Es gibt nichts, was es nicht gibt

Was wollen Weltraum-Roboter mit König Arthurs Schatz? Anthony Hopkins sucht die Antwort in der verwegen-absurden Collage "Transformers 5: The Last Knight".
Hollywood hat über viele Krankheiten schon Filme gedreht, aber es ist keine neue Erkenntnis, dass einige seiner Produkte selbst zum Doktor müssten. Die Filme von Blockbuster-Regisseur Michael Bay zum Beispiel leiden nicht selten unter ADHS. Ganz besonders dieser: Die kurze Aufmerksamkeitsspanne, die er jedem Handlungselement von „Transformers 5“ widmet, lässt sich klar bemessen. Die durchschnittliche Einstellungslänge beträgt etwa vier Sekunden, die längste durchgehende Kameraaufnahme etwa elf. Das ist umso bedauerlicher, als die Szenen einige der aufwendigsten Computeranimationen zeigen, seit es diese Technik gibt. Und von einem für sich genommen bewundernswerten, wenn auch völlig uneinheitlichen Stilwillen zeugen. Aber natürlich sagt es schon einiges über diesen Film aus, dass der Kritiker in manchen Momenten der zweieinhalb Stunden nichts Besseres zu tun hatte, als die Länge der Einstellungen auszuzählen.
Vielleicht der kostspieligste Experimentalfilm bisher
Die zweite, angemessenere Art, diesen Film zu sehen, ist, es so zu halten wie die menschlichen Helden, die da an der Seite der Riesenroboter kämpfen, Mark Wahlberg als Tüftler Cade Yaeger, Laura Haddock als Geschichtsprofessorin mit Bond-Girl-Appeal oder das mutige Mädchen Izabella (Isabela Moner). Auf dem Höhepunkt des Geschehens, einer turbulenten Luftschlacht um den Fortbestand der Erde, lassen sie sich einfach fallen in den dreidimensionalen Filmraum.
Verlass ist unter solchen Umständen auf die blecherne Stimme vom raubeinige Transformer-Helden Optimus Prime: „Ich habe euch!“, ruft er dann und teilt sich notfalls seine eigenen Finger ab, um jemanden aufzufangen. Und wer sich als Zuschauer einfach fallen lässt in dieses merkwürdige Konstrukt, das selbst so undurchsichtig zusammengeschraubt wirkt wie ein Transformer, der ist darin am besten aufgehoben.
Wer vieles bringe, riet Goethe, werde manchem etwas bringen
260 Millionen Dollar teuer, ist es vielleicht der kostspieligste Experimentalfilm bisher und ein unerkanntes Juwel des surrealistischen Kinos. Jedenfalls kann man sich gut vorstellen, dass André Breton, Max Ernst oder Salvador Dalí ein Herz hätten für Roboter mit metallenen Bärten, für die Aussicht, dass die schöne Erde für das Überleben der Transformer-Heimat Cybertron geopfert werden und ausgerechnet ein versteckter Schatz aus der Zeit von König Arthur dies verhindern könnte. Und dass ein gewaltiges U-Boot wie von Jules Vernes erdacht dabei eine Rolle spielen könnte, gestaltet im barocken Industrie-Stil alter Illustrationen von „20 000 Meilen unter dem Meer“. Fehlte noch ein abenteuerlustiger englischer Lord, der Vergangenheit und Zukunft zusammenträumt, lustvoll verkörpert von Anthony Hopkins. Ja, auch er passte noch hinein. Nur eine nacherzählbare Geschichte, pardon, ließ sich hier nicht destillieren.
Wer vieles bringe, riet Goethe, werde manchem etwas bringen, so aber hat er sich die Sache wohl nicht vorgestellt. Es gibt in diesem Sammelsurium nichts, was es nicht gibt, und einen guten Teil kriegt man nicht einmal mit. Den Eindruck von kreativem Chaos verstärkt noch die technische Materialschlacht: Die meisten Szenen wurden auf hochauflösendem Imax-Format gedreht, doch beim Zusammenschnitt vergaß man offensichtlich, dass einzelne Szenen in Breitwand sind und andere nicht. So legen sich immer wieder schwarze Balken an die Ränder, ein Fehler, der vielleicht im Laufe der Kinoauswertung noch ausgebessert wird.
Irgendwie aber passt auch das zum Eindruck einer verwegenen Collage. Fünfzig Jahre nach dem Sommer der Liebe brauchen wir wirklich kein LSD mehr. Es gibt ja Filme wie „Transformers 5“.
Transformers 5: The Last Knight. USA 2017. Regie: Michael Bay. 149 Min.