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Tatort in der ARD
Beschwerden über ARD-Tatort: Transpersonen morden nicht – sie werden ermordet
- vonMonika Gemmerschließen
Der ARD-Tatort „Die Amme“ schürt alte Vorurteile – und ist damit ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht von Transpersonen. Ein Kommentar.
Fast jeden Tag wird irgendwo auf der Welt eine Transperson ermordet: 331 tödliche Angriffe zählte das Projekt Trans Murder Monitoring für das Jahr 2019. Allein in Brasilien wurden 130 Trans- und Gender-diverse Personen getötet, 63 in Mexiko, 30 in den USA. 3314 Morde in 74 Staaten seit dem Beginn der Zählung im Jahr 2008. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.
Auch in Deutschland steigt die Zahl der Angriffe. Laut Bundesregierung registrierten die Behörden 2019 mindestens 564 politisch motivierte Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierungen, 147 davon waren tätliche Angriffe. Die jüngste bekannt gewordene Gewalttat gegen eine transgeschlechtliche Frau in Frankfurt ist gerade zwei Wochen her.
Trans zu sein ist nicht gefährlich. Trans zu sein ist lebensgefährlich.
ARD-Tatort „Die Amme“ reproduziert das Bild des unheimlichen Mörders in Frauenkleidern
Und trotzdem reproduziert nun ein ARD-Tatort wieder das Bild des unheimlichen Mörders in Frauenkleidern. Im Tatort „Die Amme“, der am 28. März im Ersten gezeigt wurde, schlüpft ein als männlich gelesener drogenabhängiger Mensch, der mehrere Frauen ermordet und deren Kinder entführt hat, immer wieder in einen Rock, schminkt sich, setzt eine langhaarige Perücke auf, bezeichnet sich als „Mama“ der ans Bett geketteten Kinder. Warum er das tut, bleibt unklar. Traumatische Erfahrungen in der eigenen Kindheit werden angedeutet, zum Schluss verschmilzt das Gesicht für einen gruseligen Augenblick mit dem der (mutmaßlichen) Mutter.
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ARD-Tatort „Die Amme“ schürt mal wieder Transfeindlichkeit
Vieles spricht dafür, dass der von Max Mayer dargestellte Janko im ARD-Tatort nicht trans ist. Doch darauf kommt es nicht an. Es ist nicht zuletzt die mediale Darstellung, die Transfeindlichkeit immer wieder schürt: Männer, die Frauenkleider anziehen, so die Botschaft, sind schräg, krank, gefährlich. Dass ein ARD-Tatort im Jahr 2021, mehr als 60 Jahre nach „Psycho“, dieses Bild vor mehr als 8,6 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern immer noch kolportiert, ist unverantwortlich.
Die Verantwortlichen bei ORF und ARD hätten das wissen müssen. Die Programmbeschwerde, die sich sich dafür eingehandelt haben, ist mehr als verdient. (Monika Gemmer)