„Kein Zufall, es ist Absicht, nicht zu liefern“: Röttgen attackiert Scholz

Bei „Hart aber fair“ diskutieren die Gäste am Montag (13. Juni) in der ARD mit Frank Plasberg über den anhaltenden Ukraine-Krieg und Solidarität. Bundeskanzler Olaf Scholz gerät in die Kritik.
Berlin – Eingeleitet hat Frank Plasberg seine Sendung „Hart aber fair“ vom 13. Juni 2022 in der ARD mit folgender Fragestellung: „Ist man ein gefühlskalter Egoist, wenn man sagt: Ich brauche eine Pause vom Krieg, ich will nicht mehr ständig davon hören und daran denken?“ Die Antwort darauf hat keiner der Gäste des Abends explizit geliefert, aber gemeint war im Grunde, „Ja“.
Soziologe Armin Nassehi versuchte zu erklären, dass es ein ganz natürlicher Prozess sei, dass der Mensch durch die Wiederholung des immer Gleichen sich an dieses gewöhne. „Wiederholung ist der Feind der Aufmerksamkeit“, wiederholte er selbst zu Beginn mehrfach. Der Informationswert einer Sache nehme ab, je öfter die Sache zum Thema gemacht werde. In einem kurzen Moment der Selbstreflektiertheit reagierte Plasberg bei „Hart aber fair“ in der ARD auf diese Bemerkung: „Dann ist es vielleicht gar nicht so geschickt, dass wir auch wieder davon sprechen“, meinte er.
„Hart aber fair“ (ARD): „Wir müssen die Dramatik, die Brutalität der Realität immer wieder deutlich machen.“
Diesen Gedanken wischte er dann aber schnell weg. Vielmehr waren sich die Anwesenden darüber einig, allen voran die beiden Bundestagsabgeordneten Michael Müller(SPD) und Norbert Röttgen (CDU), dass die Politik die Aufgabe, sogar die Pflicht, habe, dieser Gewöhnung und damit dem Sinken des Interesses der Menschen am Ukraine-Konflikt entgegenzuwirken. Während Müller aber argumentierte, dass seiner Ansicht nach das Mitgefühl der Deutschen mit der Ukraine überhaupt nicht abgenommen habe, wofür er übrigens von Plasberg für sein optimistisches Menschenbild „bewundert“ wurde, schlug Röttgen einen weit weniger versöhnlichen Tonfall-Tonfall an: „Man darf nicht dafür Verständnis haben, dass man sich daran gewöhnt.“ Weiter meinte er: „Wir müssen die Dramatik, die Brutalität der Realität immer wieder deutlich machen.“
Überhaupt gab sich Röttgen in der ARD bei „Hart aber fair“ besonders kompromisslos und emotional. Ob es ihm immer nur um die Sache selbst ging, konnte man stellenweise etwas in Zweifel ziehen. Zumindest nutzte er jede Gelegenheit, gegen die aktuelle Regierung zu schießen. Sein Lieblingsthema war vor allem die von ihm bemerkte Unentschlossenheit in der Sache von Bundeskanzler Olaf Scholz. „Die Bürger sind orientierungsbedürftig, und dafür brauchen sie die Regierung. Wenn die Regierung unentschlossen ist, wird es auch die Bevölkerung.“
Die Gäste bei „Hart aber fair“ (ARD) am 13. Juni | |
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Oleksandra Bienert | Ukrainerin |
Claudia Major | Militärexpertin |
Michael Müller | Bundestagsabgeordneter (SPD) |
Armin Nassehi | Soziologe |
Norbert Röttgen | Bundestagsabgeordneter (CDU) |
Matthias Schranner | Verhandlungsexperte |
Disskussion über den Ukraine-Krieg: Schwere Anschuldigungen gegen Scholz bei „Hart aber fair“ (ARD)
Der Angriff gegen Scholz wurde zum Ende der Sendung dann noch hemmungsloser, als Röttgen Scholz vorwarf, offen gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine zu sein. Es stünden nun fünf Panzer zur Verfügung, trotzdem liefere Deutschland nicht. „Es ist kein Zufall, es ist Absicht, nicht zu liefern“, stieß er hervor. „Der Grund dafür wird nicht kommuniziert, stattdessen gibt es eine Chronologie der Ausreden“. Müller versuchte, sich auf diese Bemerkung, die Frank Plasberg in der ARD als eine „Anschuldigung“ bezeichnete, zu wehren, indem er erklärte, dass Scholz gemeinsam mit anderen die Situation abwäge und entscheide.
Einen interessanten Impuls gab daraufhin die Militärexpertin Claudia Major, als sie sagte: „Wir müssen uns entscheiden, Deutschland kann doch einmal auch die Führung übernehmen“. In diesem Punkt stand sie der Ukrainerin Oleksandra Bienert, die ebenfalls Gast bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ in der ARD war, besonders nahe. Bienert äußerte während der Sendung mehrfach rührende und entschlossene Worte der Solidarität mit der Ukraine. Sie nahm dabei Deutschland in die Bringschuld.
Ukrainerin meldet sich zu Wort: Disskussion bei „Hart aber fair“ (ARD)
Es ist nicht sicher, wie glücklich der Vergleich wirklich ist, den sie hervorbrachte, an seiner symbolischen Kraft ist aber nicht zu zweifeln: „Was haben wir aus dem Zweiten Weltkrieg gelernt? NS-Deutschland hat damals die Ukraine okkupiert“, sagte sie. „Würde sich Deutschland daran erinnern“, führte sie weiter aus, „müsste Deutschland der größte Freund der Ukraine sein“. Doch das sei nicht so, Deutschland sehe die Ukraine allenfalls als einen entfernten Verwandten, über den es kaum etwas wisse.
Die aktuelle Folge von „Hart aber Fair“ (ARD), ausgestrahlt am 13. Juni, beschäftigte sich mit der Frage: Ist man ein gefühlskalter Egoist, wenn man sagt: Ich brauche eine Pause vom Krieg, ich will nicht mehr ständig davon hören und daran denken?“
Die Sendung „Hart aber fair“ (ARD) vom 1. Juni, bot ebenfalls gewagte Küchenpsychologie, Ferndiagnosen und durchaus sachliche Einordnungen: Eine TV-Kritik.
Gewissermaßen spannte Matthias Schranner, der von Plasberg im Einzelgespräch über seine Arbeit als Verhandlungsexperte befragt wurde, den Bogen zur Anfangsfrage. Konkret sagte er, dass seine Aufgabe, und damit vielleicht auch die unsere und die unserer Regierung, nicht darin bestehe, Wladimir Putin zu verstehen, Distanz sei notwendig. Weder Macron noch Scholz könnten in diesem Konflikt vermitteln, denn keiner von ihnen sei neutral. Doch Vermittlung im Sinne von dem Ermöglichen von Verhandlungen sei sowieso weit verfrüht. Solange beide Parteien glaubten, dass sie militärisch siegen könnten, hätte keine von ihnen Interesse zu verhandeln. „Entweder wird Putin abgelöst“, sagte er, „oder der Krieg setzt sich fest, die Fronten verhärten sich“, war seine realistische Einschätzung, mit der er trocken und entschlossen in den Abend entließ. (Teresa Vena)