So ist das in der Lausitz. Das Dorf Jänschwalde bei Cottbus wird eines Tages verschwinden. Das wissen seine Bewohner seit Jahren. Viele haben schon ihre Grundstücke und Häuser verkauft und sind weggezogen. Marianne nicht.
Dann gibt es auch Menschen, die auf dem Bagger sitzen wie in einem erfüllten Lebenswunschtraum. Freundliche Menschen, die traurig sind, dass ihre Zeit in der Kohle zu Ende geht. Das ist nachvollziehbar. Sie leben von, mit dem und für den Braunkohletagebau. Sie sagen „Glückauf“ wenn sie auf den Bagger steigen und blicken stolz auf die für immer zerstörten Landschaften, die die Bagger hinterlassen. Sie seufzen sentimental und wollen und können sich nicht vorstellen, dass das nun bald alles vorbei sein soll.
Vielleicht sollte man anmerken, dass das, was hier „Bagger“ heißt, keine dieser Maschinen ist, die wir etwa von Autobahnbaustellen kennen, wo sie mit ihrer Greifschaufel LKW beladen. Die Bagger im Braunkohletagebau sind riesige Schaufelrad-Monster, mehrere hundert Meter lang, über 10.000 Tonnen schwer, die nicht Löcher in die Landschaft graben, sondern die Landschaft selbst zum Verschwinden bringen. Sie gehören zu den größten Fahrzeugen, die sich auf dem Land bewegen. Aber ihre Zeit wird zu Ende gehen, wenn die Sache mit dem Kohleausstieg endlich in die Tat umgesetzt wird.
Natürlich ist es ein enorm dramatischer Vorgang, wenn eine ganze Region verlassen wird – von bezahlter Arbeit, von Wohlstand und Normalität, von den meisten jüngeren Leuten. Wenigstens aber werden hier in Zukunft keine Dörfer mehr abgebaggert. Und ganz am Rande kann man noch mal anmerken, dass der enorme Ausstoß an Kohlendioxid, den die Braunkohle als Energieträger in die Atmosphäre entlässt, ein riesiges Problem darstellt, dessen Lösung viel zu spät angegangen wird.
„Abgebaggert“ im ZDF ist ein Film aus der „37°“-Reihe und daher weniger mit Technik und Umwelt beschäftigt als mit den Menschen. Schicksale werden nachgezeichnet und ein Stück weit begleitet: eine Maschinistin, eine Dorfbewohnerin, eine Langzeitarbeitslose, eine vietnamesische Familie, eine alleinerziehende Mutter dreier Kinder, ein Steiger. Sie werden nicht gegeneinander ausgespielt. Kein besserwisserischer Kommentar mischt sich in die Bagger-Sentimentalität des Steigers. Die Vietnamesen sind bestens integriert, betreiben einen Teeladen und trinken mit biodeutschen Kolleg:innen ihr Feierabendbier. Die ursprünglich aus Kamerun stammende Abim und ihre Kinder wollen nicht weg aus der Lausitz. Ein kurzer Rückblick auf ältere Ereignisse in Hoyerswerda zeigt, dass die Integration anders aussehender Menschen dort nicht immer so glatt verlaufen ist.
Dienstag, 10. August, 22.15 Uhr, ZDF
Und ja, es ist eine Tragödie, dass so vielen Menschen wie denen in der Lausitz und anderswo die Arbeitsplätze abhanden kommen und niemand neue herbeizaubert. So ist Kapitalismus. Aber sind Dörfer, die verschwinden, wenn die Bagger kommen, kleinere Dramen als verlorengehende Arbeitsplätze? Jänschwalde immerhin kann am Ende der Reportage als gerettet gelten. Aber vom Klima wollen wir jetzt nicht auch noch anfangen. (Hans-Jürgen Linke)