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„Euer Ehren“ (ARD): Im Sog des Verbrechens

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Von: Harald Keller

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Euer Ehren
Richter Michael Jacobi (Sebastian Koch) nimmt Einfluss auf Kommissarin Kirchner (Ursula Strauss). © ARD Degeto/SquareOne Productions/Mona Film/Philipp Broszsek/

Mit „Euer Ehren“ zeigt das Erste ein hochkarätig besetztes sechsteiliges Krimidrama nach einer international erfolgreichen Vorlage.

Frankfurt am Main - Der österreichische Richter Michael Jacobi (Sebastian Koch) geht seiner Aufgabe ausgesprochen gewissenhaft nach. Mit seinen Schöffen erprobt er, wie schnell sich das menschliche Auge an die Dunkelheit gewöhnt, um im Prozess eine Zeugenaussage und ein entsprechendes Gutachten angemessen bewerten zu können.

Im Rechts- und im Polizeiwesen wird Jacobi hoch geachtet. Der zuständige Minister wünscht ihn sich als Justiz-Generalsekretär, ein Amt, dem sämtliche juristischen Dienststellen unterstellt sind. Jacobi lehnt vorerst ab. Seine Haltung wird sich ändern.

„Euer Ehren“ (ARD): Die Kollision

Auslöser seines Sinneswandels ist ein Unfall seines Sohnes Julian (Taddeo Kufus). Der hatte gerade seine Führerscheinprüfung vermasselt, war aus Frust in den Zweitwagen der Familie gestiegen und auf winterlicher Gebirgsstraße mit einem Motorradfahrer zusammengeprallt. Unter Schock, bedingt auch durch einen Asthmaanfall, hatte Julian Fahrerflucht begangen, den Verletzten hilflos zurückgelassen.

Als er dem Vater von seiner Verfehlung berichtet, entscheidet der sich ohne Zögern für das Richtige: Julian soll sich stellen, er wird ihm zur Seite stehen. Auf der Polizeidienststelle aber gewahrt Jacobi, wer das Unfallopfer war: Zlatan Sailovic ((Niko Lukic), der Sohn ausgerechnet des serbischen Clanchefs Radan Sailovic (Marek Wlodarczyk), den Jacobi unter großer öffentlicher Beachtung zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt hatte. Jacobi weiß, dass die Clan-Mitglieder vor den Familien befehdeter Gegner nicht Halt machen. Mit Racheakten ist auch in diesem Fall zu rechnen. Julian würde das Gefängnis vermutlich nicht überleben.

Geistesgegenwärtig ändert Jacobi seine Absicht und meldet den Unfallwagen als gestohlen. Das Fahrzeug muss schnellstens verschwinden. Ein alter Freund Jacobis, mittlerweile beim Zoll tätig, hat die nötigen Verbindungen zu einem Autodieb. Doch der Plan geht schief. Der vorbelastete junge Mann wird von der Polizei angehalten.

„Euer Ehren“ (ARD): Der Irrtum

Zunächst wird ihm nur der Autodiebstahl zur Last gelegt. Doch bald erkennen die Ermittler den Zusammenhang mit der Fahrerflucht. Jacobi will helfen, verschafft dem Beschuldigten eine ihm gut bekannte exzellente Anwältin, verschweigt ihr aber die Zusammenhänge. Er löhnt die Familie des jungen Strolchs, damit der den Mund hält. Und rutscht immer weiter ab vom Pfad der Gerechten.

Der erfahrene Richter glaubt, er sei wie seit langem gewohnt auch jetzt Herr des Verfahrens. Er irrt. Erst hält die Polizistin Gabriele Kirchner (Ursula Strauss) den Autodiebstahl für eine Bagatellangelegenheit, erkennt dann aber einige Unstimmigkeiten. Ähnlich ergeht es der jungen Verteidigerin. Und auch die Serben sind nicht untätig, wollen den unbekannten Unfallfahrer finden und Rache üben. Sie vermuten den vorsätzlichen Anschlag einer im Rauschgifthandel konkurrierenden Bande; ein weiterer Konflikt tut sich auf und führt zu immer neuen Verwicklungen.

