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„Die Anstalt“ (ZDF): Die schiere Unmöglichkeit, Polizeigewalt zur Anzeige zu bringen

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Von: David Segler

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Max Uthoff und Claus von Wagner nehmen das deutsche Polizeiwesen unter ihre satirische Lupe.
Max Uthoff und Claus von Wagner nehmen das deutsche Polizeiwesen unter ihre satirische Lupe. © Screenshot ZDF

Die Anstalt widmet der Polizei eine Sendung und zeigt dabei treffend auf, wie Menschen in diesem Land kriminalisiert werden.

Frankfurt - Ende Februar hat das Bundesverfassungsgericht die weiteren Ermittlungen im Fall Oury Jalloh eingestellt. Obwohl die Faktenlage eigentlich völlig klar ist, wird dieser Fall wohl nie zu einem angemessenen Abschluss kommen.

Knapp drei Wochen später widmet die erste Ausgabe der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ im neuen Jahr eine ganze Sendung dem Thema Polizei, der Fall Oury Jalloh wird dabei aber bemerkenswerterweise gar nicht erwähnt. Aufmacher der Sendung ist die massive Polizeigewalt gegenüber den Demonstrierenden in Lützerath Mitte Januar. Den Einstieg macht das Video mit dem sogenannten „Mönch von Lützerath“, der fröhlich um Polizist:innen herumtanzt, die mit ihrer schweren Ausrüstung im Schlamm stecken bleiben, der Clip hatte im Zuge der Demo große mediale Aufmerksamkeit bekommen.

„Die Anstalt“ im ZDF: Max Uthoff alias Friedrich Merz spricht in Berlin-Neukölln vor

Danach wechseln sich Uthoff und von Wagner mit ihren Gästen als „Good Cop“ und „Bad Cop“ ab – schließlich hatten sie zu Beginn eine ausgewogene Sendung versprochen. Doch sie stellen klug heraus, dass eine Ausgewogenheit kaum möglich ist. Denn die Politik definiert die Rechtslage, was Polizeiarbeit betrifft. Die größten Blöcke nehmen in der Sendung die Clan-Kriminalität und die fast unmögliche Verfolgung und Verurteilung von Polizeigewalt ein.

Thema Clan-Kriminalität: Da wird eindringlich aufgezeigt, wie hier Statistiken zurechtgestutzt werden, um zu suggerieren, dass es ein großes Problem mit Clans in Deutschland gäbe. Dabei macht die Clan-Kriminalität in Berlin gerade mal 0,81 Prozent der Kriminalität aus. Schon ein falscher Nachname oder die ähnliche Schreibweise eines Nachnamens, der in der Clan-Statistik gelistet ist, kann hier dazu führen, dass man ebenfalls unter Beobachtung steht.

Razzien beispielsweise in Barbershops oder Shisha-Bars runden die desaströse – aber von der Politik so gewollte – Vorgehensweise ab. Dahin findet die „Anstalt“ im letzten Akt nochmal zurück, als Friedrich Merz (wie immer herrlich treffend: Max Uthoff) sich in Berlin-Neukölln selbst erkundigen will, wie es zu den Problemen in den Stadtteilen kommt. Die eindeutige Antwort: Jahrelange Unionspolitik, die durch ihr Prinzip der „Duldung“ vielen Menschen verbietet zu arbeiten, zu wählen oder zu heiraten.

„Die Anstalt“ im ZDF über die Unmöglichkeit, Polizeigewalt zur Anzeige zu bringen

Nicht neu, aber in der verdichteten Darstellung erschreckend ist auch die schiere Unmöglichkeit, Polizeigewalt zur Anzeige zu bringen. 90 Prozent der Anzeigen werden von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen. Damit beispielsweise die GDP auf ihre Statistiken kommt, nach denen es um ein Vielfaches mehr Angriffe auf Polizist:innen gibt, als dass von ihnen Gewalt ausgeht, gilt in der Rechtslage folgender Kniff: Schon ein heftiges Kopfnicken eines Demonstrierenden kann da als angedeutete Kopfnuss gelten – und somit ein tätlicher Angriff auf einen Beamten.

Tragen vier Beamte eine Person von der Straße, die sich dort festgeklebt hat, wurden im Bericht später vier Beamte angegriffen, da schon das Festkleben Gewalt gegen die Polizei sei. Es wäre gute Satire, ist aber traurigerweise Realität. So wird, was doch ziviler Ungehorsam sein will, zum kriminellen Akt. Ein Problem für eine Demokratie. (David Segler)

Die Anstalt, ZDF, von Dienstag, 14. März, 22.15 Uhr. Abrufbar in der Mediathek.

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