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Vreneli

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Von: Sylvia Staude

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„Crypto“ ist die Sorte Geld, die man schneller wieder verlieren kann.
„Crypto“ ist die Sorte Geld, die man schneller wieder verlieren kann. © IMAGO/Jonathan Raa

Wird sie eine laszive Stirnlocke haben? Das Schweizer Vreneli wird crypto. Die Kolumne „Times mager“.

Bekannt aus Film und Fernsehen“, so weiß es das Internet, ist der Bisstest bei Goldmünzen: „Der Test mit den Zähnen geht dabei auf die Materialeigenschaften von Gold zurück, das ein verhältnismäßig weiches Metall ist. Durch einen beherzten Biss auf die Münze sollte also bei Gold ein Abdruck entstehen, der einen Rückschluss auf das verwendete Material zulassen soll.“ Der Shop für Münzen, den wir hier zitieren, empfiehlt den Bisstest freilich nicht: „Schon alleine aus zahnmedizinischer Sicht ist von dieser Prüfungsvariante deutlich abzuraten.“

Sie werden sich vielleicht wundern, liebe Leserin, lieber Leser, in Ihrem Times mager dem Thema Goldmünze zu begegnen. Aber uns erreichte just eine Einladung aus der Schweiz – und bei der Endung .ch kann es sich keinesfalls und nie um eine unseriöse Einladung handeln -, die eine „Schweizer Innovation“ ankündigt, nämlich den „Crypto Vreneli“. Es wird gebeten, sich rechtzeitig für das VIP Pre-Launch Event anzumelden.

Das Nachschlagen von „Vreneli“ haben wir bereits für Sie übernommen (dazu gleich mehr), „Crypto“ ist die Sorte Geld, die man schneller wieder verlieren kann, als „Cryptocurrency“ bis zum zweiten y zu buchstabieren. Bekanntlich sind die Schweizer (und wir meinen die m. Schweizer) vorsichtig, siehe Frauenwahlrecht. Denn weiß man(n), ob so ein weibliches Wesen die schwere Bürde einer politischen Entscheidung zu tragen vermag?

Deswegen launchen sie das Crypto Vreneli zu einem Zeitpunkt, als in anderen Ländern die ersten Cryptocurrency-Wunderschwindler schon im Kittchen sitzen oder wenigstens kurz davor. Und sie berufen sich auf eine Goldmünze, auf der zwar die Schweizer Frau gewürdigt wird, aber nicht die vorlaute Sorte. Zuerst war der Jury, wir schreiben das Jahr 1895, die im Profil gezeigte Frau zu jung, zu individuell, zu schwärmerisch. Ein paar Monate später hatte Fritz Ulysse Landry – heute würde man ihn Designer nennen – sie deutlich älter gemacht und ihr das Haar zu einem ordentlichen Zopf geflochten. Das Krägelchen mit Alpenrosenmuster hatte ein Edelweissmuster erhalten. Aber dann war wieder eine Stirnlocke nicht recht, sie würde „dem Frauenzimmer ein frivoles Aussehen“ geben. Die Stirnlocke wurde weggelassen.

„Das klassische Vreneli-Sujet wird in vielfältigen Abwandlungen gezeigt“, werben nun die Cryptologen. Außerdem stecke dahinter „eine Menge Technik (auch ein NFC-Chip!)“. Und wir ergänzen: Um die Echtheit zu prüfen, muss niemand seine Zahngesundheit aufs Spiel setzen. Cryptogeld mag zwar bei der Herstellung ein Stromfresser sein, am Ende löst es sich in vielen Fällen rückstandsfrei auf.

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