Aus London, wo sie als Unternehmensberaterin tätig ist, ist Arija Sailovic (Paula Beer) herbeigeeilt, die Schwester Radans, der im Koma liegt. Ihr Vater hatte sie aus den kriminellen Geschäften des Clans heraushalten und ihr den Weg in die Ehrbarkeit ebnen wollen. Wieder so ein Plan, der durch die Ereignisse ins Wanken gerät.

„Euer Ehren“ (ARD): Das Vorbild

„Euer Ehren“ (ARD) ist die deutsch-österreichische Version der preisgekrönten israelischen Serie „Kvodo“, erdacht von Shlomo Moshiah und Ron Ninio (auch Regie), umgesetzt von einem sechsköpfigen Autorenteam. Die deutsche Bearbeitung oblag David Möhring und David Nawrath (auch Regie). Die hiesige Adaption ist nicht die erste. „Kvodo“ wurde als Format in zahlreiche Länder verkauft, nach Indien, Frankreich, Russland. In Deutschland bereits bekannt ist die US-Version „Your Honor“ mit Bryan Cranston in der Hauptrolle. Die Bücher dieser Serie stammen von dem schottischen Bühnen- und Drehbuchautor Peter Moffat, der die ursprüngliche Geschichte um einiges epischer anlegte, die Erzählung beispielsweise schon vor dem fatalen Unfall beginnen lässt.

David Möhring und David Nawrath halten sich im Vergleich enger an das Original. Manche Szenen, selbst einige Bildeinstellungen werden übernommen. Dennoch gibt es auch hier eigenständige Zutaten, die sich schon allein aus der Anpassung an die veränderten sozialen und geografischen Verhältnisse ergeben. Wesentliche Szenen von „Kvodo“ spielen in der Wüste. In „Euer Ehren“ sind die Protagonisten umgeben von nächtlichem oder kaltblauem Licht, symbolisch eingekesselt in einer von der Sonne verlassenen Gebirgslandschaft, aus der ein Entkommen so wenig möglich scheint wie aus der verfahrenen Situation, in die sich Vater und Sohn Jacobi manövriert haben.

„Euer Ehren“ (ARD): Die neue Generation am Abzug

Mit Arija Sailovic wird ein starker Frauenpart eingeführt, eine junge Frau, die dem Gangstermilieu bereits entkommen war, doch wieder in den Sog des Verbrechens gerät und die Führung übernimmt. Dieses Handlungsmoment, das bezüglich Arijas etwas abruptem Karrierewechsel eine stärkere Vertiefung verdient hätte, erinnert leise an Michael Corleones Stellung in Francis Ford Coppolas „Der Pate“. Der Mafia-Klassiker könnte auch Inspiration gewesen sein für die Sequenz einer gewaltreichen Tabula-rasa-Aktion zwischen den verfeindeten Banden.

Zur Sendung

„Euer Ehren“, 9.4. ab 20:15 Uhr und 10.4. ab 21:45 Uhr in Das Erste und bereits in der ARD-Mediathek.

Eine Verflachung ist hinsichtlich des Subtextes zu beobachten, den sowohl die israelische Originalfassung wie die US-Adaption aufweist. In „Kvodo“ ist es das Verhältnis zwischen Juden und Arabern, in „Your Honor“ der alltägliche und der institutionelle, namentlich der polizeiliche Rassismus gegenüber der schwarzen Bevölkerung.

Die Handlungsführung von „Euer Ehren“ weist zudem ein paar kleinere Unebenheiten auf, insgesamt aber ist hier ein spannender Sechsteiler gelungen, in dem Krimielemente und klassisches Drama überzeugend zusammengeführt wurden und bei dem, wie beim Vorbild, eine Fortsetzung bereits angelegt ist.

Eine Leistung, bei deren Bewertung die ursprünglichen Urheber, wie es manchmal bei deutschen Fernsehpreisen geschieht, angesichts vieler Übereinstimmungen nicht übersehen werden sollten. (Harald Keller)

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