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Herrn Kirchs Gespür fürs Geschäft

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Von: Daland Segler

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Leo Kirch, 1987.
Leo Kirch, 1987. © dpa

"Das ZDF hat ihm gehört": Ein Feature erinnert an den Medienmogul Leo Kirch und dessen beispiellose Dominanz im deutschen Fernsehen.

Am Anfang stand, heutigen Start-ups vergleichbar, eine Geschäftsidee: Ein junger Mann gründete mit seinem Freund eine Firma für den Handel mit Filmen. So etwas gab es seinerzeit nicht, obwohl das Kino in den fünfziger Jahren einen Aufschwung erlebte. Gerade 30-jährig kaufte er in Rom 1956 die Rechte an Fellinis Meisterwerk „La Strada“. Die Constantin erwarb den Film, und von da ging es nur noch bergauf für den Verkäufer. Denn das Fernsehen brauchte den Stoff, aus dem die Feierabendträume der Wirtschaftswundernation waren, und es war Leo Kirch der ihn lieferte „Der große Zampano – Wer war Leo Kirch?“ ist der Titel des Porträts von Berthold Baule und Michael Jürgs, die Aufstieg und Fall des Filmhändlers aus Würzburg schildern. Kirch setzte um, was der Baseler Filmwissenschaftler Peter Bächlin in seiner Doktorarbeit 1945 akademisch formuliert hatte: „Der Film als Ware“, der die „Auswertung der Phantasiebedürfnisse“ der Menschen nutze. Die Zeit war für Kirch günstig. Als 1962 das ZDF gegründet wurde, mit dem Adenauer seine politische Macht sichern wollte, stand die Anstalt fast ohne Programminhalte da. Kirch hatte sie. Er sei damals der „wichtigste Programmlieferant“ des Senders gewesen, bestätigt Dieter Stolte, später Intendant in Mainz. Helmut Thoma von der Konkurrenz RTL behauptete gar: „Das ZDF hat ihm gehört.“ So wurde der geschickte Krämer vom Zwischenhändler zum Medienmogul mit Hilfe eines verzweigten Unternehmens, einem Quasi-Monopol bei seiner Ware und auch mal mit Bluff. Denn als die ARD ohne Beteiligung Kirchs direkt mit den Hollywood-Studios verhandeln wollte, ließ er seine Anwälte mit einem angeblichen Vertragsbruch drohen.

Er verhob sich  ausgerechnet im eigenen Metier

Baule und Jürgs zeichnen die Stationen dieses scheinbar unaufhaltsamen Aufstiegs mit ein wenig zu viel Schlagzeilen-Sprech nach, da muss die Romreise im „klapprigen VW“ sein, und ob man Kirch wirklich den „deutschen Citizen Kane“ nennen sollte? Jürgs war eben früher „Stern“-Chefredakteur. Seine Interviewpartner platziert er in ausgesucht unterschiedlicher Umgebung, und das Bildmaterial ist ohnehin üppig. Peinlich wirkt hingegen, dass noch jeder Satz mit dem passenden Bild illustriert wird: für Dokumentarfilmer ein Unding und das Medium seiner Komplexität beraubend. Schwer wiegt zudem die eher bescheidene Aufarbeitung der Bedeutung Kirchs für die Politik. Denn zusammen mit seinen Freunden von der CSU, vor allem Franz Josef Strauß, Friedrich Zimmermann und dann Edmund Stoiber (der im Gespräch mit Jürgs von Kirchs „Kraft“ schwärmt), und vor allem seinem „Lebensfreund“ Helmut Kohl versuchte der katholische Filmhändler die politische Macht der Konservativen in der Bundesrepublik zu sichern. Dazu sollte ihm nach 1984 auch das Privatfernsehen, namentlich der Sender Sat.1, dienen. Die neuen Programme setzten dann aber, um der Quoten willen, doch eher auf seichte, weil werbeträchtige Unterhaltung. Immerhin verrät der ehemalige Kirch-Mitarbeiter Bodo Scriba, sein Chef habe, als Kohl Kanzler geworden war, triumphiert: „Jetzt haben wir die Macht, und wir werden sie nicht wieder aufgeben.“ Politisch auf der Siegerseite, verhob sich der gewiefte Geschäftsmann allerdings ausgerechnet in seinem eigenen Metier: Er wollte seinen Konzern mit Bezahlfernsehen ausbauen, doch der Sender Premiere dümpelte mit ungenügenden Abonnentenzahlen jahrelang dahin, denn Pay-TV funktionierte in Deutschland wegen des üppigen Angebots von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendeanstalten kaum. Und als herauskam, dass Kirch unbemerkt seinen Anteil am Springer-Verlag auf fast 40 Prozent erhöht hatte, schlug Friede Springer zurück. Sie beauftragte ihren neuen Vorstandschef, eine Gegenstrategie zu entwickeln – mit Erfolg: Kirch sei am Ende „an dem Wunsch, alles zu haben, gescheitert“, formuliert Mathias Döpfner, seine eigene Rolle bei diesem Scheitern taktvoll verschweigend. Der Absturz infolge von Zahlungsschwierigkeiten wurde dann besiegelt durch eine Äußerung von Rolf Breuer, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, der – eigentlich eine Unmöglichkeit – in einem Interview quasi in einem Nebensatz auf die Probleme Kirchs hinwies. Die Insolvenz folgte. Kirch wollte sein nun in Trümmern liegendes Lebenswerk retten und klagte gegen Breuer und die Bank. Mit Erfolg, den der „Zampano“ allerdings nicht mehr erlebte. Fast erblindet und von Diabetes gezeichnet, starb er 2011. Bei allen Mängeln ist diese Erinnerung an ein wichtiges Kapitel der bundesdeutschen Mediengeschichte und ihre Protagonisten doch informativ für ein Publikum, das sich in der Materie nicht besonders auskennt. Dass aber der Sender diesen Film spät nachts zeigt, verrät immer noch eine gewisse Ignoranz gegenüber der Bedeutung Kirchs und auch Distanz zu dem Mann, ohne den die Mainzer Anstalt heute ein ganz gewiss anderes Format hätte. Denn Leo Kirch hat das deutsche Fernsehen und seine Zuschauer vielleicht mehr geprägt, als es sowohl den Machern als auch ihrem Publikum bewusst ist.

„Der große Zampano – Wer war Leo Kirch?“, ZDF, Di., 23.45 Uhr.

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