Christian Lindner im ARD-Sommerinterview: „Wer AfD wählt, sorgt für Schwarz-Grün“

Der FDP-Vorsitzende präsentiert beim Sommerinterview im Ersten seine Vorstellungen – und redet um die Widersprüche wortreich herum. Die TV-Kritik.
Er will Finanzminister werden. Und macht sich große Hoffnungen, dass es klappt. Denn er hält die Frage nach dem Wahlsieger am 26. September für entschieden. Ein länger eingeblendetes Bild beim ARD-Sommerinterview zeigte Christian Lindner beim innigen Handschlag mit CDU-Chef Armin Laschet. Wenn ihm das mal nicht noch auf die Füße fällt...
Aber Christian Lindner ist von Beruf Optimist und glaubt an die Möglichkeit, ins Kabinett einer schwarz-grün-gelben Koalition einzuziehen, Jamaika im zweiten Anlauf sozusagen. Interviewer Matthias Deiß ersparte ihm die Frage nach dem ersten Mal, bei dem Lindner in letzter Minute kniff. Eine Ampel will er nicht, schloss sie aber vorsichtshalber nicht aus. Es gebe da „keine hinreichenden Gemeinsamkeiten“, was er zu bekräftigen versuchte, indem er immer mal wieder gegen die Grünen schoss. Und wer wolle, dass Deutschland weiterhin aus der Mitte regiert werde, „darf Schwarz-Grün nicht alleine lassen“.
Also betonte der Freidemokrat, seine „Gestaltungsfreude“ wachse. Wie er die verwirklichen will, hat er in schier zahllosen Fernseh-Auftritten dargelegt. So will er die Schuldenbremse einhalten, aber zugleich keine Steuererhöhungen und dabei auch noch den Solidaritätszuschlag komplett abschaffen (geschätzte Kosten für die Staatskasse: zehn Milliarden). Sparen will er, indem er die „Ausgaben-Wünsche von Politikern“ zurückweise. Diese plumpe Polemik ließ ihm Deiß, ansonsten um klare Fragen bemüht, durchgehen. Denn Politiker:innen wie Bildungsministerin Karliczek oder ihre Kollegen Seehofer und Spahn würden sich gewiss verbitten, dass die notwendigen Investitionen in Luftfilter für Schulen, bessere digitale Infrastruktur, bessere Bezahlung von Pflegekräften oder wirksameren Katastrophenschutz als „Ausgaben-Wünsche“ diffamiert würden.
FDP-Chef Lindner redet im ARD-Sommerinterview wortreich um Widersprüche herum
Auch bei anderen Themen redete Lindner wortreich um seine Widersprüche herum, etwa als Deiß ihm eine Statistik vorhielt, dass die FDP die Partei der Besserverdienenden sei. Er wolle private Investitionen ermöglichen, so Lindner; aber wo bitte soll die zugeschaltete Friseurin, die danach gefragt hatte, privat „investieren“ – in Trockenhauben? Es ist eben das alte Lied, das die Wirtschaftsliberalen singen: Gebt der Wirtschaft und die schafft Arbeitsplätze und damit Wohlstand. Lindner nannte das „Wirkungszusammenhang“. Der massenhafte Abbau von Arbeitsplätzen passt in diesen Zusammenhang aber irgendwie nicht hinein.
Name | Christian Wolfgang Lindner |
Partei | FDP |
Position | Bundesvorsitzender |
Alter | 42 Jahre (7. Januar 1979) |
Geburtsort | Wuppertal |
Ähnlich an der Wirklichkeit vorbei geht der FDP-Vorschlag (den auch CDU-Mann Friedrich Merz gemacht hatte), das Rentensystem mit Aktien als zusätzlicher Säule zu verbessern. Schweden sei da ein Vorbild. Dass Aktien auch fallen können, musste sich der Möchtegern-Finanzminister von einer Freiburger Studentin sagen lassen. Und für eine Erwähnung oder gar Diskussion des österreichischen Modells, wo auch die Beamten einzahlen, bleibt in so einer kurzatmigen Sendung wie dem Sommerinterview kaum Zeit.
Bericht aus Berlin – Das Sommerinterview mit Christian Lindner
ARD, von Sonntag, 25. Juli, 18.05 Uhr. Abrufbar in der ARD-Mediathek.
FDP-Vorsitzender Lindner: Keine Einschränkungen mehr für Geimpfte, Genesene und Getestete
Dass der Porschefahrer Lindner sich beim Thema Mobilität nicht auf den Abschied vom Verbrenner-Motor festlegen mochte und als Alternative die (vermutlich erst in einigen Jahren) synthetischen Kraftstoffe ins Spiel brachte, verwundert ebenso wenig wie sein Plädoyer für eine „marktwirtschaftliche Entscheidung“ über die Zukunft der Antriebsenergie – ohne Erwähnung der so gar nicht marktwirtschaftlichen Betrügereien der großen Automobilkonzerne in den vergangenen Jahre.
Klar war Lindners Haltung zu Corona: Für doppelt Geimpfte, Genesene und negativ Getestete dürfe es keine Einschränkungen geben.
Und immerhin bekam der Politiker gegen Ende des Gesprächs Gelegenheit, sich auch klar von der AfD zu distanzieren, als ARD-Mann Deiß ihn fragte, wer der letzte FDP-Ministerpräsident war. Reinhold Maier, wie Lindner glaubte, war es nicht. Sondern ein Herr Kemmerich, der sich in Thüringen mit AfD-Stimmen hatte wählen lassen. Deiß‘ Frage empfand Lindner offensichtlich als unfair. Er rief dazu auf, die AfD nicht zu wählen, aber unter anderem mit einer pikanten Begründung: Wer AfD wähle, sorge für Schwarz-Grün... (Daland Segler)