Regen

Das Wetter und die Politik: Ein Rückblick auf das Jahr 1979, ebenfalls ein Wendejahr.
Regen. Immer dieser Regen. Zugegeben: Man hatte uns aufgeklärt, dass die Winter und das Frühjahr nass, die Sommer trocken würden im Zuge des Klimawandels. Mit Bedauern stellen wir fest, dass die Modelle der Wissenschaftler genauer sind, als es in der öffentlichen Debatte oftmals behauptet wurde. Nun stehen wir da, pudelnass. Dennoch: Es geht uns ja noch gut. Der Wandel ergreift die anderen stärker. Tunesien etwa, ein Land, das ohnedies die Knappheit von Wasser kennt, muss zu harten Rationierungen greifen, als befinde man sich im Hochsommer. Der Himmel so blau, die Böden so trocken.
In mitteleuropäischer Lage blickt man hingegen in das tiefe Grau, die Erde patschnass. Das erinnert an die 1980er Jahre. Ein verregneter Sommer folgte auf den nächsten. Im Grau des Himmels wuchs die Wirtschaft im Zeichen des Neoliberalismus. Helmut Kohls geistig-moralische Wende war glücklicherweise ein Rohrkrepierer. Den Spott erntete der CDU-Politiker dennoch: der Kanzler als „Birne“. Die 1980er Jahre waren eine einzige Wendezeit. Kein Wunder, sie hatten das große Jahr 1979 im Nacken, ein Jahr, in dem die Welt von heute begann.
Im Iran tobte die Revolution, Khomeini proklamierte den Gottesstaat, ein Pole wurde Papst und sollte zu einem großen Problem für die UdSSR werden, China öffnete sich unter Deng Xiaoping, die Sowjets marschierten in Afghanistan ein und holten sich dort mehr als eine blutige Nase, Thatcher wurde in Großbritannien gewählt und leitete das Zeitalter des Neoliberalismus mit seinen bis heute sichtbaren zerstörerischen Folgen ein, die Grünen wurden gegründet, Ölkrise, AKW-Unfall (Harrisburg) zogen weitere Spuren über das regenreiche Jahrzehnt der 1980er Jahre hinaus. Dass am Wochenende in Deutschland die letzten AKWs abgeschaltet werden, hat vor allem mit den Ereignissen in Harrisburg und später in Tschernobyl und natürlich den Grünen zu tun.
Das alles hat uns der Regen der 80er heute vor die Tür gespült. Man kann das gar nicht überschätzen. Saudi-Arabien wurde erst durch die Ölkrisen ein mächtiger Akteur. Der Regen wusch auch damals die Hände rein. Die Bundesrepublik importierte nach 1979 vor allem Öl aus Libyen. Menschenrechtsfragen spielten da plötzlich keine große Rolle mehr. Gaddafi unterstützte palästinensische Terroristen, politische Gegner wurden hingerichtet – und er schickte seine Truppen mehrfach zu Invasionen in den Tschad. Bürgschaften oder Hilfe bei der Polizeiausbildung in Libyen gab es trotzdem vonseiten der westdeutschen Regierung in Bonn. Double standards nennt man das.
Wie sehr sich doch der Regen von damals und heute ähnelt.