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„Hart aber fair“: Klamroth würgt die Diskussion ab – ganz ohne Not

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Von: Rolf-Ruediger Hamacher

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TV-Talk „hart aber fair“ am 20. März 2023 im Ersten.
TV-Talk „hart aber fair“ am 20. März 2023 im Ersten. © Screenshot ARD

Überfordert die Ampel mit der Klimawende die Bürger? Oder muss das jetzt sein, weil das Klima keine Kompromisse macht?

Köln – Auch wenn sich der Titel von Frank Schätzings neuem Buch „Was, wenn wir einfach die Welt retten?“ gut als Überschrift der „Hart aber fair“-Talkrunde vom 20. März geeignet hätte – der von Moderator Louis Klamroth gleich ins Gebet („Wo steht Deutschland heute in Sachen Klimaschutz?“) genommene Bestsellerautor hatte sofort eine griffige Antwort parat: „Der Komapatient Deutschland ist nach Jahren des Dahindämmerns wieder ansprechbar.“

Er erkennt, dass Deutschland auf nahezu allen technologischen Feldern seine Vorreiterschaft eingebüßt habe, sich abhängig gemacht und die Klimapolitik schön geträumt habe.

„hart aber fair“ vom 20. MärzDie Gäste der Sendung
Frank SchätzingBuchautor
Katrin Göring-EckardtB‘90/Grüne, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags
Johannes VogelFDP, Parlamentarischer Geschäftsführer
Robin AlexanderJournalist, Springer
Monika HohlmeierCSU, Mitglied des Europäischen Parlaments (EP)

Frank Schätzing bei „Hart aber fair“ mit Lob für die Ampel

Trotzdem setzt Schätzing zu einem Lob für die „Ampel“ an, findet deren Ideen weitgehend gut. Leider noch nicht bis ins Letzte durchdacht. Und vor allem werden die Menschen nicht mitgenommen, die das alles stemmen müssen: „Man muss die Armen und Geringverdiener mit wirklich durchdachten Entlastungsplänen beruhigen, bevor man sie mit Umbauplänen erschrickt.“

Industrie und Politik rät er, konsequent auf Zukunftstechnologien zu setzen, als auf eine Nachbeatmung der Auslauftechniken: „Schnell müssen wir sein, denn langsam waren wir lange genug!“

„Hart aber fair“: Göring-Eckardt nimmt die Medien in die Pflicht

Schon gleich nach der Vorstellungsrunde der Gäste lässt Klamroth - viel früher als sonst üblich - eine besorgte Rentnerin per Einspieler bei der ARD zu Wort kommen: „Die Ampel ist das größte Unglück für Deutschland. Als Rentnerin bekomme ich doch keinen so großen Kredit mehr.“

Und gibt den Ball an gleich an Katrin Göring-Eckardt weiter, die deutliche Worte findet: „Frau K. soll ihre Heizung nicht rausreißen, das ist ja Quatsch. Nur wenn irgendwann eine neue Heizung eingebaut werden muss, muss diese mit 65 % erneuerbarer Energie beheizt werden.“ Göring-Eckardt nimmt auch die Medien in die Pflicht, wo so manche Diskussionen auch dazu führen, dass die Leute verunsichert werden.

Robin Alexander relativiert ein wenig die Wut der Bürgerin, bescheinigt der Ampel aber auch eine schlechte Kommunikation: „Das war einfach kein gutes politisches Handwerk, wenn bei den Bürgern die Botschaft ankommt, wir verbieten das erst einmal, machen aber auch einen Plan, wie wir das sozial abfedern. Müssen aber noch Herrn Lindner fragen, ob er das finanziert. Das war unklug. Man hätte sagen sollen: Wir lassen euch nicht allein! Wir haben diesen und jenen Fördertopf …“

„Hart aber fair“: Verbotsdiskussion völlig überzogen

„Haben die Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck die Zustimmung der FDP?“, will Klamroth von Johannes Vogel wissen: „Nein, so nicht. Eigentlich gilt in der Regierung die Regel, dass man erst über ein Gesetz spricht und dann mit einem Vorschlag rausgeht. Hier ist ein völlig unausgegorener Vorschlag rausgegangen, der verunsichert natürlich.“

Und schon leitet Klamroth zur ständig im Raum stehenden „Verbotspolitik“ um und will von Schätzing wissen: „Sind Verbote denn immer schlecht?“ - „Nein“, antwortet der, „wenn es keine Verbote gäbe, würden wir heute hier nicht sitzen. Ohne Verbote hätten wir kein Leben in Sicherheit.“ Schätzing findet diese ganze Verbotsdiskussion völlig überzogen, will lieber von Regelwerken reden.

