Einladung zum Schwelgen

Die Aura der großen Garderoben, die gesprochenen und nicht gesprochenen Sätze der Siegerinnen: Eine höchst ansehnliche Ausstellung im Museum für Film und Fernsehen in Berlin widmet sich den Oscar-Gewinnerinnen in Wort und Bild.
Von Susanne Lenz
Luise Rainer soll ihren Oscar als Türstopper benutzt haben. Sie war die einzige Deutsche, die die Auszeichnung je bekam, allerdings erst als sie Deutschland bereits verlassen hatte – sie war Jüdin – und in Hollywood gelandet war. Bei ihrem Umzug nach London schenkte sie den Oscar dann angeblich einem Möbelpacker. Doch über diesen pietätlosen Umgang mit der begehrtesten Trophäe in der Welt des Films schweigt die Ausstellung „Best Actress – Oscars“ im Berliner Museum für Film und Fernsehen.
Man kann aber auch mit einiger Sicherheit sagen, dass Luise Rainer die absolute Ausnahme war. Als die Kuratoren Susan Sarandon fragten, ob sie ihre goldene Statue der Berliner Schau zur Verfügung stellen würde, sagte diese zwar ja, als es jedoch um die Summe ging, mit der die Auszeichnung versichert werden solle, war sie ratlos. Der Wert? Unschätzbar!
Die Academy Awards haben einen hohen Glamourfaktor. Die Auszeichnungen erschaffen Stars, sie huldigen ihnen. Und das tut auch die Ausstellung. Sie verbeugt sich vor den 73 Schauspielerinnen, die seit 1929, als zum ersten Mal Oscars verliehen wurden, als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurden. Unter ihnen Grace Kelly, Audrey Hepburn, Anna Magnani, Liz Taylor, Bette Davis, Meryl Streep, Halle Berry. Sie tut das mit Hilfe von Originalkostümen, Fotos, Plakaten und Filmausschnitten.
Es ist eine Einladung zum Schwelgen, man sollte unbedingt mehrere Stunden Zeit mitbringen, eher wird man sich nicht losreißen können.
Zu sehen ist etwa ein Kleid, das Vivien Leigh in dem Melodram „Vom Winde verweht“ aus dem Jahr 1939 trug. Arm in Arm mit Clark Gable spazierte sie darin über die Ländereien ihres Gutes Tara. Und nun liegt es hinter Plexiglas in Berlin. Weiter Ausschnitt, enges Mieder, ausladender bodenlanger Rock aus naturfarbene Gaze mit schilfgrünen Bändern. Man spürt seine Aura.
Magie, die nicht mehr gibt
Doch es liegt nicht an der Opulenz des Kleides, denn gleiches gilt auch für das strenge dunkle Kostüm, das Ingrid Bergman in „Das Haus der Lady Alquist“ („Gaslight“) trägt. Diese Garderobe wurde von einem Star getragen, daher rührt jener Glanz, der von diesen Stücken ausgeht. Es ist eine Magie, die es nicht mehr gibt. Fast möchte man sagen, dass es keine Stars mehr gibt, die diesen Namen zu Recht tragen, auch das vermittelt diese Ausstellung.
Das Museum für Film und Fernsehen hat die Ausstellung vom Kinomuseum in Turin übernommen, aber einiges verändert. So sind die Kuratoren von der Chronologie abgewichen und haben die Preisträgerinnen in Kategorien eingeteilt. Frances McDormand, die eine Polizeichefin in „Fargo“ spielt, oder Helen Mirren als britische Königin in „The Queen“ finden sich etwa in der Abteilung „Mächtig und streng“.
„Fleißig und kämpferisch“ sind Jane Fonda in „Klute“ und Julia Roberts in „Erin Brokovich“. Es gibt auch die Rubrik „Weise und erfahren“, doch sind die Oscar-Chancen für Frauen über 40 traditionell begrenzt.
Neu ist, dass seit einiger Zeit Schauspielerinnen ausgezeichnet werden, die böse und aggressive Frauen verkörpern. Charlize Theron erhielt einen Oscar für ihre Serienmörderin und Prostituierte in „Monster“, das war 2004, Kate Winslet wurde 2008 für ihre Hanna Schmitz, eine ehemalige KZ-Aufseherin, in „Der Vorleser“ ausgezeichnet. Ist das ein Zeichen von Emanzipation?
Nicht mehr als 45 Sekunden
Die Übertragung der Oscar-Zeremonie im Fernsehen ist nach wie vor ein Zuschauermagnet, in diesem Jahr war rund eine Milliarde Menschen in 200 Ländern dabei. In der Ausstellung sind historische Ausschnitte aus diesen Übertragungen zu sehen. Ein Gerät aus den 50er-Jahren, davor ein zeitgenössischer Sessel für Aufzeichnungen aus jener Zeit, für die 70er-Jahre hat man einen Kordsessel aufgetrieben, einen Schwinger mit Leinenbezug für die 90er.
Auf einer Kinoleinwand, vor der man auf einer Reihe hölzerner Klappsitze sitzt, laufen Zitate aus Dankesreden. Wie sie sich gleichen. „Die Aufregung dieses Momentes hält mich davon ab, zu sagen, was ich wirklich fühle“, sagte etwa Grace Kelly („Ein Mädchen vom Lande“, 1955). Und Jane Fonda: „Es gibt viel zu sagen, und ich werde es jetzt nicht tun.“
Manche nutzen die Rede, die seit 2010 nicht länger als 45 Sekunden dauern darf, für ein politisches Statement. „Ich bete um den Tag, an dem wir unsere Unterschiedlichkeit nicht nur akzeptieren, sondern an dem wir sie feiern“, sagte Hilary Swank („Boys Don’t Cry“ 2000, „Million Dollar Baby“, 2005). Und Halle Berry („Monster’s Ball“, 2001) verkündete, dass sich mit der Auszeichnung an sie „eine Tür für jede farbige Frau“ geöffnet habe.
Ob Cate Blanchett der Applaus verlegen gemacht hat? „Setzt euch, ihr seid zu alt zum Stehen“, rief sie dem Publikum zu.
Katharine Hepburn, die Schauspielerin mit den meisten Oscars – sie bekam vier – , sagte vier Mal gar nichts. Sie blieb nämlich jeder Verleihung einfach fern.
Museum für Film und Fernsehen, Berlin: bis 1. Mai. www.deutsche-kinemathek.de