Anne Will: Esken sorgt mit Ampel-Aussage für Gelächter – „In 95 Prozent sind wir uns einig“

Berlin wählt am Sonntag erneut ihr Landesparlament. Mit ihren Gästen diskutiert Anne Will (ARD), warum so viele mit den regierenden Parteien unzufrieden sind.
Berlin - Berlin hat gewählt, mal wieder, diesmal (vermutlich) korrekt. Zum Thema „Berlin-Wahl, zweiter Versuch – Neustart oder weiter so?“ diskutierten Anne Will und ihre Gäste noch ein wenig im luftleeren Raum, denn einen Sieger hatte die Wahl zwar, aber dennoch kein klares Ergebnis.
Kai Wegener, der Spitzenkandidat der CDU, hat die Wahl in Berlin gewonnen, soviel stand auch vor der endgültigen Auszählung der Stimmzettel der Wiederholungswahl in Berlin fest. Ob er allerdings bald als Bürgermeister ins Rote Rathaus einziehen wird, das bleibt offen. Ein Wahl-Klau, wie die BILD vor einigen Tagen krakelte, wäre eine Koalition, die den Wahlsieger CDU nicht einbindet zwar gewiss nicht, hätte aber ein Geschmäckle.
„Muss Franziska Giffey persönliche Konsequenzen ziehen“, fragte Anne Will in der ARD, die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken wich aus, schob die Entscheidung an die Kollegen in der Hauptstadt, sagte aber auch: „Berlin hat es verdient, dass sich eine Koalition des Zusammenhalts bildet.“ Aber was bedeutet das? Gerade einmal 24 Prozent der Berliner Wähler zeigten sich in einer Umfrage mit der Arbeit des Senats zufrieden, es muss sich also etwas ändern in Berlin, soviel gestand selbst Franziska Giffey in einem Tagesschau-Interview kurz vor der Sendung zu. Omid Nouripour, Parteivorsitzender der Grünen, befand sich in der glücklichen Lage, Wandel zu fordern, damit aber eine Fortführung der rot-rot-grünen Koalition zu meinen, wohlgemerkt dann aber unter Grüner Führung.
Anne Will (ARD): Rot-grün-rote Koalition bekommt die Quittung für Politik in Berlin
Ob es dazu kommen kann, wird sich zeigen, für Jens Spahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag, war die Sache klar, eine Fortführung der alten Koalition „hätte keine Legitimität“. Eine andere Politik habe die Hauptstadt verdient, betonte Spahn bei Anne Will in der ARD, vor allem was das wahlentscheidende Thema Ordnung und Sicherheit angehe: „Wer montags um sechs aus dem Berghain kommt, will sicher nach Hause kommen!“ sagte Spahn lustigerweise, gab aber auch zu, dass er aus dem Alter raus sei, den legendären Techno-Tempel zu besuchen.
Einen gefühlten Regierungsauftrag habe die CDU, sagte die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, betonte aber auch, dass auch ein Wahlsieg nichts bringt, wenn man keine Koalition formen kann. Ob dieser Senat erst seit 13 Montan – wie die Vertreter der Grünen und SPD meinten – oder doch seit 20 Jahren – wie Jens Spahn nimmermüde betonte – regierte, bleibt Auslegungssache. Für Michael Bröcker, Chefredakteur von The Pioneer, war die Sache klar: Zu behaupten, dass es nur an der Wahlwiederholung lag, sei lachhaft, die Probleme Berlins seien enorm, von der blamablen Aufklärungsquote der Polizei, über schlechte Ergebnisse bei Grundschülern, bis zur desolaten Verzögerung beim Bau des Flughafens. Genüsslich hörte Jens Spahn zu, während Bröcker bei Anne Will in der ARD vom Leder zog, während Saskia Esken auf etwas verzweifelt anmutende Weise versuchte, die Attraktivität Berlins zu betonen.
Gäste bei Anne Will | |
Saskia Esken | SPD-Parteivorsitzende |
Omid Nouripour | Bündnis 90/Die Grünen-Parteivorsitzender |
Jens Spahn | CDU-Präsidiumsmitglied |
Ursula Münch | Politikwissenschaftlerin |
Michael Bröcker | Chefredakteur The Pioneer |
Anne Will (ARD): Wie groß sind die Konflikte im Bund wirklich?
Beim Thema Silvesternacht, also den exzessiven Randalen, den Angriffen auf Polizei und andere Ordnungskräfte, waren sich ausnahmsweise alle Gäste bei Anne Will einig. Eine Steilvorlage für die CDU, die schnell die Bekanntgabe der Namen der Täter forderte, kaum verhohlen mit ausländerfeindlichen Ressentiments spielte - auch Friedrich Merz‘ inzwischen schon legendärer „Kleiner Paschas“-Spruch fiel in diesem Kontext. „Die Täter sind Kinder dieses Staates. Die Frage ist, wie wir sie erreichen“, sagte Omid Nouripour dazu, „es gibt Integrationsdefizite, aber das ist nicht das einzige Thema“. „Man muss in die Viertel reingehen, mit Streetworkern“, versuchte Saskia Espen einen Lösungsansatz zu bieten, keine unbedingt originelle Lösung, die genau wie das Lavieren wirkte, von dem ein nicht unerheblicher Teil der Berliner Wähler offenbar genug haben. „Die CDU kann Großstadt“, behauptete Jens Spahn bei Anne Will, was wohl bedeutet: Law & Order. „Eine Form von toxischer Männlichkeit“ sei das, so Spahn, die besonders in Teilen der arabischen Welt vorherrsche. Doch was tun? „Wir haben einen fürsorglichen, aber keinen wehrhaften Staat“ versuchte Michael Bröcker die Situation in Berlin zu erklären, betonte das langsame Arbeiten der Justiz und das Fehlen von Bodycams bei der Polizei, die Ermittlungen erschwerte.
Wer aufgepasst hat, hat gemerkt, wer in dieser Anne-Will-Runde fehlte: die FDP. In Berlin verpassten die Liberalen den Sprung in den Senat, sicher auch eine Folge der Kompromisse, die als Junior-Partner in der Regierungskoalition im Bund gemacht werden mussten. Wie groß sind die Konflikte im Bund tatsächlich? Nicht nur Scholz und Baerbock scheinen oft eher gegen- als miteinander zu regieren, auch zwischen Habeck und Lindner passt mehr als nur ein Blatt. „In 95 Prozent der Fälle sind wir uns einig“, behauptete Saskia Esken bei Anne Will in der ARD dennoch und löste mehr (Bröcker und Spahn) oder weniger (Nouripour) großes Gelächter aus. „Hat die Berlin-Wahl daran etwas geändert?“, fragte Anne Will am Ende ihrer Sendung. Ursula Münch wollte die Unzufriedenheit der Bevölkerung nicht allein an der Arbeit der aktuell regierenden Koalitionen fest machen, sondern wies auf die Folgen des Föderalismus, aber auch der deutschen Einbindung in europäische oder globale Strukturen hin, die Lösungen zusätzlich verkomplizieren. Keine leichte Aufgabe für die Politik also, nicht im Bund, erst recht nicht in Berlin. (Michael Meyns)