Zoobesuch

Im Zoo ist der Mensch nicht das hellste Licht auf der Torte. Die Kolumne „Times mager“.
Wer am Vorabend zu lange über künstliche Intelligenz und Harry Harlows Experimente mit Rhesusaffenkindern geredet hat, muss am nächsten Tag in den Zoo gehen. Zu seinesgleichen.
Im Zoo hat sich vieles verändert seit dem letzten Besuch, der lange zurückliegt. Aber nach wie vor schauen hier die Lebendigen einander in die Augen. Die Umstände sind asymmetrisch. Als es jedoch gewittert und alle Welt, sofern sie noch nicht drin ist, ins Affenhaus eilt, ist es ein gemeinsames Schnattern und Quietschen, wenn Blitz und Donner herniedergehen. Die meisten Anwesenden essen gerne Bananen, tätscheln ihre Kinder und hätten es gerne einmal, dass die Kinder nicht so an ihnen hingen. Das tun die Kinder aber.
Es ist relevant, dass die einen danach ihrer Wege gehen können und die anderen nicht. Fast hat man das aus dem Blick verloren.
Es gibt Tiere, für die ein Zoo eine individuelle Katastrophe sein muss. Andere zeigen auch hinter Gittern ihre Überlegenheit. Verstecken sich in einem läppisch dekorierten Glaskasten so gut, dass sie entweder erst nach zehn Minuten zu entdecken sind oder gar nicht. Die Schlange, die nach zehn Minuten zu entdecken ist, liegt genau in der Mitte der Vitrine, es ist nicht zu glauben. Sie hätte unsereinen aufgegessen, bevor wir sie gefunden hätten. Die Schlange, die nicht zu entdecken ist, beunruhigt die, die beharrlich sind. Im Zoo ist man allerdings nicht beharrlich, es ist ein Stromern auf engem oder weniger engem Raum, und außerdem sind alle Anwesenden ständig mit Essen und Trinken beschäftigt. Den Stoffwechsel haben wir alle gemeinsam, aber der Mensch ist nicht das hellste Licht auf der Torte. Im Dunkeln sieht er nichts, im Wasser ertrinkt er, im Schlamm versinkt er, in der Wüste macht er schlapp, der Tiger schnappt ihn, die Hyäne hetzt ihn, der Affe haut ihn, das Nashorn spießt ihn, die Schlange würgt ihn. Die Giraffe überholt ihn. Die Maus entwischt ihm. Dem Marabu ist er egal, obwohl er so lieb zu ihm hinschaut, also der Mensch zum Marabu. Dass die süßen Ottern zuschnappen, verdeutlicht eine Illustration, auf der zu sehen ist, wie riesige Zähne gleich in den verblödet hingehaltenen Finger beißen werden. Trotzdem wollen da schon wieder welche füttern. Nichts wie weg.
Aus den Experimenten von Harry Harlow ging hervor, dass die Affen bei der Wahl zwischen einer Affenmutterattrappe mit einem weichen Handtuch drum herum und einer Affenmutterattrappe ohne Handtuch, dafür aber mit Milchausgabe, stets die Handtuchvariante bevorzugten. Schnell ein wenig getrunken, dann wieder zum Handtuch. Eigentlich wollten sie ohnehin zurück zum Tierpfleger. Leben will zu Leben, auch wenn die anderen Lumpen sind, Menschen, wir.