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Tianxia

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Von: Michael Hesse

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News Themen der Woche KW10 National People s Congress Chinese President Xi Jinping (L) speaks to Premier Li Qiang during
Das Sagen hat, wer seinen Tee aus zwei Tassen trinkt. © Imago

Nationalstaaten? Überflüssig! Aus China kommt eine viel bessere Idee. Die Kolumne „Times mager“.

Wer hat die Macht in China? Einfache Frage, Xi Jinping natürlich. Entgegen den Gepflogenheiten der Macht in Peking, hat er sich eine dritte Amtszeit gesichert. Vielleicht wollte er diese Anomalität in Bezug auf das politische System im Reich der Mitte damit unterstreichen, dass er als einziger auf dem Volkskongress aus zwei Tassen seinen Tee trank. Viele fragten sich: Was soll das nun wieder? Eine zufriedenstellende Antwort fand niemand.

Vermutlich ist es auch nicht weiter wichtig. Entscheidender ist die Aussage von Xi, Chinas Aufstieg nach ganz oben nun gegen alle Widerstände durchzusetzen. Wie er angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung - im Jahr 2100 sollen es nur noch 400 Millionen Chinesinnen und Chinesen sein - zur Nummer eins werden will, bleibt sein Geheimnis.

Aber es ist ja nicht so, als ob nur China Probleme hätte. Die Globalisierung hat viele Probleme der internationalen Strukturen schonungslos offengelegt. Immer noch denken wir das Zusammenleben der Gesellschaften im Rahmen von Nationalstaaten. Auch supranationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die Europäische Union haben daran nichts geändert. Doch auch sie bleiben in ihrem hausgemachten Problemsumpf stecken. Wie sollen da die Gesellschaften ihren nationalen Mantel so leicht abstreifen können, wenn es keine Alternative gibt, die man vorbehaltlos übernehmen könnte?

Natürlich kommt auch hier die Antwort aus Fernost. Und es ist klar, dass dies die einzig richtige Antwort sein kann. Das findet zumindest der chinesische Denker Zhao. Er schlägt das kosmologische Weltordnungsprinzip des alten China als Lösung vor. Es umfasst die physische, spirituelle, aber auch die politische Welt im Ganzen. Man nennt es Tianxia. Es kennt keine Staaten, keine Grenzen, kein Außen, nur ein Innen.

Das historische Vorbild ist für Zhao die Zhou-Dynastie. Sie herrschte, noch bevor China zu einem großen Komplex vereinigt wurde. Die Zhou-Dynastie verfügte selbst nicht über besondere Ressourcen in materieller Hinsicht, militärisch war sie nicht besonders konkurrenzfähig. Sie setzte auf innere Attraktivität: „Systemüberlegenheit anstelle militärischer Autorität“.

Dass dieses Prinzip etwas ist, das den Nationalstaat überwindet, kann man laut Zhao auch aus der Geschichte lernen: Die Gründer des 1912 entstandenen chinesischen Nationalstaats lehnten das Tianxia-Konzept entschieden ab. Der Grundgedanke einer im Prinzip staatenlosen Welt präge Chinas Kultur aber bis heute, sagt der Philosoph aus Peking. Im Zeitalter der Globalisierung sei er dem westlichen Nationalstaatskonzept überlegen, weil er die Probleme in ihrer globalen Dimension erfasse. Man lernt: Es gibt aus Chinas Sicht nur einen, der der Welt wirklich helfen kann. Und das ist China.

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