Die Farbe des Geldes

Tom Cruise spielt in "Barry Seal" einen Drogenkriegs-Gewinnler. Es ist ein Tom-Cruise-Film von Anfang bis zum Schluss.
Zu Hollywoods Glanzzeiten sprach das Publikum von einem „John-Wayne-Film“ oder einem „Charlton-Heston-Film“, ganz gleich wer dabei Regie führte. Heute gibt es nur noch wenige Stars, bei denen dies so ist und deren Namen größer als die Filmtitel auf den Plakaten stehen (wo hängen überhaupt noch Filmplakate?). Tom Cruise ist einer von ihnen, und ob das nun etwas Gutes oder Schlechtes ist: Doug Limans Biopic über den Waffen- und Drogenschieber Barry Seal, der in den Achtzigerjahren unter den Augen der US-Regierung Millionen scheffelte, ist ein Tom-Cruise-Film von Anfang bis zum Schluss.
Einer der reichsten Männer Amerikas
Tatsächlich beginnt der Mann seine kometenhafte Karriere nur wenig später als der Flugkapitän und Glücksritter, der Ende der Siebzigerjahre der CIA durch eine leichte kriminelle Ader auffällt. Wer bei seinen Linienflügen so lässig kubanische Zigarren durch den Zoll schmuggelt, der kann, schlussfolgern die Behörden, sicher auch Waffen an die Contras nach Nicaragua liefern. Schnell stellt er fest, dass sich die militanten Feinde der sozialistischen Regierung viel weniger fürs Kämpfen als fürs Koksen interessieren und mit dem Drogenhandel eng verbandelt sind. Mit seiner von der CIA geschenkten Cessna und wohlbehütet unter dem schützenden Geheimdienstradar wird Seal eine Ein-Mann-Schmuggel-Airline und einer der reichsten Männer Amerikas.
Regisseur Liman, der schon in „Die Bourne-Identität“ und „Mr. und Mrs. Smith“ besonderes Interesse an den absurden Seiten der Spannung fand, ist hier in seinem Element: In solchen Paketen flattern die Dollarscheine ins Haus, so dass Seals Schränke aus den Nähten platzen und Löcher im Garten graben muss. Ob Seal in seinem wirklichen Leben, dem 1986 kolumbianische Drogenbosse ein Ende machte, wohl Zeit gefunden hat, sich einen Cruise-Film anzusehen, „Top Gun“ oder „Cocktail“? Immerhin verkörperte Cruise in seinen Filmen wie niemand sonst jugendlichen Unternehmergeist.
Im wirklichen Leben ähnelte Seal dem jungen Mann, dem auf der Leinwand alles zu gelingen scheint, zwar höchstens sehr entfernt; aber auch Tom Cruise sieht heute ja nicht mehr ganz so schneidig aus wie damals. Wie kaum ein zweiter verkörperte er die Aufstiegsutopien einer Jugend, die lieber reich sein wollte als politisch engagiert. Er tat es mit einem jungenhaften Augenzwinkern, was sicher dazu beigetragen hat, dass mancher die Ära des großen Ausverkaufs sozialer Ideale wie eine Lambada-Party in Erinnerung behalten hat.
Erst als er um die Jahrtausendwende in Filmen wie „Eyes Wide Shut“, „Magnolia“ und „Vanilla Sky“ spielte, wurde er als Schauspieler weithin ernst genommen. Nur verkauften sich auch diese Filme nicht so gut, weshalb er wieder ins Actiongenre zurückkehrte. Auch „Barry Seal – Only in America“ handelt von einem Mann, der nicht aus seiner Rolle kann und ihn am Ende seiner Karriere als eine zentrale Figur in der Iran-Contra-Affäre um Oliver North zeigt.
Tom Cruise spielt ihn mit einem einzigen Gesichtsausdruck, den wir schon oft bei ihm gesehen haben. Wer darin eine Reduktion seiner Möglichkeiten sieht, irrt. Es ist eine erstaunliche Leistung. Cruise trägt noch einmal die Maske des unbeschwerten Erfolgs, hinter die in den achtziger Jahren, als er so gute Filme wie „Cocktail“ und „Die Farbe des Geldes“ drehte, kaum jemand blicken wollte. Er war nicht der einzige Mann mit der eisernen Maske. Ronald Reagan regierte damals die USA, und Doug Liman ruft die widersprüchliche Moral, die er verkörperte, drastisch in Erinnerung.
Da sieht man ihn mit Nancy noch einmal aus dem Wohnzimmer vor den Drogenkartellen warnen, die man zugleich bei fatalen Interventionen in Mittelamerika zu ernähren hilft.