Anne-Will-Talk: Die CDU-Krise und kein Ende

Anne Will fragt in ihrem Sonntags-Talk: „Politik im Krisenmodus – wer hält das Land noch zusammen?“, verzettelt sich aber mit ihrem Konzept.
- Anne Will spricht in ihrem Talk über die CDU
- Diskussion bei Anne Will: Wie hält sie es mit der AfD?
- Streit in der Runde bei Anne Will
Es war dies eine eigenartige Ausgabe der wöchentlichen Talkshow von Anne Will. Das begann schon damit, dass die Gastgeberin auf ihr „volles Haus“ hinwies und dann auch noch das „tolle Thema“ und damit sich selbst lobte. Doch zeigte der Verlauf des Abends, dass das Lob zu früh kam. Denn es gelang der Moderatorin nicht, die Sendung so zusammenzuhalten, wie deren Titel es vom Lande erhoffte.
Anne Will, ARD: Dramatische Töne von Markus Söder
Zunächst schlug Bayerns Ministerpräsident Markus Söder einen dramatischen Ton an: Die Lage der CDU sei „ernster als zur Zeit der Spendenaffäre“. Diesen Faden aufnehmend wollte Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit, eine „halbe Systemkrise“ erkannt haben. Dem widersprachen Annalena Baerbock, Chefin der Grünen, und ihre Kollegin von der SPD, Saskia Esken; schließlich habe die Große Koalition prompt reagiert auf den Skandal in Thüringen. Der FDP-Grande Gerhart Baum sah Anlass zur Warnung und erinnerte daran, dass Joseph Goebbels 1928 verkündet habe,, die NSDAP werde in den Reichstag ziehen und sich dort die Waffen der Demokraten verschaffen. „Ich sehe eine gewisse Gefahr für das Land.“
Aber er wusste auch, wie dieser Gefahr zu begegnen sei: Die Parteien sollten sich nicht mit sich selbst, sondern mit den Anliegen der Wähler beschäftigen, und deshalb „muss dieser Ramelow jetzt gewählt werden“. Ähnlich argumentierend forderte Annalena Baerbock, die Politik müsse nun tun, was ihre Aufgabe sei und führen. Seit Angela Merkels Intervention zum Wahldebakel in Erfurt und dem danach angekündigten Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer erlebt ja das Thema „Führung“ in der Politik wieder eine Renaissance.
Anne Will, ARD: Wird die CDU noch geführt?
Di Lorenzo fand denn auch Führung richtig und hielt der CDU vor, sie mache nicht den Eindruck, dass sie geführt werde. Das hat natürlich mit der den Christdemokraten derzeit allseits bescheinigten Orientierungslosigkeit zu tun. Ein Einspieler trug Belege für das Hü und Hott zusammen: Die einen kritisieren die dogmatische Abgrenzung zur Linkspartei, die anderen (im Osten) wollen mit der AfD zusammenarbeiten.
CSU-Chef Söder will weder mit den einen noch mit den anderen: Den Miesepetern von der AfD müsse man Optimismus und Lebensfreude entgegensetzen, die „spielen mit der Demokratie.“ Von der Linkspartei aber verlangt er ein „Bekenntnis“: dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Deshalb könne die CDU Ramelow nicht wählen. „Damit spielen Sie weiter das Spiel der AfD“, hielt ihm Gerhart Baum entgegen. Und in der Tat übt sich die Union ja neuerdings in Rabulistik. Auf keinen Fall könne man DDR und Nazizeit vergleichen, sagte Söder jetzt auch wieder, um im nächsten Moment eben das zu tun, indem wie üblich die Linke ausgegrenzt wird mit Hinweis auf das SED-Regime in der DDR (das die CDU-“Blockflöten“ ja ebenfalls gestützt haben).
Anne Will, ARD: Wer wird neuer CDU-Chef?
Giovanni di Lorenzo plädierte für Pragmatismus: Er sehe nicht, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU in Ostdeutschland überhaupt praktikabel sei. Söder focht das nicht an: Wenn die CDU mit der Linkspartei zusammenarbeite, „gibt es nach rechts kein Halten mehr.“ Man solle eben einen anderen Kandidaten suchen. Es könne doch nicht sein, „dass jeder mit der Tür durch die Wand geht“. Das schief geratene Bild verriet einiges über die ideologische Fixiertheit des Chef-Bajuwaren.
Darüber hätte die Runde weiter streiten können, doch Anne Will brach das Gespräch abrupt ab, weil sie recht populistisch ihre Gäste nach dem künftigen Parteichef und Kanzlerkandidaten der CDU fragen wollte. Aber von den Polit-Profis wollte sich selbstredend niemand aus der Deckung wagen. Saskia Esken verwies darauf, dass dies Sache der CDU sei; Annalena Baerbock wiederholte, dass die Politik nicht um sich kreisen sollte, und Markus Söder, einer der als Favorit Gehandelten, wollte erst einmal „Zeitachsen definieren.“ Immerhin brachte er die mögliche Trennung der Kür von Vorsitzendem und Kandidaten ins Spiel. Das wäre dann praktikabel, wenn er als CSU-Vorsitzender Kandidat würde: Damit ließ Markus Söder also offen, ob er noch seinen Hut in den Ring werfen werde.
Anne Will, ARD: Noch nie einen Bayern als Kanzler
Da hätte Anne Will nachfragen müssen, zumal Söders Spruch, dass sein Platz in Bayern sei, eher zum Nebensatz geriet. Stattdessen hörte die Moderatorin heraus, dass der CSU-Mann gegen Friedrich Merz sei, denn Söder hatte als ein Kriterium genannt, man müsse „einen progressiven Ansatz finden“, und es dürfe keinen Bruch mit Angela Merkel geben. Die sei immer noch beliebter als die aktuellen Favoriten, warf di Lorenzo zu Recht ein. Er sprach NRW-Ministerpräsident Armin Laschet die „integrierendste Wirkung“ des Quartetts zu und verwies darauf, dass noch kein Bayer Kanzler geworden sei.
Einig war man sich aber darin, dass es bis zur regulären Bundestagswahl „eine große Zeitspanne“ (Söder) sei, und man auf dieser langen Strecke „jeden demontieren“ könne, wie der Zeit-Chefredakteur glaubt. Auf jeden Fall, so di Lorenzo, werde die Entscheidung „eine giftige“ sein.
Anne Wills Talkshow nach den Hamburger Wahl landete wieder beim Desaster von Thüringen.
„Anne Will“, ARD, von Sonntag, 16. Februar, 21.34 Uhr. Infos im Netz.
Von Daland Segler
„Deutschland im Ausnahmezustand – gewinnen wir den Kampf gegen das Coronavirus?“ lautete die Frage bei „Anne Will“ am 22.03.2020 – Die Mediziner in der Runde zeichnen ein düsteres Szenario.