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Flüchtlingsgipfel bei „Markus Lanz“: Alle sind sich einig – Migration ist nötig

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Von: Michael Meyns

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Talkshow mit Markus Lanz am 10. Mai 2023
Talkshow mit Markus Lanz am 10. Mai 2023 © Screenshot ZDF

Tagsüber tagen Vertreter von Bund und Ländern auf dem sogenannten „Migrationsgipfel“, am Abend diskutiert Markus Lanz mit seinen Gästen.

Hamburg – Seit letztem Frühjahr kommen Flüchtlinge aus der Ukraine, vorher aus Syrien, Afghanistan, Afrika darf man nicht vergessen. Kein neues Thema also, dennoch erweckt die Politik immer wieder den Eindruck, bei jeder neuen Flüchtlingswelle aufs neue überrascht zu sein, zu improvisieren, zu lavieren, zu hoffen, dass sich das Thema schon irgendwie von selbst erledigt. So müssen sich Politiker und freiwillige Helfer im ganzen Land selbst zu helfen wissen. Zum Beispiel Tanja Schweiger von den Freien Wählern, Landrätin aus Regensburg, die bei Markus Lanz im ZDF berichtete, dass sie ein ehemaliges Kreuzfahrtschiff gemietet habe, auf dem nun Flüchtlinge untergebracht sind. Was sich luxuriöser anhört, als es ist, die Alternative wäre gewesen, eine Turnhalle anzumieten, die Kosten sind vergleichbar.

Auf Grund seiner geographisch zentralen Lage ist Hannover einer der Flüchtlings-Hotspots in Deutschland. Belit Onay, der Grüne Oberbürgermeister von Hannover, sprach bei Markus Lanz im ZDF davon, dass seine Stadt bald auf Schulden von einer Milliarde sitzen würde. Die Kosten der Flüchtlingshilfe tragen erheblich zu dieser Schuldenlast bei: Eine Halle für 2500 Flüchtlinge kostet die Stadt rund drei Millionen, aber die Höhe der zusätzlichen Gelder, die Hannover durch den heute beschlossenen Kompromiss erhalten würde, liegen gerade einmal bei zehn Millionen. Aber auch mit Geld ließen sich akute Mängel nicht beheben, denn es fehlt an Räumen und geschultem Personal in allen Bereichen.

Seltene Einheit bei Markus Lanz im ZDF

Auch Matthias Schimpf, Kommunalbeamter, der seit 1999 in der Kommunalpolitik arbeitet, sprach die zunehmende Schwierigkeit an, den berechtigten Asylanwärtern, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Es wird laviert, improvisiert, aufgeschoben. Aber die Probleme bleiben und werden immer größer. In seltener Einheit präsentierte sich die Diskussionsrunde bei Markus Lanz im ZDF, alle Gäste beklagten die Missstände bei der Unterbringung, bei der Integration, sowohl was die Sprache angeht, als auch eine wünschenswerte berufliche Einbeziehung. Ob da die eine Milliarde weiterhelfen kann, die den Ländern beim Migrationsgipfel am Mittwoch versprochen wurde? Viel wichtiger wären Konzepte, zielgerichtete Politik, aber auch Mut, die offensichtlichen Probleme anzusprechen, die durch Zuwanderung entstehen können, gerade wenn Flüchtlinge auf Gemeinden verteilt werden, die ohnehin schon in vielerlei Hinsicht überlastet sind.

Und auch der Vertreter der Berliner Politik stimmte den Klagen zu: FDP-Vizepräsident Johannes Vogel betonte bei Markus Lanz im ZDF, dass es an Kommunikation zwischen Bund und Ländern mangelte, dass in Berlin Dinge beschlossen werden, die oft wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse vor Ort nehmen. Doch statt sich um das Kleinklein vor Ort zu konzentrieren, versuchte Vogel große politische Linien anzudeuten: „Wir brauchen mehr gesteuerte Einwanderung und müssen besser werden im globalen Wettbewerb, im Kampf um Talente“ sagte er, was sich natürlich schön, richtig und wichtig anhört, aber gewiss nichts Neues ist.

„Markus Lanz“ im ZDFDie Gäste der Sendung vom 10. Mai 2023
Johannes VogelFDP-Vize
Belit OnayBürgermeister Hannover (Die Grünen)
Tanja SchweigerLandrätin Kreis Regensburg
Matthias SchimpfKommunalbeamter in Bensheim, Hessen

Und vor allem ist es eine plakative Forderung, die leichter gesagt, als in die Realität umzusetzen ist. Zumal Deutschland als Binnenland im Herzen Europas das Problem hat, dass seine Außengrenzen nicht so leicht dichtzumachen sind als bei Ländern wie Neuseeland oder Australien, denen es aus nachvollziehbaren Gründen leicht fällt, Migration zu steuern. Die Außengrenzen dichtzumachen, wie es Vogel, der Linie seines Parteivorsitzenden folgend, auch bei Lanz forderte, dürfte in Europa ein Ding der Unmöglichkeit sein, zumindest wenn man nicht ähnlich unmenschlich agieren will wie etwa ein Viktor Orbán.

Markus Lanz: Deutschland ist ein Einwanderungsland

Angesichts dieser kaum zu lösenden Probleme und Widersprüche, driftete die Diskussion zunehmend ins unkonkrete Wunschdenken über die Möglichkeit schneller Ausweisungen, sicherer Herkunftsländer und zügige Asylverfahren ab. Wenig überraschend streifte die Diskussion nun immer wieder hart an fragwürdigen Momenten vorbei. Dann, wenn etwa Tanja Schweiger von guten oder schlechten Flüchtlingen sprach oder den Teufel an die Wand malte und von afrikanischen Flüchtlingen redete, die, wenn überhaupt, nur drei Jahre Schulbildung hinter sich haben und kaum kommunizieren können.

Den moralischen Gordischen Konten zu zerschlagen, gleichzeitig selbstverständlich am Recht auf Asyl festzuhalten, nicht rassistisch zu agieren, aber eigentlich doch lieber nur Flüchtlinge aufzunehmen, die sich problemlos in den Arbeitsmarkt integrieren lassen –das gelang an diesem Abend natürlich nicht. Nur die Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und Migration notwendig ist, das scheint inzwischen bei allen angekommen zu sein. (Michael Meyns)

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