Schlafmon

Im Schlaf Schlafposen sammeln? Von Pokemons? Dann doch lieber Musikantenscheune gucken. Die Kolumne „Times mager“.
In der guten alten Zeit des linearen Fernsehens hieß es zwar auch bisweilen: aufgepasst bei der abendlichen Senderwahl. Gerade war das kleine Zebra noch fröhlich, gerade noch hat das Kind versucht, dem Zebra „Achtung“ zuzurufen, „renn!“, da wurde es – also das kleine Zebra – schon von einer Löwin gerissen und den gewiss doch lieber vegetarisch lebenden Löwenkindern zum Fraß vorgeworfen. Was haben sich die Tierfilmer bloß dabei gedacht, so eine Untat zuzulassen, was die Senderverantwortlichen, so einen Schrecken nicht ins Spätprogramm für die mindestens 18-Jährigen zu tun?
Heute kann sich jeder, ob Kind, ob Erwachsene, in der Mediathek die passende filmische Einschlafhilfe aussuchen. Uropa vermisst zwar vielleicht den „Blauen Bock“, zu dem er einst froh einschlummerte – wenn er aufwachte, hatte meist schon das geduldige Testbild übernommen –, aber es gibt das Musikantentreffen, die Musikantenscheune, den „Schlager-Spaß“ und „Wiedersehen macht Freude“. Auch das „Traumschiff“ ist eine beruhigende Möglichkeit. Oma kann immer noch am besten während eines Polittalks einschlafen, sie weiß ja eh, was die Gäste sagen werden. Die Mutter, erschöpft, nickt sogar beim Dortmund-Tatort ein.
Und das Kind? Dem kann „voraussichtlich ab Sommer“ die „Pokémon Sleep“-App“ aufs Smartphone geladen werden. Und Erwachsenen ebenso, denn die Werbung für „Pokémon Sleep“ zeigt einen netten, lockenköpfigen jungen Mann, der morgens ein Pokémon neben sich im Bett findet. Er scheint darüber nicht einmal erschrocken zu sein: Entweder sind seine Partnerinnen/Partner immer aus bunter Pappe oder er hat es satt, fremde Haare im Waschbecken und in der Dusche zu finden. Auch zieht so ein Pokémon einem wahrscheinlich nicht die Zudecke weg – wer virtuell ist, friert auch nicht.
Nun heißt es also bald nicht mehr mit Teddybärchen, Nicole oder Jannik kuscheln, sondern mit Smartphone, nicht mehr Fußballerweltmeisterschaftsbilder sammeln, sondern Schlafposen: „Lege vor dem Schlafengehen dein Smartphone neben dein Kissen, um deinen Schlaf aufzuzeichnen und zu messen. Je länger du schläfst, desto besser schneidest du ab und desto mehr Pokémon erscheinen um Relaxo herum. (…) Vielleicht entdeckst du sogar ein Pokémon mit einer seltenen Pose, die du sonst nur schwer zu Gesicht bekommen würdest.“
Da sagen wir nur: Augen auf beim App-Kauf. Denn zwar mag es sein, dass das Kind nicht mehr zweieinhalb Stunden diskutiert, ehe es ins Bett geht („nur noch dieses TikTok-Video“), aber morgens heult es dann: Buuäähh, ich habe noch nicht genug Pokémon in seltenen Posen gesammelt, ich geh nicht in die Schule, nein, ich geh nicht in die Schule!