„Hart aber fair“

„Heizen, Dämmen, Autofahren: Öko-Umbau mit der Brechstange?“ im Ersten vom 20. März 2023. Die ganze Sendung als Stream im Netz.

Robin Alexander versucht es mit dem Spruch „Wer sein Vaterland liebt, ist für den Klimaschutz“ und vermisst Politiker, die konkurrierende Pläne zum Klimaschutz auf den Tisch legen und wirklich ausdiskutieren.

Wie befürchtet springt ihm CSU-Frau Monika Hohlmeier bei – wenn auch anders, als er es sich gedacht hat – und diffamiert die „Grünen“ als Verbots-Partei: „Sie haben die Menschen nicht mitgenommen, sondern abgeschreckt.“ sagt sie. Einen Gegenvorschlag hat sie nicht, will auch nichts davon wissen, dass CDU und CSU die Klimapolitik über ein Jahrzehnt haben schleifen lassen.

Wir aber würden gerne wissen, warum so eine unbedarfte Politikerin, die zudem in der bayrischen Covid-Maskenaffäre eine undurchsichtige Rolle gespielt hat, überhaupt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Plattform bekommt. Sie hat Robin Alexander sicherlich nicht gemeint, bei seinem „Schrei“ nach kompetenten Gesprächspartnern.

Katrin Göring-Eckardt versucht Habecks Gesetzentwurf als „Vorschlag, wie man es machen könnte“, zu verkaufen, Johannes Vogel will gerne über „einen Plan reden, der auch funktioniert.“ Aber ehe es dazu kommt, würgt Klamroth die Diskussion ab und springt ohne Not zum nächsten Thema „steigende Mieten“.

„Hart aber fair“: Moderator Klamroth schlecht vorbereitet

Göring-Eckhardt schwingt die „Mietbremse“-Keule, Alexander befürchtet die Umlegung neuer Heizanlagen-Kosten vom Vermieter auf den Mieter und mahnt an, dass man nicht wie die NGOs im Wirtschaftsministerium nur in Wärmepumpen denken soll, sondern auch ein Konzept der Innovationsoffenheit entwickeln soll: „Das ist wichtiger als Verbote!“

Johannes Vogel versucht den Grünen die Butter vom Brot zu nehmen, in dem er deren Vorschlag einer Klima-Dividende als eigene Idee ins Spiel bringt. Sie soll Bürger entlasten, die besonders viel für Klimaschutz tun. Göring-Eckhardt lässt es geschehen und geht lieber Hohlmeier an: „Warum müssen wir jetzt schnell handeln? Weil die Union und alle Vorgängerregierungen es kräftig versemmelt haben.“ Endlich, hofft man, ist mal Zunder in der Bude – aber Klamroth löscht sofort die aufflackernde Glut und geht übergangslos ins Einzelgespräch mit Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Bremen. Doch sein Ausflug dauert nicht lange, auch weil bei dem – offensichtlich schlecht vorbereitetem Gespräch – wenig Ergiebiges herauskommt. Dass die Verbraucherzentralen zum Beraten da sind, wusste man schon, dass sie auf dem Land kaum vertreten sind, ahnte man.

Zurück in der Runde könnte Klamroth ein Geplänkel zwischen Göring-Eckardt und Hohlmeier über die Definition von „Sondervermögen“ oder „Schulden“ zum Anlass nehmen, um die beiden Klartext reden zu lassen. Er geht aber lieber seinen liebsten Weg, den der Konfliktvermeidung, springt behände zum nächsten Thema, dass ihm Robin Alexander zu Füßen legt: „Die SPD spielt im Moment ‚Hau den Habeck‘.“ Doch Hohlmeier will lieber über fehlende Handwerker reden und Vogel entblödet sich nicht, die Tempolimit-Verweigerung der FDP wieder einmal als „Freiheits-Einschränkung“ zu verkaufen.

Göring-Eckhardt versucht vergeblich mit Argumenten bei dem aalglatten Vogel zu landen: „Es spart CO₂. Es kostet nichts. Es führt zu weniger schlimmen Unfällen. Es spart auch Geld. Ich kapiere es nicht, warum man diese Maßnahme nicht macht.“

Vogel will sie daraufhin mit dem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke auf die Palme bringen - aber schwups steht Klamroth vor ihnen und unterbindet jeden weiteren Streit: „Die Atomdiskussion will ich jetzt nicht führen.“ Nur Robin Alexander hätte diese heiligen Kühe gern geschlachtet: „Schade, dass Grün und Gelb da nicht über ihren Schatten gesprungen sind.“ Dem Zuschauer hätte schon gereicht, wenn Louis Klamroth mal öfter über seinen springen würde! (Rolf-Ruediger Hamacher)

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