Zukunft

Heute verraten wir Ihnen, wer die Nachhaltigkeit erfunden hat, die inzwischen äußerst nachhaltig verwendet wird. Die Kolumne „Times mager“.
Wir haben ja alle „unseren Carlowitz gelesen“, wie wir im Feuilleton zu sagen pflegen (nein, Carlowitz und diesmal nicht Clausewitz, obwohl der leider schwer in Mode ist!). Wenn wir unseren Carlowitz nicht gelesen haben, ist das peinlich, und deshalb pflegen wir so etwas zu sagen wie „Aaah, jaa, der Carlowitz, wie war noch mal mein Lieblingszitat…“, natürlich hoffend, dass die andere Seite das allgemeine Lieblingszitat ausspuckt. Bitte sehr: Hans Carl von Carlowitz (1645-1714), Oberberghauptmann aus Freiberg (Sachsen), in „Sylvicultura oeconomica“ von 1713, zitiert nach dem „Lexikon der Nachhaltigkeit“: „Verwundern muß man sich wohl, daß die meisten vermögensten Leute auf grosse Häuser, Palläste, Schlösser und dergleichen Baue, ihr meist Vermögen anwenden; wäre aber vielleicht vorträglicher wenn sie ihren Grund und Boden anzubauen, und zu verbessern suchten.“ Nur als Hinweis: Das Auto war noch nicht erfunden, nur deshalb erwähnt es der gute Carlowitz nicht.
Aber jetzt kommt’s, denn es wird gleich nachhaltig oder von mir aus „nachhaltend“: „Wird derhalben die größte Kunst, Wissenschaft, Fleiß, und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen, wie eine sothane Conservation und Anbau des Holzes anzustellen, daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe.“ Was „sothane“ heißt, müssen wir Ihnen nicht sagen, aber für die anderen: Es lässt sich als Synonym für „solche“ lesen.
So. Dass der Carlowitz sozusagen die Nachhaltigkeit erfunden hat, das war Ihnen natürlich bekannt, zumal das Wort „nachhaltig“ ja inzwischen mit einer gewissen Nachhaltigkeit beziehungsweise Penetranz das allgemeine öffentliche Reden durchdringt, verbunden mit einem entsprechenden Zuwachs an Sinnlosigkeit. Am schönsten wie immer in der Werbung, wie uns ein großes deutsches Industrieunternehmen anschaulich demonstriert. Es befindet sich eigenen Angaben zufolge „auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft“.
Das hat etwas unendlich Beruhigendes, allein schon wegen der Zukunft, von der wir gerade eben aus diversen gegenwärtigen Anlässen noch dachten, sie wäre eventuell abgeschafft. Nun findet sie also trotz allem statt, und nicht nur das: Nachhaltig wird sie sein, also, anders kann das bei Zukünften ja wohl kaum verstanden werden: ziemlich lang.
Und ein weiterer Vorteil dieses schönen Versprechens ist ebenfalls nicht zu unterschätzen: Wenn wir wirklich schon auf dem Weg in die Zukunft sind, wird die Gegenwart, wie sie ist, ihrerseits kaum allzu nachhaltig sein, sprich, sie wird irgendwann enden. Und dagegen wird ja wohl kaum jemand etwas einzuwenden haben.