Bühne frei für Schmidt und Steinbrück

Zwei alte Weggefährten der Sozialdemokratie gemeinsam bei Günther Jauch: Bei so vertrauter Geselligkeit vergaß der Moderator zuweilen, entschieden nachzuhaken – etwa, als Schmidt Chinas Entwicklung würdigte und nicht den Eindruck machte, als störe ihn der Mangel an Demokratie dort sonderlich.
Von Marcus Bäcker
Es dauerte stolze acht Minuten, dann erst zog das erste zarte Rauchwölkchen durch den Gasometer in Berlin. Fast hatte man sich Sorgen gemacht, Helmut Schmidt sei unerwartet zum Nichtraucher mutiert, doch derartige Überraschungen hatte die Gesprächsrunde mit dem Altkanzler, dem Vielleicht-demnächst-Kanzler Peer Steinbrück und Gastgeber Günther Jauch nicht zu bieten. Schmidt rauchte weiter, schnupfte Tabak und durfte nach weiteren 41 Minuten die Frage beantworten, auf die alle gewartet hatten, obgleich die Antwort niemanden mehr überraschen konnte: Ja, er halte Steinbrück für den geeigneten Kanzlerkandidaten der SPD, erklärte der 92-jährige. Gerade in der derzeitigen Krise brauche es Politiker, die wüssten, worüber sie redeten. „Und er ist einer von denen, die wirklich wissen, worüber sie reden.“
Schmidt und Steinbrück, sie kennen sich schon lange. Steinbrück war Hilfsreferent im Kanzleramt, als Schmidt Kanzler war. Am Donnerstag erscheint nun das gemeinsame Buch der beiden, und an dem arbeitete sich Jauch in dieser Fernsehstunde sorgfältig ab. Auf tagespolitische Details verzichtete er ganz, zur Euro-Krise durften Steinbrück und sein Mentor all das sagen, was sie schon seit Wochen dem Volk mitzuteilen haben. Das war nicht wirklich aufregend, hatte aufgrund der im Gasometer versammelten rhetorischen Brillanz aber durchaus etwas Unterhaltsames. Leider vergaß Jauch bei so viel Geselligkeit zuweilen, entschieden nachzuhaken – etwa, als Schmidt die wirtschaftliche Entwicklung Chinas würdigte und nicht den Eindruck machte, als störe ihn der Mangel an Demokratie dort sonderlich: „Es soll jeder nach seiner Fasson glücklich werden.“ Ob das auch für chinesische Dissidenten gilt, wäre doch mal eine interessante Frage gewesen.
Immerhin interessierte sich Jauch für die Mitschuld der SPD an der Krise der EU und ihrer Währung, was man ja im Zweifelsfall als kritische journalistische Haltung interpretieren kann – möglicherweise aber auch bloß als Versuch, die beiden Chefkritiker ihrer eigenen Partei ins Rollen zu bringen. Doch darauf ließen sie sich nicht ein, immerhin muss Steinbrück ja erst mal SPD-Kanzlerkandidat werden, bevor er Kanzler werden kann. Nachdem Jauch gleich zweimal grandios daran gescheitert war, Steinbrück zu einem beherzten „Ja, ich will“ zu bewegen, ging es in den letzten Minuten der Sendung dann nur noch ums Anekdotische und Menschliche. Wie Schmidt es schaffe, mit 92 noch derart klar im Geiste zu sein? „Mann muss ständig gearbeitet haben“, erklärte der Altkanzler. „Und vor allem braucht man Zigaretten.“