Heike-Makatsch-Tatort „Blind Date“ im Ersten: Die Wohlstandskranken

„Blind Date“, ein etwas sehr nach Originalität strebender Mainz-Tatort mit Heike Makatsch.
Die Kommissarin als Tochter und Mutter: Als Heike Makatsch 2016 erstmals ermittelte als Ellen Berlinger, spielte das gestörte Verhältnis zu ihrer Mutter eine Rolle, dazu die nach der Geburt zur Großmutter gegebene, mittlerweile 15-jährige Tochter. Dann, 2018, gab es erneut Familienverwicklungen, in Gestalt des Sohnes ihrer Cousine Maja. Jetzt, im dritten Tatort-Auftritt, ist die zweite, noch kleine Tochter, für die alleinerziehende Polizistin eine Belastung. Wie praktisch, dass der britische Vater überraschend auftaucht und Greta mitnehmen möchte zu seinen anderen fünf (!) Kindern und seiner Frau, die „mehr Energie hat als ein Atomkraftwerk“ – Berlinger zu ihrer Cousine, die fortan Greta nicht mehr wird hüten müssen.
Eine Frau, die ihren Beruf über das Muttersein stellt? Das ist immer noch recht originell für eine Fernsehfilm-Figur. Allerdings fürchtet die Zuschauerin mittlerweile, dass beim vierten Makatsch-Tatort (in zwei, drei Jahren wieder?) die ältere Tochter dran ist, mit ihrer so unmütterlichen Mama gehörig abzurechnen, denn ohne Familienstress scheint es in diesem Sonntagskrimi-Ableger nicht zu gehen. Der Mainz-Tatort „Blind Date“ von Wolfgang Stauch (Buch) und Ute Wieland (Regie) setzt aber nicht nur auf die Geschichte einer Mutter, die auch ihr zweites Kind ohne großes Zögern weggibt, er bemüht sich auch bei den anderen Figuren um eine ziemlich krasse Charakterzeichnung – wohlwollend würde man es psychologisch ausgefallen nennen.
Man sieht es ihr an
Im Mittelpunkt die blinde Rosa, Henriette Nagel, die Ohren- und Nasen-Zeugin eines Tankstellen-Überfalls mit einem Toten wird. Zuerst hilft sie der Polizei mit Hinweisen bis hin zu einem teuren Parfum – 249 Euro –, das die Tatbeteiligte trug. Dann macht sie dicht, obwohl Berlinger und ihr wortkarger, extremmürrischer Kollege Martin Rascher, Sebastian Blomberg, ihrem lebhaften Gesicht angesehen haben, dass sie die Stimme kennt, die sie bei einer akustischen Gegenüberstellung hört.
Nun, Rosa, aber nicht nur Rosa beschließt in diesem Tatort: Lebe wild und gefährlich! Die blinde junge Frau, die gerade noch Jura studierte, tut dies freilich aus anderen Gründen als Sophie (Anica Happich) und Moritz (Jan Bülow), verwöhnte Kinder reicher Eltern. Das Pärchen hat Sex mit der Waffe in der Hand, lümmelt gelangweilt in einer kühl-edlen Wohnung mit Blick auf die Stadt, lässt Berlinger und Rascher an einer Wand aus Eis abprallen. Ein Fisch ist heißblütig dagegen.
Rosa rebelliert gegen ihren überbehütenden, hinter ihr herschleichenden, sich einmischenden Vater und will außerdem geliebt werden. Sophie und Moritz – polizeiliche Diagnose: „wohlstandskrank“ – brauchen einfach den Kick. Den Superkick. Was ist da schon ein Toter.
In gewisser Weise sucht auch dieser Tatort den Kick und gibt sich dabei cool – bis in die Fingerspitzen, bis zu den gut geschärften, schlagfertigen Dialogen. Das ist spannend. Das ist aber bisweilen des Angespitzten und Überzeichneten zu viel.
„Tatort: Blind Date“, ARD, So., 20.15 Uhr.