Stilschule

Feierlich weisen wir auf ein Buch hin, das gerade eintrudelte: "Covering Onetti" versammelt Nach- und Um- und Weiterschreibungen junger Autoren, die verbindet, dass sie Onetti verehren. Von Ina Hartwig
Ich wartete einen widerlichen Whisky lang, Inlandserzeugnis, bei zwei ohne Hast, mit lange haftender Asche gerauchten Zigaretten. Ich zahlte beim Kellner und ging. Ich hatte beide Schlüssel, also fuhr ich im zitternden Gefährt hinauf und betrat die Wohnung. Charlie wurde langsam kalt, und der Mund - keine gute Frau war da, ihm ein Kinnband anzulegen - stand grotesk offen."
Wer nicht spürt, dass dies genial ist, dem ist nicht zu helfen. Die Sätze sind herausgegriffen aus einer Story des 1994 verstorbenen uruguaischen Schriftstellers Juan Carlos Onetti. "Montaigne" heißt die Erzählung, weil in den weltberühmten "Essais" ein dicker Umschlag mit Geld des Toten hinterlassen wird, "irgendwo im Durcheinander der Bibliothek".
Onettis 100. Geburtstag wurde zwar schon im Sommer von Feuilletons, die noch etwas auf sich halten, gefeiert, insofern sind wir mit dem Hinweis definitiv zu spät dran. Aber soll man die Youngsters bestrafen durch Nichterwähnung, nur weil sie ihre Onetti-Hommage nicht pünktlich hingekriegt haben? Kommt nicht in Frage. Feierlich und gerührt weisen wir auf ein Buch hin, das gerade in der Redaktion eintrudelte: "Covering Onetti" versammelt, neben vier Kurzgeschichten des Meisters, Nach- und Um- und Weiterschreibungen, Variationen und Stilübungen von jungen Autoren und Autorinnen, die eines verbindet: die Verehrung für den lateinamerikanischen Jahrhundertautor Onetti (der zeit seines Lebens in Deutschland so gut wie unbekannt war). Ein etwas steifes Vorwort liefert der sonst eher wilde Thomas Klupp.
Schon Marcel Proust hat seinen Stil gefunden, indem er den Stil anderer systematisch nachahmte. Pastiche heißt die empfehlenswerte Gattung, auf die sich nun auch u.a. Jörg Albrecht, Nora Bossong oder Martin Lechner (um nur einige zu nennen) besonnen haben (Covering Onetti, hrsg. von Katharina Deloglu und Moritz Malsch, Verlag Lettrétage, Berlin). Entweder man vertieft sich in die Einzelinspiration, oder man freut sich einfach, dass es so viele begabte junge Leute gibt, die sich ihre Liebe zu einem großartigen Autor leisten. Einfach so, ganz altmodisch, ohne sich zu rechtfertigen. Wie schön.