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„France“-Schauspielerin Léa Seydoux: „Ich möchte mich einfach nicht wie ein Produkt fühlen“

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Alles nur Inszenierung? Léa Seydoux in ihrem neuen Film „France“
Alles nur Inszenierung? Léa Seydoux in ihrem neuen Film „France“ © R. Arpajou © 3B PRODUCTIONS / MFA

Schauspielerin Léa Seydoux jagt in ihrem neuen Film „France“ dem Ruhm hinterher. Im echten Leben hält sie sich damit eher zurück. Ein Gespräch über Privatsphäre, Selbstvermarktung auf Instagram und das nachdenkliche Kino

Frau Seydoux, stimmt es, dass Sie die Hauptrolle in „France“ nicht zuletzt deswegen spielen, weil Sie selbst Kontakt zum Regisseur Bruno Dumont aufgenommen haben?

Ich hatte ihn zumindest wissen lassen, dass ich gerne mal mit ihm arbeiten wolle. Seine cineastische Vision finde ich immer ziemlich einzigartig. Er hat mal gesagt, dass er mit seiner Arbeit immer das Heilige und das Profane des Lebens gleichermaßen zeigen wolle. Für ihn gehört das beides untrennbar zusammen, weswegen seine Filme häufig zwar ein bisschen vulgär und albern sein können, aber gleichzeitig auch sehr tiefgründig und subtil. Sowohl inhaltlich als auch visuell ist seine Arbeit stets enorm facetten- und abwechslungsreich, was mich einfach immer schon sehr angesprochen hat. Deswegen bin ich sehr begeistert, dass es nun tatsächlich zu einer Zusammenarbeit kam.

Wie würden Sie denn den Film nun beschreiben? Er ist ja weder ein astreines Drama noch ausschließlich Komödie oder Satire, nicht wahr?

Ich finde, „France“ ist von allem etwas. Der Film berührt das Publikum durchaus emotional, hält es aber gleichzeitig auch auf Distanz. Und dass man ihn gar nicht so leicht beschreiben kann, ist Sinn der Sache. Bruno möchte, dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre eigenen Gedanken machen und selbst eine Haltung finden, auch zu dieser gerade anfangs so unsympathischen Titelfigur. Ist das nicht erfrischend? Denn in der Regel ist das Kino dieser Tage doch eine erschreckend passive Angelegenheit geworden. Die meisten Filme, die ich sehe, geben mir jedenfalls sehr unverblümt vor, was ich zu denken habe, ohne dass ich selbst irgendetwas tun muss.

Bislang weckte die Auswahl Ihrer Rollen den Eindruck, Sie hätten einen Hang zur Ernsthaftigkeit …

Das hat jetzt weniger mit meiner echten Persönlichkeit zu tun als mit den Rollen, die man mir anbietet. Es stimmt schon: Ich muss sehr oft sehr französisch sein, sehr melancholisch und sehr launisch. Aber Bruno meinte, er habe sofort gemerkt, wie komisch ich sei. Und mir macht es Spaß, andere auch mal zum Lachen zu bringen.

Ihre Figur in „France“ ist eine gefeierte Kriegsreporterin und TV-Journalistin. Haben Sie für die Rolle recherchiert?

Tatsächlich habe ich mich bei einer in Frankreich sehr bekannten Journalistin gemeldet und sie gefragt, ob wir uns zu einem Gespräch treffen könnten. Wir tranken dann einen Kaffee zusammen, und ich glaube nicht, dass sie wirklich verstanden hat, worum es mir konkret ging. Ich habe versucht, ihr den Film zu beschreiben, als Porträt einer Frau und ihrer Traurigkeit. Aber das war vielleicht nicht pragmatisch genug für sie. Was allerdings auch nicht schlimm war. Um eine realistische Darstellung dieses Berufes ging es bei „France“ schließlich sowieso nicht.

Zur Person

Léa Seydoux (36) ist über Frankreich hinaus als internationale Schauspielerin bekannt. Für ihre Hauptrolle in dem Drama „Blau ist eine warme Farbe“ wurde Seydoux mit einer Goldenen Palme ausgezeichnet. Ihre wohl bekannteste Rolle ist die des Bond-Girls Madeleine Swann, in der sie sowohl in „Spectre“ als auch in „Keine Zeit zu sterben“ erscheint.

„France“ ist eine Tragikomödie des französischen Regisseurs Bruno Dumont. Die Starjournalistin und Kriegsreporterin France de Meurs, gespielt von Seydoux, wird bei einem Unfall schwer verletzt - woraufhin ihr Leben fundamental aus den Fugen gerät und sie beschließt, nochmal von vorn zu beginnen. Kinostart in Deutschland ist der 9. Juni. vale

Verhandelt wird auch das Thema Ruhm. Haben Sie persönlich damit je schlechte Erfahrungen gemacht?

Nicht wirklich, aber in Frankreich geht man mit Prominenten auch anders um als in den USA oder Asien. Man kann seine Privatsphäre recht einfach schützen, und ich wurde auch noch nie von Paparazzi belagert. In meiner Freiheit eingeschränkt fühle ich mich also nicht.

Wo wir gerade beim Gegensatz von Frankreich zu den USA sind: Sie spielen immer wieder auch in Hollywood- Blockbustern und US-Produktionen mit, aber meistens eben doch in französischen Dramen oder europäischen Independent-Filmen. Fühlen Sie sich zu Hause am wohlsten?

So würde ich das auf keinen Fall sagen. Ich liebe es, mal rauszukommen und würde es ziemlich langweilig und traurig finden, immer nur in Frankreich zu arbeiten. Mir ist es zum Beispiel total wichtig, mit Regisseurinnen und Regisseuren aus anderen Ländern zu arbeiten, so wie kürzlich mit der Ungarin Ildikó Enyedi bei „Die Geschichte meiner Frau“. Und ich liebe es auch, immer mal wieder Teil eines so riesigen Abenteuers wie einem James Bond-Film zu sein. So etwas wird ja in Frankreich nicht wirklich gedreht, deswegen ist es immer eine tolle Chance, mal an den krassesten Locations auf der ganzen Welt zu drehen – und dann auch noch einen Film, von dem man weiß, dass ihn Millionen von Menschen sehen werden.

Anders als die meisten Hollywood-Stars findet man Sie nicht bei Instagram. Warum nicht?

Mir kommt es so vor, als müsste man als Schauspielerin heute immer mehr zur Geschäftsfrau werden und die eigene Marke pflegen. Darauf habe ich keine Lust, das sehe ich nicht als meinen Job. Ich hatte mal einen Instagram-Account, aber ich finde es dort furchtbar, also habe ich mich wieder abgemeldet. Auf dieses ganze Social Media-System habe ich keine Lust. Ich will weder Stereotype bedienen noch mich verbiegen.

Was genau stört Sie denn an Instagram und Co.?

Ich möchte mich einfach nicht wie ein Produkt fühlen. Oder wie eine Verkäuferin, die über Hashtags alles Mögliche an den Mann bringen muss. Ich lasse mich gerne mal für eine Werbekampagne engagieren oder in toller Mode fotografieren. Aber das dann auch noch alles selbst promoten zu müssen, ist irgendwie nicht meine Aufgabe. Außerdem langweilt es mich, dass alle meine amerikanischen Kolleginnen online scheinbar immer auf die gleiche Weise an ihrem Image arbeiten müssen: politisch sein, aber bloß auch politisch korrekt und das Richtige sagen. Mich langweilt das alles sehr. Und daran, mein Privatleben öffentlich auszustellen, bin ich erst recht nicht interessiert.

Interview: Patrick Heidmann

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