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Ein Fest für die Sinne

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Von: D.J. Frederiksson

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Der Sommelier Thomas (Martin Buch), arbeitslos und alkoholkrank, verbringt die Tage seit dem Tod seiner geliebten Frau mit Nichtstun und Schlafen.
Der Sommelier Thomas (Martin Buch), arbeitslos und alkoholkrank, verbringt die Tage seit dem Tod seiner geliebten Frau mit Nichtstun und Schlafen. © DR Sales

Die achtteilige Miniserie zeigt die in Skandinavien inzwischen üblichen skurrilen Charaktere, gruseligen Gangster und einen liebevollen Tonfall ? vor allem aber eine erstaunliche Qualität im visuellen Erzählen.

Das erste, was bei „Helden am Herd“ auffällt, ist die kluge und klare Farbdramaturgie. Die ersten Bilder der Hauptfigur Thomas und seinem sprachlosen Sohn, beide noch immer gezeichnet vom Unfalltod der Ehefrau und Mutter, sind beinahe monochromatisch, grau in grau. Sie wohnen in einer Bruchbude voller staubiger Gebrauchtmöbel in einer wolkenverhangenen, nieseligen nordischen Kleinstadt, und die Tristesse ihres Lebens könnte nicht treffender bebildert sein.

Und wie dieser graue Stillstand langsam aufgebrochen wird, auch das ist meisterlich. Inhaltlich geschieht es durch Thomas' Jugendfreund Dino, der frisch aus dem Gefängnis noch Mafiaschulden hat und deswegen mit Thomas ein Restaurant eröffnen will. Visuell verschiebt sich fast unmerklich das Licht, die Farben werden etwas wärmer. Die Bruchbude voller Schrott hat sich nicht verändert, aber in diesem neuen Licht sieht sie plötzlich aus wie ein Ort mit Potential, der nur darauf wartet, genutzt zu werden. Die Gesichter haben sich auch nicht geändert, aber die Augen der Figuren fangen an, im gelben Licht ein wenig zu leuchten – plötzlich ist Hoffnung da. Es ist eine kleine Meisterleistung des visuellen Erzählens, was in den ersten Folgen dieser Serie passiert – und wenn dann noch eine Figur mit einem roten Mantel auftritt, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat.

Dass Fernsehserien immer spielfilmiger werden, das weiß man nicht erst seit dem 90minütigen „Game of Thrones“-Staffelfinale am letzten Wochenende. Es hat vor allem mit dem Personal zu tun: Während es früher für Kinoregisseure undenkbar war, fürs platt ausgeleuchtete und langweilige Fernsehen zu arbeiten, sind seit der Serienrevolution im neuen Jahrtausend reihenweise Oscargewinner und große visuelle Meister wie Martin Scorsese, David Fincher, Walter Hill, Rian Johnson und unzählige andere auf den kleinen Bildschirm gewechselt und haben den Stil des modernen Fernsehens radikal neu geprägt.

Wenn man sich also fragt (und man wird sich unweigerlich fragen), warum diese achtteilige Miniserie so unverschämt viel besser aussieht, als man das von einer Fernsehproduktion erwarten dürfte, muss man nur hinter die Kulissen schauen. Und siehe da, der Stab liest sich wie eine Zusammenkunft der dänischen Berlinale-Alumni: Die beiden Regisseure Henrik Ruben Genz („Theis und Nico“) und Annette K. Olesen („Kleine Missgeschicke“) haben bereits Preise bei den Filmfestspielen erhalten; Kameramann Jørgen Johansson hat Lone Scherfigs ebenfalls in Berlin mehrfach preisgekrönten „Italienisch für Anfänger“ bebildert; und Autor Kim Fupz Aakeson hat für Regisseur Hans Petter Moland die beiden Berlinale-Entdeckungen „Ein Mann von Welt“ und „Kraftidioten“ geschrieben, zwei staubtrockene, melancholische Gangsterdramen mit lakonischem Humor und liebenswert-originellen Figuren.

Man sollte sich also nicht wundern, dass diese Macher sich nicht nur mit großartiger Ästhetik auskennen, sondern auch mit dem inzwischen typisch dänischen Erzähl-Tonfall, der zwischen rabiater Emotionalität und sarkastischer Distanz schwankt. Es wird niemanden überraschen, dass trotz aller Lichtveränderung auch am Ende der acht Folgen (die arte in zwei Blöcken à vier Stunden in dieser und nächster Woche ausstrahlt) noch längst kein knallbuntes Farbspektakel herrschen wird. Dies ist immer noch eine skandinavische Produktion, und nach der Hoffnung kommt immer erstmal die Arbeit, die Enttäuschungen, die immer neuen und immer höheren Hürden – und ein Happy End heißt manchmal nur, dass man endlich die Probleme der Vergangenheit aufarbeitet. Aber nach acht Folgen ist man trotzdem glücklich: Man hat diese Figuren kennen- und lieben gelernt, und man hat ein weiteres Beispiel für herausragendes dänisches Serienmachen gesehen.

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