Der Grimme-Preis zeichnet gelungene Produktionen der deutschen Fernsehlandschaft aus, die sich trauen, ein wenig künstlerischen Anspruch auf den Mattscheiben der Republik zu verwirklichen. In Zeiten der inflationären Produktion von Ficki-Ficki-Bums-Formaten keine Selbstverständlichkeit. Für den Schund gab es bis 2019 ja auch noch den vom Burda-Verlag verliehenen Bambi. Unvergessen, wie Gwyneth Paltrow den Galaabend moderierte, an dem Bushido den Integrations-Bambi von Peter Maffay überreicht bekam. Und der hat ja bekanntlich auch eine aktuelle Doku-Serie am Start ... aber wir schweifen ab!
Zurück zum Grimme-Preis: Den bekommen meist die Richtigen. Denn Fernseh-Kultur kann auch ganz geil sein! Nur das so auch zu benennen, ist bei der Jury des Grimme-Instituts noch nicht angekommen. Nehmen wir dafür die Begründung des diesjährigen Preises in der Kategorie „Unterhaltung“. Den erhält in diesem Jahr das Team um Jan Böhmermann für das „„ZDF Magazin Royale“. Die Jury schreibt dazu: „Gute Unterhaltung überrascht, ohne zu überfordern, und im besten Fall findet ihr Publikum sogar mehr, als es überhaupt gesucht hat.“ Na gut, das kann man erstmal so stehen lassen.
Weiter begründet sie: „In einer Welt, in der Politiker:innen wie Clowns agieren, haben echte Clowns keine andere Wahl als selbst politisch zu werden.“ Woraufhin die Jury Böhmermann als „politisch gewordenen Clown“ bezeichnet, der „Unterhaltung mit Informationswert – oder Information mit Unterhaltungswert, ganz wie man will“ präsentiere. Und die Kirsche auf der gähnend langweiligen Begründung: „Er geht dabei, seine Vorgeschichte lässt es erahnen, gerne über Grenzen hinaus“.
Es ist die ewig alte Leier von Kulturwissenschaftler:innen und -kritiker:innen, die das mittlerweile bekannte Lied „Wenn alle Clowns sind, dann muss man selbst seriös werden” singen, die sich trauen, irgendwelche diffusen Grenzen zu überschreiten. Doch von welchen Grenzen wird hier überhaupt gesprochen? Anstatt die Prämierten für radikale Komik, die bereit ist, auf nichts und niemand Rücksicht zu nehmen, zu ehren, zähmen die Kritiker:innen in ihrem Elfenbeinturm der Hochkultur das Werk, ziehen ihm mit ihrer vermeintlich seriösen Begründung jeden Zahn und trauen den Prämierten eigentlich nicht – oder nichts zu.
Konsequent komisch und auszeichnungswürdig ist doch viel mehr der Gedanke von der Komik als Reaktion auf die Grenzen des vermeintlich Seriösen, die um uns herum jeden Tag propagiert werden. Lobenswert ist doch das Kippen des ausgezeichneten Formats vom Unernst in den Ernst – aber nicht als konsequente Grenzüberschreitung, sondern als konsequenter Witz. Denn seriös wird hier gar nix! Die Politisierung als Witz, als das Sich-Lustigmachen über die Seriosität. Bewusst unseriös zu sein – das scheint komischen Formaten nicht gestattet.
Es offenbart sich bei der Grimme-Preis-Jury ein Sendungsbewusstsein und eine unangenehme moralische Überlegenheit, wenn sie die vermeintlich Seriösen in unserer Welt als Clowns „degradiert“. Nur damit das Schaffen der Clowns, das im Witz als seriös daherkommen, einem selbst nicht so weh tut.
Welches Bild haben die Jurys von unseren Komiker:innen? Nur wenn die Seriösen wie Clowns agieren, gestehen sie den Komiker:innen zu, dass sie politisch sind? Waren sie vorher unpolitisch? Es ist argumentativer Unsinn! Und zugleich ist es bedenklich, für wie unpolitisch so manche:r die Komik hält. (Moritz Post)