1. Startseite
  2. Kultur
  3. TV & Kino

Schauspieler Ben Becker: „Es ist ja nur so komisch, weil ich das alles so ernst nehme“

Erstellt:

Von: Daniel Kothenschulte

Kommentare

Ben Becker malt. Foto: Picture Tree International
Ben Becker malt. © Picture Tree International

Ben Becker spricht im Interview über seine Rolle als Albert Oehlen in dessen filmischem Selbstporträt „Der Maler“.

Künstlerporträts sind ein dokumentarisches Genre für sich. Man sieht sie längst nicht nur im Kino, wie den weltweit erfolgreichen „Gerhard Richter Painting“ von Corinna Belz. Museen produzieren inzwischen eigene Dokumentarfilme zu großen Ausstellungen und in der arte-Mediathek gibt es ständig Nachschub. Ähnlich zoologischen Expeditionsfilmen protzen sie mit Nahaufnahmen des Werdens und Vergehens, abgetrotzt der Gunst des Augenblicks und des Wohlwollens seltener Koryphäen. Oft liebäugeln ihre Macher heimlich mit jener Mischung aus Geheimnis und Enthüllung der großen Künstlerdramen des Spielfilms wie Vincente Minnellis unübertroffenem Van-Gogh-Epos „Ein Leben in Leidenschaft“.

„Der Maler“ macht diese Konventionen zum Thema, wenn sich Albert Oehlen für sein vermeintliches Selbstporträt Oliver Hirschbiegel, den Regisseur großer Geschichtsdramen wie „Der Untergang“, und Schauspieler Ben Becker ins Atelier holt. Den ganzen Film über malt Becker dabei an einem Bild, das dabei nicht nur besser wird. Jeder Pinselstrich aber erfährt durch Beckers Improvisationskunst eine Kommentierung, nach der jeder Dokumentarfilmer giert. Da Becker schon bei öffentlichen Performances die Rolle spielte, musste man ein Genre-typisches Podiumsgespräch mit dem Kurator Cornelius Tittel nur noch einschneiden. Das Ergebnis ist ein Künstlerfilm, wie es ihn noch nie gegeben hat. Das Ähnlichste, was es dazu gibt, sind Fotos, die Picasso mit dem Fotografen Brassaï von sich inszenierte, wobei der Filmstar Jean Marais als Modell mitwirkte. Wir sprachen mit dem 58-jährigen Ben Becker über diese Rolle.

Herr Becker, wie kam es denn dazu, dass sich Albert Oehlen darstellerisch von Ihnen vertreten ließ?

Ich hab den Albert vor über zehn Jahren in Österreich näher kennengelernt. Während meiner Salzburger Zeit, da hat er mich wohl irgendwie mal beobachtet. Unsere erste Zusammenarbeit war in einem Ausstellungshaus in London. Ich glaube: Barbarian Gallery.

Oder Barbican?

Barbican, genau da. Da habe ich für ihn gemalt, in real time. Sechs Stunden, öffentlich mit einer Simultanübersetzerin. Das war der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit und auch sehr, sehr komisch. Dann habe ich auch als Albert Oehlen angefangen, Podiumsdiskussionen zu geben, zum Beispiel im Sprengel-Museum in Hannover. Dann habe ich in Venedig öffentlich im Palazzo Grande für ihn gemalt, das war ganz toll. Auf der Straße hat man mich sogar als Albert Oehlen um Autogramme gebeten! Das Erfolgsding ist das: Es ist ja nur komisch, weil ich das so ernst nehme. Weil da eine so ernsthafte Auseinandersetzung stattfindet mit der Arbeit als solcher. Ich kann so viel Blödsinn erzählen, wie ich will, warum ich Träume male, oder was habe ich schon einen Schwachsinn von mir gegeben: dass ich aus der Forstwirtschaft komme und mein Vater auf Wildschweine geschossen hätte. Und dass ich hätte mitgehen müssen und wie furchtbar das dann war, wenn er Bäume fällte. Und dass ich deshalb traumatisiert bin bis heute und mich mein künstlerisches Schaffen auch immer wieder in die Natur zurückdrängt. Ich fing dann an zu lachen und habe es als Weinen getarnt. Weil das mit so einer großen Ernsthaftigkeit daherkam. Wenn wir das verarschen würden, hätte das nicht diese Tiefe und diese Faszination.

Sie pointieren damit ja auch einen Widerspruch in Künstlerdokumentarfilmen. Einerseits sollen Künstler ihre Werke sprechen lassen, andererseits aber auch bedeutende Dinge dazu sagen. Von wem kommt denn beim Dreh der Impuls, von Ihnen, von Albert Oehlen oder Regisseur Oliver Hirschbiegel?

Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben ja noch unser zweites Werk in der Mache, „Van Gogh“, das ist ein ganz buntes Meisterwerk, glaub ich. Ich könnte das nicht ohne Albert, der überrascht mich dann auch immer und lässt mich mit seiner Idee von der Leine. Bei „The Painter“ hatten wir nur einmal miteinander Ärger, da hab ich einen Pinselstrich gemacht, damit war der nicht einverstanden. Da war er ernsthaft sauer.

Wer hat denn überhaupt das Sagen, was da auf der Leinwand entsteht?

Das ist dann schon Albert. Da lass ich ihm den Vortritt. Da bin ich dann eher Ausführender. Aber dann komm ich. Also, das ergänzt sich einfach unheimlich gut. Sonst würde das auch in dieser Form nicht funktionieren. Als Malen nach Zahlen oder mit einem Drehbuch, wo das alles genau festgelegt wäre. Sonst würde die Anarchie ja nicht stattfinden.

