund-Tatort „Masken“ in der ARD: Polizei starrt lustlos auf Beweisvideos

Bei einem entsprechenden Kursus (für rasche Fraueneroberung, denn „der Löwe frisst, wenn er Hunger hat“) recherchieren Faber und Bönisch, Jörg Hartmann und Anna Schudt, inkognito, aber offensiv. Beide sind die Folge über ohnehin privat unterschiedlich engagiert. Sex and Crime in Dortmund. Schön der Anblick, wie die Polizei rat- und lustlos auf die stinklangweiligen Sexbeweisvideos eines „Pick-Up Artist“ starrt. Das Buch von Arnd Mayer und Claudia Matschulla kann sich bei diesem Thema am überzeugendsten konzentrieren, während sonst allerhand vorkommt. Ayse Polats Regie wird mit dem lakonischen Ton, der bei der Dortmunder Polizei herrscht, insgesamt äußerst überzeugend fertig.

Es geht aber ganz anders los. Ein Jogger wird überfahren, ein Streifenpolizist mit schwangerer Ehefrau und einer Dienststelle, die die erste Viertelstunde lang voll hinter ihm steht. Anne Ratte-Polle ist hier die Chefin, die als Schauspielerin die Geschichte sofort ins Komplexe wendet und als Filmfigur Bönisch von früher kennt. Michelle Barthel ist ihre schluchzende Tochter, ebenfalls Polizistin, Jonas Friedrich Leonhardi der Kollege, der mit dem Toten supergut befreundet war und auch die Witwe schon ewig kennt, Kyra Sophia Kahre. Da wirkt das noch übersichtlich.

Tatort „Masken“ in der ARD arbeitet sich merkwürdig an Mutterrollenklischees ab

In einer klassischen Dortmunder Taumelbewegung, die heillos ineffizient erscheint, aber funktioniert, bewegen sich Faber und Bönisch halb privatisierend, halb arbeitend und jedenfalls immer wie nur halb aufmerksam durchs Geschehen. Die später Dazugestoßenen, Rick Okon als Pawlak und neuerdings noch Stefanie Reinsperger als Rosa Herzog, sind hingegen bei der Sache. Wie überhaupt Rosa Herzog, die als einzige generell beim schönen Vornamen genannt wird, eine Normalität ins Spiel bringt – eine klare Ansprache vor allem, die auch Pawlak auf einmal zum normalsten verstörten Menschen der Welt macht –, wie sie der Dortmund-Tatort bisher nicht kannte.

Dass Rosa selbst mit Pawlaks einsamem Kind blendend klarkommt, ist wohl das, was man eine Spur zu viel nennt (aber Reinsperger spielt es nicht zu viel). Überhaupt arbeitet sich „Masken“ merkwürdig an Mutterrollen- und Mütterlichkeitsklischees ab, während in den bemühten Aufreißern die Furcht vor Entmannung durch den Feminismus schlummert, nein, japst.

Auch die Aufklärung am Ende stapelt letztlich mit jeder weiteren Erklärung auch ein weiteres Klischee aufeinander. Gerade das macht diese Runde zum Triumph für Faber und Bönisch, denen man vieles vorwerfen kann, aber kein Schubladenformat. (Judith von Sternburg)

Tatort: Masken“, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

Mehr Informationen zum heutigen „Tatort: Masken“ in der ARD: Inhalt, Kritiken, Drehorte und Schauspieler*.

Lust auf mehr Tatort? Dass am Ende alles nur ein Spiel ist, ist allzu offensichtlich im Tatort „Murot und das Prinzip Hoffnung“ (ARD). Der Berlin-Tatort „Die Kalten und die Toten“ hingegen ist ein Vorgeschmack auf einen langen Winter.

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