Powerpoint

Wenn künftig Avatare das Brainstorming und den Besuch der Hochzeitsfeier übernehmen, ist wirklich allen geholfen.
Der eine Kollege ist ganz vertieft in den Blick aus dem Fenster, der andere schaut unterm Tisch auf sein Smartphone (und denkt womöglich wie ein Schulkind, dass es die Lehrerin nicht sieht), die dritte entwirft auf ihrem Notizblock, was nach einem psychedelischen Tapetenmuster aussieht. Unterm Tisch scharren sie mit den Füßen oder wippen mit dem Knie. Was man wahrnimmt, weil man selbst megakonzentriert und ganz Ohr Richtung Boden guckt. Sicher gibt es im angeschmuddelten Teppichboden die eine oder andere Antwort auf die Fragen dieses Brainstormings zu entdecken, etwa eine mysteriöse 42. Apropos 42. Hat man eigentlich zu Hause das Schlafzimmerfenster nach dem Lüften wieder zugemacht – oder ist in diesen Minuten einer eingestiegen und stiehlt nun aus dem Regal ausgerechnet „Per Anhalter durch die Galaxis“, das man doch gerade jetzt einmal wieder lesen wollte.
Nun stellen Sie sich vor, dass Sie in Zukunft so ein Arbeitstreffen verlagern können in einen „Facebook workroom“ im Metaverse. Das wird nichts als Vorteile haben. Oder: fast nichts als Vorteile, denn im „Facebook work-room“, so die Ankündigung, wird Ihnen auch Powerpoint zur Verfügung stehen. Von dem sie doch hofften, Sie könnten es dann in einen Schrank sperren beziehungsweise im Klo runterspülen und für immer vergessen.
Aber sonst: nur Vorteile. Zum Beispiel werden die Avatare im workroom keinen Unterleib brauchen. Was wir uns als ungeheuer praktisch vorstellen, weil schon mal die Hälfte der morgendlichen Kleidungsfragen entfällt, nämlich: welche Hose, welchen Rock ziehe ich heute an und was für Schuhe passen dazu? Und Arbeitgeber, aufgepasst: kein Unterleib, keine Pinkelpausen. Ein Avatar ohne Unterleib als Paketbote, das scheint das Modell der Zukunft. Denn er kann auch nicht von einem Hund ins Bein gebissen werden. Man nennt es Win-win.
Versprochen wird im Metaverse zudem ein „natürlicher Augenkontakt“, so von Avatar zu Avatar, und ein Gesichtsausdruck, der Ihrem jeweiligen Gefühl entspricht. Moment ... zu was hat man denn eine virtuelle Vertretung, wenn sie nicht hübscher ist, dauerhaft gut frisiert und überzeugend vortäuschen kann, sich total für dieses Arbeitstreffen und seine Ergebnisse zu interessieren? Während man selbst vor dem Laptop sitzt, mit den Augen rollt, in der Frankfurter Rundschau blättert.
Dass Avatare tanzen und rennen können, wie ein virtuell heiratendes US-Paar begeistert feststellte, ist ja auch nur für Menschen verlockend, die nicht selbst tanzen und rennen wollen. Eine indische Metaverse-Hochzeit kam auf 2000 Gäste. Angeblich. Aber bei dieser Zahl kann auch ein Avatar (und sein Mensch) unauffällig verschwinden und sich schlafen legen.