„Hart aber fair“ - Rainer Brüderle zu Mindestlohn, oder: die Arroganz des alten, weißen Mannes

Bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ in der ARD diskutieren Brüderle, Heil und Co über Mindestlohn, Ausbildung und Behördenstruktur.
Köln – Die FDP lässt ihre aus dem Bundestag ausgeschiedenen Mitglieder nicht „verhungern“ und so feiern wir in Frank Plasbergs ARD-Talkshow „Hart aber fair“ ein Wiedersehen mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der einst wegen angeblicher sexueller Übergriffigkeit ins Gerede gekommen war.
Nun ist er seit 2015 Präsident des Arbeitgeberverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) und somit ein kompetenter Ansprechpartner in Plasbergs Diskussionsrunde zum Thema „Die neue Arbeiter-Losigkeit: Warum gehen Deutschland die Fachkräfte aus?“
„Hart aber fair“ (ARD): Deutschlands Fachkräftemangel Thema bei Frank Plasbergs Diskussionsrunde
Geht es doch schwerpunktmäßig auch um die in der Corona-Pandemie in den Fokus geratenen Pflegeberufe. Und an deren Situation entspannt sich dann die einzig kontroverse Auseinandersetzung in er ansonsten eher harmonisch diskutierenden Runde.
Die Unis sind voll, der Handwerker-Markt wie leergefegt. Zuschauer erzählen bei „Hart aber fair“, dass sie bis zu einem Jahr auf Handwerker warten, manche wegen Kleinigkeiten schon gar nicht mehr kommen. Dieter Könnes berichtet von Headhuntern in London, die sogar hierzulande Handwerker abwerben.
„Hart aber fair“ (ARD): Die Gäste der Sendung am 04.04.2022
- Hubertus Heil, SPD Bundesminister für Arbeit und Soziales
- Rainer Brüderle, Präsident des bpa-Arbeitgeberverbandes
- Janine Wissler, Parteivorsitzende DIE LINKE
- Simon Meinberg, Tischlermeister in Berlin
- Dieter Könnes, Journalist (WDR)
- Bettina Offer, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Fachkräftezuwanderung und Ausländerbeschäftigungsrecht
„Hart aber fair“ (ARD) – Schulen in der Pflicht „müssen die Schüler (…) informieren“
Für Hubertus Heil ist das „eine schräge Debatte, dass wir einerseits immer mehr Akademiker ausbilden, aber andererseits Millionen Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung dastehen.“ Und fordert eine „Allianz von Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften“, um diese Missstände zu beheben.
Simon Meinberg hat einst den Weg von der Schule ins Handwerk gewagt, betreibt heute in Berlin eine Tischlerei und hatte zuletzt 130 Bewerbungen für eine Lehrstelle. Ganz gegenteilige Erfahrungen hat der in einem ARD-Einspieler interviewte Malermeister Stephan Michel gemacht: „Bei mir brechen viele Lehrlinge die Ausbildung ab, weil sie immer so früh aufstehen müssen und sich bei der Arbeit ständig dreckig machen.“
Zur Sendung
„Hart aber fair“ in der ARD. Thema der Talkrunde: „Die neue Arbeiter-Losigkeit: Warum gehen Deutschland die Fachkräfte aus?“. Die Sendung vom 04.04.2022 im Netz.
Könner gibt auch der Schule eine Mitschuld: „Die müssten die Schüler viel mehr über Berufe informieren und mit Praktika vorbereiten, anstatt sie mit dem Turbo-Abitur durchs Leben zu peitschen.“
„Hart aber fair“ (ARD): Hubertus Heil warnt davor, „Handwerk und Abitur gegeneinander asuzusspielen“
Auch Hubertus Heil plädiert für eine frühe Orientierung, warnt aber davor, „Handwerk und Abitur gegeneinander auszuspielen.“ Und dann konfrontiert ihn Plasberg mit seinen politischen Zielen als Arbeitsminister: „Höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen, mehr qualifizierte Zuwanderung, ausländische Bildungs- und Berufsabschlüsse unbürokratischer anerkennen“
Und siehe da - wie ein Rückblick zeigt - Rainer Brüderle hatte das schon 2010 erkannt und gefordert. Aber geschehen ist bis heute nichts, wie Heil zugeben muss.
„Hart aber fair“ (ARD): Pflegekräfte und Mindestlohn
Andererseits hat sich Brüderle immer schon gegen den Mindestlohn ausgesprochen. Nun hat er endgültig die Seiten gewechselt und sieht den 01.09.2022 als „schwarzen Tag“ auf sich und seine Branche zukommen: Dann nämlich dürfen Pflegekräfte nicht mehr unter Tarif bezahlt werden.
„Das ist die Rückkehr der DDR-Planwirtschaft light!“ Als Janine Wissler argumentativ dagegenhält, fährt er ihr barsch in die Parade: „Wenn sie ihre Platte abgespielt haben…..“
„Hart aber fair“ – Offer fordert bei Plasberg: „Müssen Infrastruktur der Behörden verbessern“
Frank Plasberg (ARD) versucht Brüderle mit „Altersweisheit“ wieder einzufangen, anstatt der Ignoranz und Arroganz des alten, weißen Mannes entschieden Paroli zu bieten. Da springt dann Hubertus Heil für ihn mit klaren Worten in die Bresche. Immerhin zeigt sich der Arbeitgeber Brüderle bei der Zuwanderung von Arbeitskräften aufgeschlossener: „Es ist doch ein Unding, dass philippinische Pflegekräfte eine halbjährige Pflegeausbildung nachholen müssen, als wenn sie nicht mit dem Waschlappen umgehen könnten.“
Bettin Offer bringt es nochmal auf den gesellschaftspolitischen Grund: „Wir haben 500 Ausländerbehörden in Deutschland. Und da gibt es einige, die das Problem verstehen und andere, die einfach nur mauern. Wir müssen einfach die Infrastruktur der Behörden verbessern.“
Dazu fällt Heil nur jener Satz ein, den jeder Politiker ständig im Mund führt: „Wir müssen uns nach vorne orientieren!“
Etwas lebhafter hätte es an diesem Abend schon sein können, an dem auch die Zuschauer-Mails
ungewohnt „zahm“ daherkamen. „Fair“ war es schon bei Frank Plasberg, aber von „Hart“ keine Spur. (Rolf-Ruediger Hamacher)