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„Hart aber Fair“: Geywitz versucht Wohnungsmangel zu erklären

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Von: Michael Meyns

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Hart aber Fair – Die Sendung vom 8. Mai.
Hart aber Fair – Die Sendung vom 8. Mai. © Screenshot ARD

Das Eigenheim unbezahlbar, günstige Mietwohnung nicht zu haben. Menschen suchen ein Zuhause: Wer ist schuld an der Wohnungsnot?

Frankfurt am Main – Wohnen ist ein Menschenrecht, heißt es bisweilen – doch wie bezahlen? „Menschen suchen ein Zuhause: Wer ist schuld an der Wohnungsnot?“ hieß es am Montagabend in der ARD bei Hart aber Fair, wo Louis Klamroth mit seinen Gästen auch über zu große Wohnungen diskutierte.

Nicht nur in Berlin, sondern in vielen deutschen Großstädten sieht man immer wieder lange Schlangen. Nicht vor Geschäften, in denen es Sonderangebote gibt, sondern vor Wohnungen, die frei werden. Hunderte Menschen stehen oft in Konkurrenz um eine Wohnung, ein Glück für die Vermieter, eine Qual für die Mieter.

„Hart aber Fair“ (ARD): Der Krieg und die Inflation dienen als Ausrede

Im Wahlkampf hat sich Olaf Scholz als „Kanzler für bezahlbares Wohnen“ bezeichnen lassen, doch davon ist momentan nicht viel zu spüren. Klara Geywitz von der SPD, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, versuchte bei Louis Klamroth in der ARD zu erklären, warum es in Deutschland einen zunehmenden Wohnungsmangel gibt. Jahrelang sei an Geldern für den Wohnungsbau gespart worden, Hunderttausende Sozialwohnungen fehlen, inzwischen verspricht die Regierung 14,5 Milliarden Euro für Sozialwohnungen in den Wohnungsbau zu stecken, doch äußere Faktoren erschweren die Lage: Durch den Ukraine-Krieg kamen verstärkt Flüchtlinge ins Land, dazu die steigende Inflation, die steigenden Zinsen. Doch sind dies überzeugende Erklärungen oder billige Entschuldigungen?

Der Bauunternehmer Dirk Salewski hat den Eindruck: „Wir bauen momentan für Bedürftige und für Millionäre, aber alles, was dazwischen liegt, wird vergessen.“ Der Applaus des Publikums war im ebenso sicher wie Erdal Balci, Familienvater, der seit sechs Jahren ein bezahlbares Haus oder Grundstück sucht und klagte, dass ihm Häuser angeboten wurden, „die überteuert waren, Häuser, die renovierungsbedürftig waren“. Nun, das kommt wohl vor, bisweilen mag der Hauskauf oder die Wohnungssuche aber auch an den eigenen Ansprüchen scheitern.

„Hart aber Fair“ (ARD): Lokale Vorschriften als Hindernis

Doch wer kann sich momentan das Bauen überhaupt noch leisten, wenn sowohl große Wohnungsbaugesellschaften Projekte aufs Eis legen, als auch Privatleute angesichts hoher Zinsen und der Inflation auf den Hausbau verzichten. Serielles Bauen oder Modulhäuser pries die Bundesministerin als Alternative an, woraufhin ihr vom Bauunternehmer die zersplitterte Regulierung in den 16 Bundesländern und über 10.000 städtischen Gemeinden in Deutschland vorgehalten wurde, die jede einzeln bestimmen kann, wie in ihrer Gemeinde gebaut wird.

Eine radikalere Position nahm wenig überraschend Caren Ley ein, Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik bei den Linken, die bei Louis Klamroth in der ARD sagte: „Die Spekulation mit Immobilien ist ein Preistreiber!“, und weiter: „Börsennotierte Gesellschaften haben nichts auf dem Wohnungsmarkt zu suchen.“

Zur Sendung

„hart aber fair“ mit Louis Klamroth. Die Sendung vom 8. Mai 2023 in der ARD-Mediathek.

In gewisser Weise neutraler Betrachter war Gerhard Matzig, Buchautor und Architektur-Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, der darauf hinwies, dass die aktuell hohen Zinsen keine Ausrede sein dürfen, denn solche Phasen habe es immer wieder gegeben. Viel wichtiger sei, dass immer neue Vorschriften und Regularien das Bauen komplizierter und teurer gemacht hätten, der Plan der Regierung, Öl- und Gasheizungen bald zu verbieten ist da nur der nächste Schritt. „Wir haben 3700 Normen und jede Woche kommt eine neue hinzu“ meinte Matzig und forderte ein radikales Umdenken: Nicht mehr absolut perfekt sollte man bauen, nicht mehr Dutzenden DIN-Normen folgen, sondern auch daran denken, dass man auch vor hundert Jahren gute Häuser gebaut hat, die viel billiger waren und oft heute noch stehen.

„Hart aber fair“ im ErstenDie Gäste der Sendung vom 8. Mai
Klara GeywitzSPD, Bundesministerin
Caren LayDie Linke, Bundestagsabgeordnete
Erdal BalciAuf Haussuche
Dirk SalewskiBauunternehmer
Gerhard MatzigJournalist

Ein Abbau der Bürokratie, das ist in Deutschland allerdings leichter gesagt als getan. Der inzwischen verstorbene FDP-Politiker Hans-Jürgen Vogel forderte schon vor Jahrzehnten, dass Gemeinden intensiver versuchen, Bauland und Wohnungen zu kaufen und dem Markt zu entziehen. Vorkaufsrecht heißt das Zauberwort, doch das durchzusetzen ist rechtlich nicht einfach, zumal die Lobbyarbeit der großen Wohnungsgesellschaften manches Sinnvolle verhindert.

Und auf ein weiteres Problem wies Gerhard Matzig bei Louis Klamroth in der ARD hin: Seit 1986 ist die Durchschnittsfläche, die ein Mensch bewohnt, von 35 qm² auf 48 qm² gestiegen. Dafür gibt es vielfältige Gründe, nicht zuletzt die steigende Anzahl von Singlehaushalten. Matzig selbst würde gerne, wenn die Kinder demnächst aus dem Haus sind, wieder in eine kleine Stadtwohnung ziehen, doch die zu finden ist eben in der heutigen Zeit ein Problem. Größere Flexibilität wäre in vielen Bereichen der Gesellschaft wünschenswert, kreative Lösungen sind gefordert, nicht nur beim Bauen und Wohnen. (Michael Meyns)

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