Und was macht Oliver Hirschbiegel bei der ganzen Angelegenheit?

Also, das weiß ich auch nicht (lacht). Der Albert weiß nicht so genau, wo man eine Kamera hinstellt oder wie man sich einen Schnitt vorstellt. Oliver versucht das Ganze in geregelte Bahnen zu lenken. Das Dreiergespann funktioniert ganz gut, aber es bleibt auch immer wieder mal einer verdutzt auf der Strecke. Das hat schon was Anarchisches, alle wollen, sind aber auch diszipliniert bis zu einer gewissen Grenze. Deshalb schätze ich das auch so, daran teilhaben zu dürfen. Oder eingeladen zu sein. Das ist für mich etwas anderes als auf ein Set kommen und dann sagt jemand: Jetzt da lang! Oder: Stehenbleiben oder ich schieße. Es ist schon eine andere Art von künstlerischem Ausdruck, sonst würde mir der Beruf auch gar keinen Spaß mehr machen.

Malen Sie denn auch für sich oder nur wenn die Kamera läuft?

Ich habe immer schon so ein bisschen gemalt. Jetzt habe ich ja auch bei Albert gelernt, ohne dass ich mir etwas von ihm abgucke. Nur, dass er mir jetzt die Werkstatt eingerichtet hat, welchen Tapeziertisch und welche Unterlage ich zu benutzen habe. Und wie ich Depp meinen Pinsel denn auswaschen würde.

Nun passiert es im Künstlerdokumentarfilm sicher öfter, dass ein Bild, das vor der Kamera gemalt wird, ja auch nicht immer nur besser wird, auch misslingen kann. Bei allem Respekt: Bei Ihrem Film wird das Gemälde ja auch nicht immer nur besser …

Zur Person

Ben Becker , geboren 1964 in Bremen, ist Schauspieler, Sänger, Autor von Kinderbüchern – und nun auch noch Bildender Künstler. Becker kommt aus einer Künstlerfamilie, ist der Stiefsohn von Otto Sander und der Bruder von Meret Becker.

Bekannt wurde er durch Filme wie „Schlafes Bruder“, „Comedian Harmonists“, er spielte den Tod in Salzburgs „Jedermann“ und zuletzt in dem Dokudrama „Rex Gildo - Der letzte Tanz“.

In „Der Maler“ („The Painter“) stellt Ben Becker den Künstler Albert Oehlen dar, wie er mit einem Gemälde kämpft.

Regie beim 94 Minuten langen Dokumentarfilm führte Oliver Hirschbiegel.

Das kann wohl sein. Das Malen hat sich ja auch gezogen über mehrere Tage. Aber am Ende erzählt das Bild ja doch noch eine Geschichte. Wenn man den Film gesehen hat, das sag’ ich jetzt mal, gewinnt man das Bild dann doch lieb. Der Albert hat es ja auch nicht in den Müll geschmissen, sondern mit wertvollsten Samthandschuhen angefasst.

Und was wird aus dem Bild? Wird es ein Oehlen-Bild oder bleibt es eins von Ihnen?

Das weiß ich auch nicht, ich weiß nur: Das Bild hütet er wie seinen Augapfel.

Es gab ja von Kippenberger diese Aktion: „Lieber Maler, male mir“, gibt es da einen Bezug?

Bei Kippenberger treffen wir uns so ein bisschen. Er war sehr eng mit ihm befreundet. Und ich bin als Teenager schon in der Westberliner Szene rumgelaufen; Kippenberger hat mich da immer als „Kanallienvogel“ betitelt und mich in Kunstperformances eingebaut.

Sie bringen dieses physische Spiel ja in beide Bereiche ein, auch wenn Sie bei Rosa von Praunheim in „Rex Gildo“ den Lebensgefährten des Sängers spielen.

Das macht mir auch unheimlich Spaß. Da geht es nicht darum, den Leuten die Zeit zu vertreiben oder Musik zu machen, die beim Bügeln nicht stört. Das hat ein Anliegen, da will jemand was. Und dann bringt man sich selbst ja auch ganz anders ein. Das sind die Highlights. Ich sehe mich nicht in sowas wie „Caveman“. Wenn ich früher Filme gemacht habe mit Vilsmaier, da war noch eine gehörige Portion Enthusiasmus und Lust dabei. Deshalb finde ich es toll, wenn sich Nischen auftun.

Absolut, aber vielleicht spielen Sie trotzdem mal einen Marvel-Schurken.

Ja, das fänd ich auch. Das kann ich mir durchaus vorstellen. Ich weiß nur, dass ich mit dem Fernseh-Geplänkel mehr oder weniger abgeschlossen habe. Da müssten sie mir schon einen guten Tatort-Kommissar geben. Bei Marvel bin ich sofort dabei. Ich würde auch gern mal den Bösewicht bei James Bond spielen.

Wie muss ich mir den Van-Gogh-Film vorstellen?

Der ist bunter und mehr naturbezogen. Wir haben auf dem Land gedreht, in der Uckermark, auf Bauernhöfen. Van Gogh geht baden und malt in der Landschaft. Birgit Minichmayr spielt meine Muse. Von der krieg ich immer auf den Kopf, mit Nudelholz und so.

Aber das Ohr bleibt dran?

Ich schneid es mir nicht ab, aber es passiert schon was damit. Ich glaube, es wird mit der Post verschickt.

Danach kommt höchstens noch Picasso.

Jim Morrison hätten wir noch im Angebot.

Auch interessant

Kommentare